warum es richtig ist, zumindest meistens

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Foto: Sebastian Müller

Es fällt schwer, nicht defensiv zu argumentieren. Weil die Ansprüche hoch sind, weil die Moral die böse kleine Schwester des Machbaren ist. Weil sich bei uns niemand mit ein bißchen Fortschritt in dem Bereich zufrieden gibt, die er oder sie als absolutes Kernthema sieht. Weil man mit einem Partner regiert, mit dem es viele Reibungsflächen gibt. Weil es vielen oft schlicht nicht denkbar scheint, dass die ÖVP in vielen Bereichen aufmacht. Und weil sie längst nicht überall aufmacht, wo wir wollen.

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wo der rot-stift besonders weh tut

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Ich war heute mit meiner Chefin in einer Neuen Mittelschule. Da haben wir eine sehr engagierte Direktorin kennengelernt, die mit viel Verve und Herzblut daran arbeitet, ihren SchülerInnen alle Türen zu höherer Bildung aufzumachen. Das ist nicht ganz einfach in einer Schule, deren Kinder großteils aus sozial benachteiligten Familien kommen. „Wir haben viele Kinder mit Migrationshintergrund, darf man das sagen?“, hat die Direktorin gesagt. Ja, man darf.

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politik ist (immer noch) kein waschmittel

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Die Unzufriedenheit mit dem politischen Status Quo geht nicht nur quer durch alle politischen Leitartikel dieser Tage, sondern auch durch all meinen Feiertags- und Feriengesprächen mit FreundInnen, Verwandten und Bekannten. Was ich an Handlungsansätzen lese und höre, ist allerdings mehr als unbefriedigend.

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der semmel mit der schulautonomie

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Grrrrr. Nein, nein und noch einmal nein. Drei kurze Gründe gegen mehr Schulautonomie:

1. Ich war in einer Schule, die sich ihre LehrerInnen aussuchen konnte. Auch wenn viele meiner MitschülerInnen im Nachhinein sagen, das war schon alles ganz o.k und man soll die ganzen alten Geschichten einmal ruhen lassen: Ich hab dort Dinge erlebt, die alles andere als lustig sind. Schlüsselwerfer-Lehrer, die wegen ihrer engen Verbandelung mit der Schulführung und dem Elternverein nicht bestraft werden. Eine Religionspädagogin, die wegen ihrer privaten Umstände auf einmal nicht mehr auftauchte. Einen revisionistischen Geschichtslehrer, über den die Direktion ihre schützende Hand hielt. Nein, nein, nein.

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wie wird man ein überflieger?

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Warum sind Superstars und PinoierInnen dorthin gekommen, wo sie sind? Sind ihre Biographien austauschbar? Ist es ihrem Fleiß zu verdanken, dass sie Vermögen angehäuft haben? Oder gibt es nicht auf den ersten Blick greifbare Muster, die Karrieren begünstigen? Der US-amerikanische Soziologe Malcolm Gladwell hat sich auf die Suche nach Mustern gemacht, die den Gegenbeweis zur These „You can do it, if you try hard enough“ anzutreten geeignet sind. „Outliers“ – oder in der deutschen Version „Überflieger“ – nähert sich der Frage von Leistung und Chancengleichheit von einer ungewöhnlichen, aber umso spannenderen Seite.

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eure kinder werden so wie wir

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Das nette Lächeln, das mitfühlende G’schau, das aktive Zuhören. Das es geht doch um die Kinder in jedem zweiten Satz, die Sorge in der Stimme, die Verantwortung auf der Stirn. Dauernd Familie und Generationen sagen, aber Sekunden später gleichgeschlechtlich Liebende und lebende Familien anpatzen. Das froh sein, „eine persönliche Geschichte“ gehört zu haben, um sie gleich wieder wegzureden und als Ausnahme darstellen zu können. Und dann, zum Schluss „Umerziehung“ zur gleichberechtigten Darstellung verschiedener sexueller Orientierungen sagen: Gudrun Veronika Kugler hat mich heute zur Weißglut getrieben. Weil ich dieses zynische Nett-tun satt hab, hinter dem sich bornierter Gleichschaltungswunsch und blanker Hass gegenüber Homosexuellen versteckt.

von der kernfamilie zur kernfrage

Die Theologin war heute zu Gast im Puls 4–Format „Pro/Contra“ – eine Diskussionssendung über die LehrerInnenbroschüre „Ganz schön intim“, die sich mit sexueller Aufklärung von 6-12jährigen befasst. Die Broschüre ist ein Unterrichtsbehelf mit Vorschlägen für eine respektvolle, umsichtige Annäherung an verschiedene Sexualitäten und bricht damit mit dem heteronormativen Bild von Liebe. Vorneweg: die Broschüre stellt an einigen Stellen Familienformen vor, die das österreichische Recht noch nicht als legal sieht, die aber trotzdem längst gesellschaftliche Realität sind. So wie Schwangerschaftsabbruch übrigens, der zwar straffrei gestellt, aber de iure nicht erlaubt ist. Schnell war die Diskussion da angekommen, wo sie die militanten Homophoben am Podium und im Publikum haben wollten: Ist Homosexualität normal? Darf man Kindern das zeigen? Sollen homosexuelle Menschen Kinder adoptieren dürfen.

