„Unsere einzigartige Landeshauptstadt muss nicht wirklich von saufenden und randalierenden Individuen bevölkert werden“, schreibt ein Leserbriefschreiber in der Tiroler Tageszeitung – und die Fraktion der Bürgermeisterin findet das einen „sehr guten Leserbrief“, wie sie auf Facebook wissen lässt. Die ÖVP-Abspaltung „Für Innsbruck“ ist drauf und dran, mit ÖVP, FPÖ und Federspiel-FPÖ ein Alkoholverbot in der halben Innenstadt durchzudrücken.
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innsbruck oder ein denkzettel für den boulevard
Der Abstand wird größer: Inklusive Wahlkarten werden die Grünen in Innsbruck 5% vor der ÖVP liegen, vor 15 Jahren war das Stimmverhältnis in der Tiroler Landeshauptstadt noch 3:1 für die Schwarzen.
warum die grünen in innsbruck gewinnen
Wir haben’s am Wahlabend schon gewusst: So bürgerlich ist diese Stadt nicht, so studentisch ist diese Stadt nicht, dass jede/r Vierte quasi als milieubedingte Unmutsäußerung grün wählt. Da ist ein bißchen mehr passiert in den letzten Jahren, dass die Grünen in Innsbruck einen Homerun landen und 2013 bei beiden Wahlen – bei der Landtagswahl und bei der Nationalratswahl stärkste Partei sind, zuletzt mit 24,2% der Stimmen. Dank der exzellenten Daten des Statistik-Amts der Stadt Innsbruck kann man einen ganz speziellen Blick in die Wahlergebnisse werfen.
hinter den kulissen eines wahltags
In 120 Stunden werden sich im Grünen Büro in Innsbruck wieder ein paar Zahlen-Junkies treffen, die es nicht mehr bis zu den ersten Hochrechnungen im Fernsehen aushalten. Die warten dann mit der Maus ständig auf dem „Aktualisieren“-Button darauf, dass die ersten Wahlergebnisse aus Gemeinden hereinkommen, die schon früh ihre Wahllokale zusperren und deshalb auch schon früh ausgezählt sind. Das ist nicht nur bei den Grünen, sondern bei allen Parteien so. Interessant ist dabei für die Zahlen-Junkies nie das absolute Ergebnis der bereits ausgezählten Stimmen. Auch kommenden Sonntag nachmittag wird die ÖVP bei den bereits ausgezählten Stimmen in Führung liegen, bevor die Ergebnisse aus Wien, Graz und Linz ausgezählt sein werden. Das ist auch immer der größte Aufreger: Wenn irgendwo im Büro ein ausgezählter Zettel herumliegt, in dem die Grünen nach 58 ausgezählten Landgemeinden bei 3,7% liegen und wenn den Zettel jemand in die Hände bekommt, der oder die nicht so bewandert mit dem Modalitäten des Wahltags ist.
so geht zivilgesellschaft

Nuran Ekingen und Katharina Lang von der Plattform Rechtsberatung (Foto: Christian Niederwolfsgruber)
Ich war einige Male dabei, als Asyl-BeraterInnen ihren KlientInnen ohne gemeinsame Sprache versucht haben, die Verfahrensschritte durchzubesprechen. Mit Händen und Füßen ist da teilweise erklärt worden, was im Zynismus des österreichischen Fremdenrechts oft unerklärlich bleibt. Das sind Situationen, in denen die Flüchtlinge unter großem Druck stehen. Es geht in allen Fällen um eine drohende zwangsweise Ausweisung, in vielen um die bloße Existenz, in manchen um das Leben der Klientinnen und Klienten. Es gibt zu wenig BeraterInnen, weil die öffentliche Hand die Flüchtlingsberatung heruntergewirtschaftet hat. Dieses Herunterwirtschaften ist aber nicht passiert, es ist gemacht worden: Von willfährigen Mitte-PolitikerInnen, die nicht verstanden haben, dass sie die Rechten stärken, wenn sie ihnen nachgeben. Und von verantwortungslosen JournalistInnen, deren Texte sich nicht von FPÖ-Plakaten unterscheiden.
