Die österreichischen Piraten haben noch keinen nennenswerten öffentlichen Auftritt gehabt. Sie haben noch zu keinem innenpolitischen Thema – weder zum ESM, noch zur Gesundheitsreform, nicht zur Ganztagsschule, nicht zum Parkpickerl und zur Vermögenssteuer – hörbar Stellung bezogen. Bis auf ein paar besonders gut informierte kennt in der Öffentlichkeit niemand einen Piraten, außer vielleicht den fragwürdigen Innsbrucker Gemeinderat Alexander Ofer. Und trotzdem: Die innenpolitische Großwetterlage aus pausenlosen schwarzblauen Skandalen aus Vergangenheit und Gegenwart, aus Angst vor Strache auf Platz 1 und aus gemeinsamen Gratwanderungen der nicht-rechtsradikalen Parteien in europapolitischen Angelegenheiten, verschafft den Piraten Wind. In den letzten drei Gallup-Umfragen kommen die Piraten jeweils auf 7%.
Aus roten und grünen Reihen hör ich immer, man soll die Piraten nicht größer machen, als sie sind. Nicht über die Piraten reden, dann werden sie schon von selber wieder verschwinden, ist das Credo der Parteien links der Mitte. Oder bestenfalls noch: Mit netzpolitischer Kompetenz beweisen, dass es die Piraten nicht braucht. Die Sache hat einen ziemlichen Haken. Netzpolitisch sind etwa die Grünen und die Piraten schon seit Jahren auf einer Linie. Im Kampf gegen ACTA passte kein Blatt zwischen die Positionen der Piraten und der Grünen, bei der Vorratsdatenspeicherung sind die Bündnisgrünen in Deutschland Speerspitze des parlamentarischen Widerstands. Es liegt also doch nicht an der Netzpolitik, würd ich behaupten. Die interessiert, mit Verlaub, auch keine 7% in Österreich so sehr, dass sie entscheidendes Wahlmotiv wäre. Ich behaupte, es geht um Image und um Lifestyle. Deswegen muss man die Piraten angreifen. Und zwar nicht auf die gleich patriarchale „ihr werdet schon noch erwachsen werden“-Art, wie das die deutschen Grünen nach der Berliner Wahl und dem ersten Einzug der Piraten in ein Landesparlament gemacht haben. Die WählerInnen, die genug vom belächelt und bevormundet werden haben, zu belächeln und zu bevormunden, stärkt nur die Marke der Piraten als einziges nicht-rechtes Anti-Establishment-Angebot.
Nein, ich glaube, man muss das Demokratieverständnis der Piraten angreifen. Man muss etwa die Idee von demokratischer Entscheidungsfindung im Internet als das enttarnen, was sie ist: Eine Fortsetzung der Politik der Eisenärsche im Web 2.0-Format. Abstimmungen und Diskussionen im Netz gewinnt, wer die meiste Zeit im Netz verbringt und technisch am fittesten bei Recherche und Überzeugungsarbeit ist. Das können sich InformatikerInnen und Teilzeitbeschäftigte ohne familiäre Verpflichtungen eher leisten, als Vollzeit berufstätige Eltern. Man muss den Verbalradikalismus der Piraten angreifen. Die einzige Aussendung der Piraten zum ESM begnügt sich damit, die Grünen als „Systempartei“ zu verunglimpfen. Das ist nationalsozialistisches Vokabular.
Man muss die Struktur der Piraten attackieren. Die vermeintlich nicht vorhandenen Hierarchien führen dazu, dass der Bundesvorstand rein männlich besetzt ist. Im höchsten Gremium der Piraten hat keine Frau eine Stimme. Und man muss den hochgerechnet 250.000 WählerInnen, die vielleicht die Piraten wählen, erzählen, was sie kriegen, wenn sie die Piraten wählen: Sie werden es nicht wissen. Die Piraten werden den WählerInnen zwar erklären, dass sie dann über das Abstimmungsverhalten der piratischen Nationalratsabgeordneten mitbestimmen werden können. Tatsächlich würden wohl ein paar hundert, die nichts Besseres zu tun haben, sich in Foren, Chats und Wikis darum matchen, wie die Nationalratspiraten abstimmen. Was man übrigens noch kriegt, wenn man Piraten wählt: Rot-blau als einzig realistische Zweierkoalition. Auch schön.