Heute steht im „Falter“ ein sehr schöner Satz im Horaczek-Porträt über den Traiskirchener Bürgermeister Andi Babler, den fast schon ikonisch stilisierten letzten Linken in der SPÖ: Es heißt dort, dass sich der ArbeiterInnensohn mit internationaler Vergangenheit und seiner streng antifaschistischen Haltung den Ruhm verdient habe. Aber dass es eben auch viel über die SPÖ aussage, dass der prominenteste verbliebene Linke der Bürgermeister einer Kleinstadt sei. An anderer Stelle in der gleichen Zeitung argumentiert die brillante Barbara Blaha, dass die Rotblauen mit dem nie bewiesenen Argument, die Blauen sei „sozialer“ als die Schwarzen, der FPÖ zur Salonfähigkeit gleich auch noch dem Konstrukt „soziale Heimatpartei“ den Ritterschlag erteilen. Da ist was dran.
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bonny und clyde
Wo steht die Bank, die wir demnächst ausrauben? Vizekanzler Mitterlehner hat gestern im Doppelinterview mit Kanzler Faymann im ORF-„Report“ gesagt, es brauche eine Steuerreform, bei der dann alle mehr in der Tasche haben. Sinngemäß hat der angeschlagene Kanzler dem zugestimmt, dass im März alle mehr in der Tasche haben sollen. Ich frag mich, wie das gehen soll.
verschleierungen
Ich wünsch mir, dass die SPÖ stärkste Partei bei den Nationalratswahlen 2013 wird und die Strache-FPÖ in Schach hält, das sei vorweggeschickt. Es gab bis vor einem Monat eine klitzekleine Chance auf rot-grün, das würd ich gern einmal sehen in dieser Republik. Das heißt aber nicht, dass diesen Zielen alles untergeordnet werden kann. Es gibt keinen Freibrief für die Faymann-SPÖ als Bastion gegen Strache. Erst recht nicht, wenn sie so tut, wie sie tut.
Die SPÖ begibt sich in der Diskussion über den abgewürgten U-Ausschuss in die Opfer-Rolle. Die Kronen-Zeitung macht Faymann die Mauer und Faymann der Krone. Nach dem Sommergespräch schreibt Michael Jeannée in seiner Krone-Kolumne an Armin Wolf: „Montagabend im Altmannsdorfer Gartenhotel-Ring, wo Sie Ihren letzten öffentlich-rechtlichen Fight, vulgo „Sommergespräche“, bestritten haben, haben Sie mich an einen ausgebrannten Boxer am traurigen Ende seiner Karriere gemahnt, und Ihr Gegner Werner Faymann an Muhammad Ali in Hochform“. Krone-Innenpolitik-Chef ist mit Faymann seit Jugendtagen befreundet, wie man präzise wie sonst nirgends in diesem Falter-Porträt nachlesen kann. Das dürfte er auch, würde er nicht Faymanns Mann in der Krone-Redaktion sein. Und natürlich darf die SPÖ auch eine der größten Medienorgeln des Landes für sich nutzen. Aber Tatsache ist: Die Krone wedelt mit der SPÖ, nicht umgekehrt.
Die Entscheidung Faymanns, nicht vor dem U-Ausschuss auszusagen, ist kein Kinkerlitzchen, wie da und dort aus der SPÖ zu hören ist. Es ist die Entscheidung, noch viel mehr als jemals zuvor auf die Krone-Redaktion angewiesen zu sein. Denn dass alle anderen Medien, sei es aus Ärger über die entgangenen Inseraten-Millionen, oder aus ehrlichem journalistischen Ärger, gegen das Abwürgen des U-Ausschusses anschreiben würden, war klar. Jetzt sind Claus und Werner allein zuhaus und Wolfi darf auch noch manchmal mitspielen.