gesammelte großstadtlehren
Mein Wiener Sommernachts-Adventkalender sagt nach einem Jahr: Vielen Dank, es war sehr schön.
erstens. zieh an, was immer du magst. die andern tuns auch.
zweitens. der yppenplatz ist auch nur ein birkenstock-catwalk
drittens. der wiener bimfahrer kann dich aus der bim mit mikro so anbrüllen, dass du fast vom rad fällst.
neunzehn: eine einordnung
1. Je weiter weg, desto besser die Grünen
Ich kenn eingefleischte ÖVPler, die glaubwürdig sagen, dass sie „für Brüssel“ eh die Grünen wählen. Im Nationalrat, wenn’s nicht grad eine Richtungswahl ist, dürfen die Grünen auch stärker sein. Aber vor der eigenen Haustür, wo der korrupte Schwarze oder Rote kein „Wiener Großkopferter“ ist, sondern der nette Nachbar? Da werden die Grünen normalerweise weniger gewählt. Es gilt die Regel, je weiter weg, desto Grüner. Wenn der UNO-Sicherheitsrat direktdemokratisch beschickt würde, ich bin mir sicher, da würde ein Grüner oder eine Grüne gewinnen. Aber 19 Prozent, vor der Haustür: Aber hallo!
2. Mit DER Spitzenkandidatin doch nicht
Ja wenn die Uschi Schwarzl oder wenn der Georg Willi oder wenn der Gebi Mair… wie oft hab ich das gehört. Wie oft hab ich nicht widersprochen, abgewiegelt und gesagt, es ging halt nicht anders. Tatsache ist: Sonja Pitscheider lacht nicht so telegen wie Platzgummer, kann ihre Sätze nicht so auswendig wie Pokorny-Reitter und kann keine Geschichten aus der Gemeinderatsperiode 1985 erzählen, wie Rudi Federspiel. Aber vor Ort und im direkten Kontakt mit den WählerInnen hat die manchmal kauzige Spitzenkandidatin offenbar gezogen. Und 10% in der BürgerInnenmeisterdirektwahl gemacht, obwohl sie diesen Wahlgang von Anfang an als „Nebensache“ bezeichnet hat. 9.463 Stimmen hat Alexander van der Bellen als Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl 2008 mit den Grünen in Innsbruck gemacht, bei wesentlich höherer Wahlbeteiligung. Das sind gerade mal 49 mehr, als das Team mit Sonja an der Spitze am Sonntag.
3. Schwarz-blau-(orange)
Der Innsbrucker Gemeinderat war das letzte übergebliebene direkt gewählte Gremium aus schwarz-blau-orangen Zeiten. Da haben Rote und Grüne fast alle Wahlen gewonnen, die SPÖ die Steiermark und Salzburg umgedreht. Die 18,6%, die Uschi Schwarzl und Georg Willi 2006 geholt haben, waren auch gegen die Schüssel-ÖVP und ihr blaues Experiment. Auf dieses Ergebnis noch einmal fast 500 zusätzliche Stimmen draufzusetzen, ist ein Erfolg.