Langsam platzte es heraus aus den ach so verständnisvollen Radikalos. Da ein „Kindesmissbrauch“ für die Erziehung von Kindern in einer nicht-heterosexuellen PartnerInnenschaft – kurz nachdem zwei Reihen weiter vorne eine lesbische Mutter von ihrer Freundin und ihrem Sohn erzählt hatte. Und der Schlussakkord: „Umerziehung“ für eine Broschüre, die längst real gewordene Beziehungs- und Familienformen nicht mehr unter den Tisch fallen lässt, sondern thematisiert und existieren lässt.

einladungspolitik ist politik

Ich bin es leid, dass diese sich so brav und anständig gebärdende Meute den öffentlichen Diskurs dominiert. Ich bin es leid, dass junge Menschen wegen dieser organisierten Hetzpartie ihre vermeintlich von der Norm abweichenden Liebes-, Beziehungs- und Sexualvorstellungen verleugnen müssen. Und Schlimmeres. Ich bin es leid, dass strukturell diskriminierende Pauschalurteile in der veröffentlichten Debatte so abgebildet werden, als wären sie ganz normale Meinungen von ganz normalen BürgerInnen, JuristInnen und Eltern. Deren Kindern kann man nur eine ordentliche Pubertät und ganz viel Rebellion wünschen. Aber die anderen Kinder und ihre vielfältigen Lebensträume kann man vor den HetzerInnen und ihrer repressiven Moral schützen.

Demokratischer Diskurs ist nicht, wenn Alle gar alles sagen dürfen, was ihnen in den Kram passt. Demokratie verlangt auch, dass systematische grobe Respektlosigkeiten gegenüber großen Gruppen von Menschen erst gar keine Plattform bekommen. Zensur wäre, Gudrun Veronika Kugler das Mikro abzudrehen. Sie erst gar nicht einzuladen, wäre ein Zeichen journalistischer Verantwortung gewesen.

vom ende der bildungspolitik

Der ÖVP-Gendarm aus dem Tiroler Oberland als Bildungsreformer. Die neueste ÖVP-Abspaltung mit rosa Plakaten vor dem Bildungsministerium. Die ‚tägliche Turnstunde‘ dank ÖFB, ÖSV und anderen Organisationen, die sich die Korruptionsstaatsanwaltschaft einmal anschauen sollte, in aller Munde. Neue Zugangshürden und ein kommender Flächenbrand auf den Unis, weil in der SPÖ die Jugendorganisationen mittlerweile Kompetenz-Monopol in der Hochschulpolitik haben, aber trotzdem ignoriert werden. Der Status quo der heimischen Bildungsdebatte ist bedrückend.

Streitpunkt Nachmittagsbetreuung? Sonst geht’s euch gut?

Am Höhepunkt der Debatte über die PISA-Studie 2002 hatten wir eine Diskussion darüber, ob man’s nicht den skandinavischen WeltmeisterInnen nachmachen sollte. Damals wurde über eine echte Gesamtschule diskutiert, nicht über den Ausbau der Nachmittagsbetreuung. Wie absurd letztere Debatte ist, steht hier. Man muss sich das wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Die offizielle Republik streitet nicht über das Schulsystem und über eine große Bildungsreform, die endlich versteht, dass Schulen selbstorganisierte Wissenszentren sein müssen, statt Lernanstalten. Die offizielle Republik streitet nicht darüber, ob wir heute oder morgen die Schulen radikal umbauen, LehrerInnen Arbeitsplätze an ihrem Arbeitsplatz einrichten und ob wir uns endlich dazu bekennen, dass wir nur allen Kindern alle Chancen bieten können, wenn wir sie aus ihren sich reproduzierenden Milieus herausholen. Und zwar den ganzen Tag. Nein, die offizielle Republik streitet nicht über dringende Grundsatzfragen, sondern ernsthaft darüber, ob es mehr Nachmittagsbetreuung an den Schulen braucht. Geht’s euch noch gut? Das ist die größte No-na-Frage seit Zwentendorf.