Warum das keine Nebensache ist, wo doch eigentlich ESM, Gletscherschmelze und Wirtschaftskrise die entscheidenden Zukunftsthemen sein sollten? Weil in all diesen Fragen eigentlich die Politik das Primat haben sollte, die richtigen Entscheidungen zu treffen – und an ihrer Spitze der Bundeskanzler. Aber die Entscheidungen über den Kurs der SPÖ und damit der Regierung werden zunehmend in die Muthgasse im 20. Wiener Gemeindebezirk ausgelagert. Und deren Kurs kennen wir ja wirklich zur Genüge.
in wessen geiselhaft
Das über diesen Herbst hinausgehende Drama der Mésalliance zwischen SPÖ und „Kronenzeitung“: Wer die Muthgasse füttert, ist mitverantwortlich für das, was Pandi, Gnam und Konsorten auskotzen. Das gilt im Übrigen in genau gleichem Maß für die schwarzen und blauen Teilzeitbanditen, die sich jetzt darin sonnen, dass der SPÖ der eigene Ausschuss um die Ohren fliegt.
Weitere Videos zum Flashmob vor dem Parlament gestern, u.a. mit Florian Klenk und Judith Denkmayr, gibt’s hier. Ich empfehle außerdem die Facebook-Gruppe „Alles Aufklären – Transparenz für Österreich.“
werner beinhart? ja, bitte!
Jaja, man wird sich ja wohl noch was wünschen dürfen, werden viele jetzt sagen. Aber „Werner Beinhart“ als Titel für eine Faymann-Story geht im besten Fall als paradoxe Intervention, im schlechtesten Fall aber als blanke Realitätsverweigerung durch. Was Herbert Lackner in der großen Innenpolitik-Story im aktuellen Profil schreibt, hätte Angelika Feigl, die entenbekämpfende Ex-Pressesprecherin des Bundeskanzlers und Lebensgefährtin von Krone-Redakteur Claus Pandi auch nicht schöner formulieren können. Die ÖVP sei unter ferner liefen, mit dem Gerechtigkeitsthema habe die SPÖ den Wind in der politischen Debatte gedreht. Das klingt ein bißchen nach dem Schwanz, der mit dem Hund wedelt.
Ich seh ihn nicht, den Aufwind der SPÖ. Ich sehe, dass die Rechten mit 33% mit Abstand stärkste Kraft in diesem Land würden, wäre gestern gewählt worden. Man klammert sich in dieser bitteren Zeit an Strohhalme, dafür hab ich volles Verständnis. Aber klar ist auch: Die SPÖ hat eben noch kein Rezept gegen den Aufstieg der Freiheitlichen gefunden. Und es hilft nichts, die ÖVP auf einem Niveau zu schlagen, während Strache vorbeizieht. So weit, so eindeutig, würd ich meinen.
Ich bin heute am Terminal Tower in Linz vorbeigefahren. Das ist der Turm, um den es in den jüngst veröffentlichten Aufdecker-Geschichten in der Wiener Stadtzeitung „Falter“ geht. In zwei Sätzen: Das Linzer Finanzamt sucht im Frühjahr 2005 neue Räumlichkeiten. Davon bekommt der Baukonzern Porr Wind. Er beteiligt sich an der Finanzierung eben dieses Turms, mit der Aussicht, dass sich dort das Finanzamt einmietet – ein verlässlicher, zahlungskräftiger Kunde. Der oberste Chef der Finanzämter: Finanzminister Grasser. Die Verhandlungen stocken im Mai und schwupps stehen die Grasser-Freunde Meischberger und Plech auf der Matte. Dann geht alles sehr schnell, die Verträge sind bald unter Dach und Fach. Meischberger kassiert im Dezember 2005 200.000 Euro von der Porr, gut 56.000 davon legt er auf ein Konto, auf das auch Plech Zugriff hat.
Und weil das jetzt doch sieben statt zwei Sätzen geworden sind, bin ich auch schon bei dem Punkt, über den ich gestern mit einem Freund diskutiert habe. Die schwerreichen Grasser-Freunde, die unter der Ägide des FPÖ-Finanzministers noch reicher geworden sind, kommen mitten aus der Freiheitlichen Partei. Das Thema dominiert die Bundespolitik seit dem 2. Oktober 2009: Da gab’s die erste APA-Meldung zu den Schlagworten „Grasser“ und „Buwog“. Und in der SPÖ arbeiten die Hinterbänkler an dem Thema.