4. Ohne Geld koa Musi
Wir haben ja eh AktivistInnen, wieso sollen wir jemanden zahlen, das ist unanständig. Oft gehört in der Vorbereitung für den Wahlkampf. Und oft nicht sagen getraut, dass viele von denen Freaks sind, die man nicht auf Menschen loslassen kann (was im Übrigen auch für manche PolitikerInnen gilt). Tatsache ist: Ohne junge Profis, die man ordentlich entlohnt, lässt sich kein professioneller Wahlkampf aufziehen. Das Team, an deren Spitze in deren Mitte Lore Hayek den Wahlkampf ihres Lebens aufgezogen hat, hat find ich Unglaubliches geleistet. 10.000 Hausbesuche, ein drei Wochen lang durchgehend bespielter Container an Innsbrucks beliebtestem Platz im Frühling, ein Wahlkampfabschluss mit einer größeren Bühne, als Schwarze und Rote, daneben Diskussionsveranstaltungen, Freiluftkino, ein Konzert mit vier Bands, dauerpräsent und immer diskussionsbereit auf Facebook und Twitter. Angemessen bezahlen kann man das, was Sebi, Michi, Viki, Claudia, Lea, Dan und Co. rund um die KandidatInnen hochgezogen haben, sowieso nicht. Aber wenn die das nochmal machen, kann sich Platter oder wer immer sich 2013 als Landesfürst geriert, warm anziehen.
eine wahlanleitung für volksbewegte
Es gibt eine Volksbewegung in Marokko, sie ist konservativ-liberal und hat ein gutes Zehntel der Parlamentssitze. Libyen hat eine Nationale Volksbewegung, das sind die Guten, die Anti-Gaddafi, will man uns glauben machen. Gegen Korruption und Machtmissbrauch und so. In Griechenland gibt’s die orthodoxe Volksbewegung, deren Parteichef unter anderem damit auf sich aufmerksam gemacht hat, dass er vor Jahren als Abgeordneter gefragt hat, warum denn am 11. September keine Juden ums Leben gekommen wären. Es gibt die französische Präsidentenpartei, die weil „Vereinigung für die Mehrheit des Präsidenten“ so cheesy klingt, jetzt Vereinigung für eine Volksbewegung heißt. Ich hab die „Volksbewegung dem deutschen Volke“ gefunden, ein reichlich skuriller Verein, der komische Buchstaben verwendet. Das waren bis vor kurzem übrigens auch die Einzigen im deutschsprachigen Raum, die google unter „Volksbewegung“ ausspuckt. Wird auch einen Grund haben, nehm ich mal an. Je kleiner die Männer, desto größer das Volk, oder so.
Aber eben nur bisher keine anderen deutschsprachigen Volksbewegungen. Denn wenn in einer Partei der Verbindungsname des Bundesgeschäftsführers „Sumpf“ Programm wird, muss eben ein neues Wort her. Das ist ja auch verständlich: Wenn ein Paul Aigner morgen zum Beispiel berühmt würde, weil er mit der Parkkarte eines toten Verwandten parkt oder als gewerbsmäßiger Schlepper enttarnt wird, sich als Partei-Promi sturzbesoffen ans Steuer setzt oder die privaten Schulden mit seinen Politikerspesen abbezahlen will, würd ich auch nicht mehr Paul Aigner heißen wollen. Ich würd auch nicht mehr Paul Aigner auf mein Namensschild schreiben und neuen Menschen, die ich kennenlerne meinen Namen nicht verraten. Und ich würd schauen, dass sie mich mögen, bevor sie herausgefunden haben, wie ich heiße.
Das hat sich auch Christoph Platzgummer gedacht. Der will nämlich nur was mit Einer zu tun haben, die sich nicht mehr wehren kann. Aber mit dieser Volkspartei, mit deren Wahlkampfkosten, mit deren Financiers und Buffets, mit deren sittenwidrigen Verzichtserklärungen und mit deren stellvertretenden Bezirkschefin beschäftigt er sich sicher nicht. Und darum hat er seine Volkspartei jetzt umbenannt. Die heißt jetzt nämlich Volksbewegung, weil das so energisch klingt.
Und weil man da konsequent sein muss, mit der Volksbewegung in Abgrenzung zu dieser Sumpf-Partei: Liebe Platzgummer-Fans, am Wahltag streicht’s ihr den runden Kreis neben dieser Volkspartei-Bürgermeisterin durch und damit klar ist, was ihr von Korruption haltet, schreibt‘s in die zwei freien Felder ganz rechts, „Putz Hakl“. Dann wird das ein wirklich sensationeller Sonntag.