ballhausplatz – wir haben ein problem

Ja, wo sind sie jetzt, die Werte? Wo ist das Handeln, von dem vor zwei Monaten die Rede war? Weil er „ein Gegenpol zu politischer, gesellschaftlicher und intellektueller Barbarei“ ist, hat ihn Franz Vranitzky unterstützt. Für eine „offene und tolerante Gesellschaft“ stehe er, hat die verstorbene feministische Ikone Johanna Dohnal gesagt. Weil er ein großer Humanist und Demokrat sei, hat Lifeball-Organisator Gery Keszler den Bundespräsidenten bei seiner Wiederwahl-Kampagne unterstützt.

Jetzt haben wir sie präsent wie fast noch nie, die intellektuelle und gesellschaftliche Barbarei. Sie manifestiert sich in der Abschiebung einer 18-jährigen, die besser oberösterreichisch spricht, als der oberösterreichische Landeshauptmann und besser deutsch, als der Bundeskanzler. Die gesamte politische Elite außer den Grünen hat sich dem Zynismus hingegeben: Faymann will seine schöne Verteilungsdebatte nicht durch ein unpopuläres Thema vermiesen. Die Familienpartei ÖVP steht schon traditionell auf der Seite der Rechten und nicht auf jener der Menschen.

Jeder Mensch ist gleich an Würde und hat unabhängig von Herkunft, Geschlecht Alter oder sozialem Status den selben Wert. Das ist eine fundamentale Wahrheit, die über den Gesetzen steht, heißt es in einer von Fischers Werbebroschüren. Die fundamentale Wahrheit ist offenbar eine Tochter der Zeit. Der Bundespräsident, den auch ich als Garant gegen rechts gewählt habe, schweigt zur Zogaj-Abschiebung, im Gegensatz zu seinen Zusagen an die Grünen vor der Wahl. Das ist immer noch besser, als der dümmliche Sermon, mit dem sich seine frühere Partei aus der Affäre ziehen will. Aber von „Mut“, „Werten“ und „Handeln“ keine Spur. Ballhausplatz – wir haben ein Problem!

der anti-waldheim

Kurt Waldheim konnte sich erinnern. Aber er wollte sich nicht erinnern, dass er im Stab von Alexander Löhr von der Deportation von 40.000 Jüdinnen und Juden aus Saloniki gewusst hat. Vor 24 Jahren hat der ÖVP-Kandidat 54% der Stimmen im Zweiten Wahlgang bekommen, Österreich war nach seiner aggressiven antisemitischen Kampagne international isoliert. Er sei wie tausende andere und ganz Österreich ein unwissendes Opfer der Nazi-Machtübernahme gewesen, so das Credo des Bundespräsidenten anno 1986.

Heute hat Heinz Fischer fast 80% der Stimmen bekommen. Er ist dem Nationalsozialismus immer deutlich entgegengetreten. Fischer hat sich so deutlich wie kein anderer österreichischer Politiker der österreichischen Lebenslüge entgegengestellt. Er hat die Opferrolle kritisiert, die Unabhängigkeitserklärung vermittle ein falsches Geschichtsbild, der Holocaust werde in der jungen Zweiten Republik weggeredet.

Freilich, der Bundespräsident hat keine weiße Weste in der Nachkriegs-Geschichte. Es ist der junge SPÖ-Klubobmann Fischer, der einen Untersuchungsausschuss gegen den Nazi-Aufspürer Simon Wiesenthal fordert. Denn Wiesenthal, der viereinhalb Jahre in 4 Konzentrationslagern überlebt hatte, deckte die SS-Vergangenheit des SPÖ-Koalitionspartners Friedrich Peter (FPÖ) auf. Bundeskanzler Kreisky stellte zur Verteidigung den Verdacht in den Raum, Wiesenthal sei selbst ein Nazi-Kollaborateur gewesen. Fischer hat sich dazu bis heute nie klar dazu geäußert.