Wie der Vater, so der Sohn

Wir hatten 2002 auch noch ein anderes Bekenntnis: Jenes der oppositionellen Sozialdemokratie zur Ausfinanzierung der Universitäten und zum offenen Hochschulzugang. Statt dessen wird heute mit einem roten Kanzler als Erfolg verkauft, dass noch nicht alle Studienrichtungen zugangsbeschränkt sind und das nur Nicht-EU-BürgerInnen fette Studiengebühren zahlen müssen. Zugangsbeschränkungen sind nicht irgendwelche Hürden. Sie sind auf der Medizin für Menschen höher, die nicht in Papas Praxis aus und ein gegangen sind. Sie sind auf der Architektur höher für Menschen, die nicht schon mit 7 mit Mama ihr eigenes Bett geometrisch gezeichnet haben. Sie werden am Juridikum höher für Menschen sein, die nicht den großen Bruder in Strafrecht geprüft haben.

Unter den Rädern

Der rote Faden: Es ist schlimmer als 2002. Wir haben drei statt zwei Schulformen in der ersten Sekundarstufe. Die Struktur unserer Schulen ist immer noch eine Anstalt, kein Netzwerk. Segregation feiert fröhliche Urständ – wir haben tatsächlich Deutschlernklassen. Wir haben höhere Hürden zu den Universitäten. Die soziale Durchlässigkeit, das ureigenste Anliegen von Bildung, kommt unter diesem neoliberalen Bildungsregime unter die Räder.

scheibchenweise

Es gibt einen, genau einen einzigen Grund, warum die ÖVP Karlheinz Töchterle zum Wissenschaftsminister gemacht hat: Studiengebühren. Man muss sich das einmal vorstellen: In den Landes-ÖVPen streiten sich normalerweise Wirtschaftsbund, ÖAAB und Bauernbund um jedes pimpfige Gemeinderatsmandat. Jahrelang haben sich die Tiroler ÖVPlerInnen lautstark beschwert, dass Westösterreich nicht in der Bundesregierung vertreten ist. Dann kriegt die Tiroler ÖVP kurz nach dem Pröll-bedingten Remler-Intermezzo einen MinisterInnenposten. Und setzt statt eines altgedienten Parteifunktionärs einen als liberal, gebildet und weltoffen bekannten Rektor in diese Funktion.

galaterbrief, von hinten

Töchterle hat in Innsbruck abgeschaffte Studienrichtungen wieder eingeführt, einen ernsthaften Dialog mit der ÖH begonnen, die Besetzung des größten Hörsaals der Innsbrucker Uni über 2 Monate protegiert. Und dann hat er den größten Fehler seiner Laufbahn begangen: Er hat sich, ohne strategische Vorbereitung, ohne Hausmacht in der Partei und offenbar auch ohne Bedingungen in ein Ministeramt hinaufloben lassen. Und dann war’s schwupps vorbei mit einem geisteswissenschaftlichen Zugang in einer von neoliberalen ManagerInnen dominierten Hochschullandschaft. Töchterle durfte nicht einmal eine/n einzige/n eigene/n MitarbeiterIn zum Minoritenplatz mitnehmen.

ein gefundenes fressen

Die Öffentlichkeit hat Minister Töchterle ab Tag eins geliebt: Ein Experte, ein politischer Seitenwechsler, ein hochgebildeter, fließend lateinisch sprechender Talbewohner, der würde die heruntergewirtschaftete österreichische Hochschullandschaft weiterbringen. Was sie alle nicht verstanden haben: Töchterle war nie in einer politischen Organisation aktiv und er kennt die Fallstricke der Macht nicht. Der Minister ist in diesem Sinn politisch ungebildet. Töchterle mag gemeint haben, die Kraft seiner Überzeugung würde reichen, um bei der Schottermitzi neue Forschungsstellen und Lehrendenposten herauszuschlagen. Er hat sich dramatisch verrechnet.

widerstand? fehlanzeige

Geblieben ist von einem Rektor, bei dessen Wahl an der Innsbrucker Uni die Herzen von Linken und Liberalen höher schlugen, ein gelähmter Studiengebührenminister. Für deren Einführung hat ihn die ÖVP, wider jede bündische Logik der Partei, nach Wien geholt. Für diesen symbolischen Sieg über die SPÖ hat Günther Platter den Grant von schwarzen Hundertschaften im heiligen Land eingehandelt. Und langsam, ganz langsam, scheibchenweise kommen wir dem näher, was aus der Sicht der ÖVP von Anfang an Töchterles einziger Zweck war. Wo nur mehr die Jugendorganisationen gegen weitere Zugangsbeschränkungen protestieren, sind Studiengebühren nicht mehr weit. Der Probelauf hat funktioniert.