Das ist deswegen so ärgerlich, weil das Thema so viel Potenzial für die SPÖ hätte. Weil es so schön zeigt, was für Typen bei den Blauen am Werk waren, die sich als Vertreterin der sogenannten kleinen Leute versteht. Wenn schon die ganze SPÖ in verklärender Kreisky-Nostalgie schwebt, dann sollte sich dessen Nachfolger ein Scheibchen vom Sonnenkönig abschneiden: Geharnischte Worte Richtung FPÖ und geharnischte Worte Richtung ÖVP, die gemeinsam mit den Meischbergers und Plechs diese Republik moralisch ruiniert und finanziell ausgeräumt haben, wären an der Zeit. Dann dürfte Herbert Lackner ruhig „Werner Beinhart“ schreiben. Es könnte der Republik nicht viel Besseres passieren.
2011 ist das neue 1963
Es ist ja wirklich zum depressiv werden, denkt man sich die Szenarien bei der nächsten Nationalratswahl durch. Rot-schwarz, schwarz-blau, rot-blau – alle anderen Varianten sind außer Reichweite, wenn nicht eine der Koalitionsparteien über 35% kommt. Ich halte neben der sozialen Schere, die ein notwendiges Produkt kapitalistischer Gesellschaften ist, die Klientelpolitik von Rot und Schwarz für hauptverantwortlich für diese Misere.
Faymann legt sich nicht mit den Gewerkschaften und nicht mit den Überprivilegierten seiner Partei in den Aufsichtsräten und Vorstandsetagen an. Und Pröll hört nicht auf die klugen Stimmen der ehemaligen ÖVP-Spitzen wie Busek und Neisser, sondern auf die millionensubventionierten Bauern und auf die Betonierer in der LehrerInnengewerkschaft. Nein, von einem großen Wurf und einer Ausweitung des jeweiligen WählerInnenpotenzials ist keine Spur vorhanden. Für die einzig relevante Zielgruppe halten beide Chefs der Koalitionsparteien die sogenannten ModernisierungsverliererInnen.
Neu ist das alles nicht: „Kompromisse wurden nur noch als ‚Packelei‘ wahrgenommen, die ‚Versäulung der Politik‘ hatte zu einer entpolitisierten Demokratie geführt, das Instrument der Junktimierung diente der Ämterpatronage und der Versorgung der eigenen Klientel. Die parteipolitische Verfilzung weiter Bereiche der Gesellschaft – Politik, Wirtschaft, Kultur, Medien – diskreditierte die herrschenden Eliten des Landes vollends. Das System der Konsensdemokratie geriet ins Wanken.“ Es geht um die frühen 1960er-Jahre in dieser unfreiwillig aktuellen Passage aus Wolfgang Petritschs jüngst erschienenen Kreisky-Biographie. Und dann, ja dann?
Dann versemmelte die SPÖ 1966 eine Nationalratswahl, weil sie keine klare Linie fand. Und dann fand sie mit einer Öffnung in die richtige Richtung – zu den Intellektuellen, zu den Studierenden, zu denen, die mehr und nicht weniger Demokratie wagen wollten – eine Linie, wurde 1970 stärkste Partei und holte 1971 nach einem Neuwahl-Coup die Absolute. Ich will ja keinem mechanischen Geschichtsbild das Wort oder Kreiskys antisemitische Eskapaden schön reden. Aber eine Scheibe davon – von substanzieller programmatischer Arbeit, von klaren gesellschaftspolitischen Ansagen und von einer Idee, wie Politik über die nächste Legislaturperiode hinaus das Leben der Menschen gestalten kann – könnt sich die 2011er-SPÖ abschneiden. Stichwort Vermögenssteuer, Stichwort Menschenrechte, Stichwort Wehrpflicht, Stichwort Verwaltungsreform. Dann sind auch die 35% möglich, mit denen Rot-Grün in greifbarer Nähe wäre.