Dennoch: Waldheim ist für die Nazis in den Krieg gezogen und hat sich und Österreich dann als Opfer dargestellt. Der Anti-Waldheim ist nicht für die Nazis in den Krieg gezogen und hat sich unmissverständlich gegen die Opferlüge positioniert. Der Anti-Waldheim heißt Heinz Fischer und ist Bundespräsident. Und das ist gut so.

noch dümmer geht’s ümmer

Weil „beide eine eindeutige Vergangenheit haben“, will Burgenlands ÖVP-Chef Steindl weder Heinz Fischer, noch Barbara Rosenkranz wählen. Tirols schwarzer Häuptling wählt sicher nicht Rosenkranz, aber ob er den Mutterkreuz-„Christen“ Gehring („Ich bin ein Fundamentalist) wählen will, lässt er offen. Es gelte das Wahlgeheimnis. Ob man den „sehr sozialdemokratischen Heinz Fischer, Barbara Rosenkranz oder ungültig wählen soll“, ist für den Salzburger VP-Chef Haslauer „eine schwierige Frage für bürgerliche Wähler“. Denn er kenne Rosenkranz nicht, Haslauer „weiß über ihre Aussagen nicht Bescheid.“ Der wortgewandte schwarze E-Mail-Spezialist von Welt Ernst Strasser, wird auch weiß wählen. Denn er habe in seinem Leben noch nie SPÖ gewählt. Fischer sei „genau so wenig wählbar wie Barbara Rosenkranz.“ Weiß wählen wollen auch Parlaments-Klubchef Kopf und die Landeshäuptlinge Pröll und Pühringer.

Zwischen SozialistInnen und nationalen SozialistInnen keinen Unterschied machen zu wollen, hat Tradition bei den selbsternannten „Christlich-Sozialen“ in Österreich. Sie haben es mit dem Schwur des Korneuburger Eids 1930 getan, dem offenen Bekenntnis zum Faschismus, der Antwort auf das Linzer Programm. Mit dem hatten sich die SozialistInnen zur wehrhaften Demokratie bekannt. Nach der Machtübernahme Dollfuß‘ waren SozialistInnen und NationalsozialistInnen verboten, wurden als gleich große Übel für die „Volksgemeinschaft“ qualifiziert.

Ich halte die Gleichsetzung von Fischer und Rosenkranz mit ihrer jeweils eindeutigen Vergangenheit (Steindl) oder der Tatsache, dass sie genau so wenig wählbar (Strasser) sein sollen, für eine politische Sünde, die in der jüngeren Geschichte ihresgleichen sucht. Auch auf Dummheit, weil man über ihre Aussagen nicht Bescheid weiß (Haslauer), darf sich eine staatstragende Partei nicht herausreden. Die ÖVP ist in den letzten Wochen des Bundespräsidentschaftswahlkampfs kleinkrämerisch, nur auf Schädigung der SPÖ bedacht, handelt unverantwortlich und vergisst dabei zum wiederholten Mal das Wichtigste, was dieser Republik zur Verfügung steht: Sie trampelt zum wiederholten Mal auf dem antifaschistischen Grundkonsens herum. Der wird nicht umsonst vom höchsten Repräsentanten der FPÖ, Martin Graf, offen attackiert. Den Herrn hat übrigens auch die SPÖ zum Nationalratspräsidenten gewählt.

am 25. april: remember 1934

Genau 76 Jahre wird es am Tag der Bundespräsidentschaftwahl her sein, dass die demokratische Verfassung der Ersten Republik durch eine Verordnung endgültig über Bord geworfen und durch einen faschistischen Ständestaat abgelöst wurde.

An diesem Tag, dem 25. April 2010, wird Heinz Fischer wiedergewählt werden. Seine GegenkandidatInnen werden nicht 50% der Stimmen bekommen. Aber darum geht es gar nicht. Es geht darum, wer sich in Österreich an diesem historischen Datum um das höchste Amt der Republik bewirbt und wer sie unterstützt bzw. ihnen keine klare Absage erteilt.

Denn die beiden seltsamen Figuren kommen aus jenen politischen Lagern, die sich Anno 1934 bzw. 1938 als Totengräber der Republik und als Wegbereiter zur Diktatur herausgestellt haben. Die Diktatur steht nicht vor der Haustür, Gehring ist nicht Dollfuß und Rosenkranz nicht Seyß-Inquart, das ist schon klar. Aber es ist bezeichnend, welche illustren Figuren sich in diesem Land Hoffnung auf zweistellige Ergebnisse machen können.

Die FPÖ-Kandidatin kommt mitten aus einem Eck der Freiheitlichen, dem Jörg Haider nur als Gast regelmäßig seine Aufwartung machte und sich damit schöne News-Cover abholte. Dort, wo Rosenkranz herkommt, sind die Holocaust-Leugner und die Revisionisten daheim. Gehring ist ein Christen-Fundi, wie sie nur mehr selten zu finden sind. Und er hat zumindest eines mit der austrofaschistischen Elite gemein: Er will einen starken Mann an der Spitze des Staates, der das Parlament blockieren und jeden Gesetzesentwurf zurückschicken kann. Gehring hat seinen Wahlkampf nicht umsonst mit dem Zitat des austrofaschistischen Kanzlers Schuschnigg „Gott schütze Österreich“ eröffnet.

Wir sind weit weg von SA und Heimwehr. Aber die Konstellation macht klar, was vor Österreichs Geschichte als Täternation am 25. April 2010, dem 76. Jahrestag der formalen Abschaffung der Republik gilt: Remember 1934.

ob als penner oder sänger…

Wenn ÖVP-Kluobmann Kopf und die Innsbrucker NR-Abgeordnete Hakl „rote Gfrieser“ (Andreas Khol) sehen, wird ihnen schwarz vor Augen. So schwarz, dass sie nicht mehr im Stande sind, NS-Verharmlosungen als solche zu erkennen. Und so schwarz, dass ihnen mühsam erkämpfte Frauenrechte und der antifaschistische Schutzwall der Zweiten Republik schnurz sind.

Die ÖVP wird vor lauter Abneigung gegen Bundespräsident Heinz Fischer zu einer Fundipartei. Mit ihrer offensiv angelegten Nicht-Unterstützung des einzigen Kandidaten, der nicht von vor(vor)gestern ist, verschiebt sie einmal mehr die Grenzen. Grenzen zwischen Positionen, die in Österreich noch akzeptabel sind und zwischen Positionen, die eigentlich als unzivilisiert und menschenverachtend ad acta gelegt worden sind.

Kopf will etwa die Frage, ob er sich vorstellen kann, den Chef der „Christen“ als Bundespräsidenten zu wählen nicht beantworten. Vor lauter Sozi-Hass macht einer der mächtigsten ÖVPler im Land damit einen fragwürdigen Kandidaten salonfähig. Denn Gehring setzt sich für ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen ein, will ein Müttergehalt, damit wir nicht so viele Kinderbetreuungseinrichtun

gen brauchen. Und Gehring spricht in Zusammenhang mit Fristenregelungs-Befürworterinnen und deren Aktionismus gegen radikale AbtreibungsgegnerInnen davon, das es erschreckende Parallelen zum Umgang mit den Juden gebe, man müsse „den Anfängen wehren“.

Nordkorea ist Heinz Fischers Verbotsgesetz, wenn man Karin Hakl glaubt. In der ATV-Diskussionssendung „Talk of Town“ vergangenen Donnerstag beantwortete die Innsbrucker ÖVPlerin die Frage, wen sie wählen werde, nämlich genau damit. Rosenkranz sei wegen ihrer einschlägigen Haltung zur NS-Zeit nicht wählbar. Und Fischer unterhalte Beziehungen zu Nordkorea, daher auch nicht wählbar. Die Nordkorea-Geschichte ist uralt: in der Gesellschaft waren u.a. auch ÖVP-Justizminister Klecatsky und der Politikwissenschafter Anton Pelinka, denen man wohl keine große Anhängerschaft für das schreckliche Regime anhängen würde – aber darum ging’s Hakl auch nicht.

Es geht darum, dass die ÖVP vor lauter Schaum vor dem Mund gegen den freundlichen Opa an der Staatsspitze Fundis das Wort redet. Wer zu einem Christen-Fundi und zu einer NS-Verharmloserin nicht nein sagen kann, macht sich an der schleichenden rechten Unterwanderung unserer Gesellschaft mitschuldig. Und wird damit selber zur Fundipartei.

Einen Tipp für die beiden westösterreichischen ÖVP-Aushängeschilder gibt’s hier. Das erklärt auch die Überschrift.