auge um auge, zahn um zahn

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Was sich hinter den Kulissen bei der FPÖ abspielt, macht Freude. Noch im Frühjahr richtete Heinrich Strache der verdutzen Öffentlichkeit aus, er wolle 33% machen, Kanzler werden und stärkste Partei sein. Der gar nicht so blöde Aufhänger: Mit einer Sperrfrist gegen eine 2/3-Mehrheit könne die FPÖ weitere EU-Integrationsschritte verhindern. Damit war eine strategische Ansage mit einer inhaltlichen verknüpft. So macht man das. Eigentlich.

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innenminister strache

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Innenminister Strache. Kanzler Spindelegger. Finanzminister Stronach. Bildungsminister Amon. Infrastrukturminister Vilimsky. Sozialminister Mitterlehner. Verteidigungsminister Gudenus. Gleichstellungsministerin Rosenkranz. Ihr findet, ich spinn? Die blau-schwarz-weiße Estland-Koalition ist, nach allem menschlichen Ermessen, die wahrscheinlichste Koalitionsvariante.

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wem stronach nützt

Am 24. November 2002 war die SPÖ-Parteizentrale leergeräumt. Die InterviewerInnen vom ORF hatten Schwierigkeiten, überhaupt jemanden vor’s Mikro zu bekommen. Katastrophale 36% der Stimmen bei der Nationalratswahl wollte niemand kommentieren, während gleichzeitig im ÖVP-Festzelt in der Lichtenfelsgasse Maria Rauch-Kallat dem lieben Gott für die 42% für Kanzler Wolfgang Schüssel dankte.

es war einmal und ist nicht mehr.

Lang, lang ist’s her. Heute grundelt die ÖVP bei der Hälfte ihres damaligen Stimmenanteils herum. Die SPÖ feiert, dass sie 7-10% unter dem Wert von vor zehn Jahren die Umfragen im Herbst 2012 anführt. Vorbei sind damit die Zeiten der Zweier-Koalitionen jenseits der ehemals „Großen“ – und sogar, ob die sich rechnerisch ausginge, ist fraglich. Es ist und bleibt so: Österreich hat eine strukturelle Mehrheit rechts der Mitte. Seit 33 Jahren, seit der letzten Kreisky-Absoluten hätte es immer schwarz-blau-(orange) geben können. Am knappsten dran an der Mehrheit war rot-grün 2006. 4.700 Stimmen weniger für das BZÖ, und die Orangen wären an der 4%-Hürde gescheitert. Alfred Gusenbauer und Alexander van der Bellen hätten eine Koalition machen können. Österreich würde heute anders, ich behaupte: besser, dastehen.

und onkel frank?

Und jetzt also Stronach, bei 10 bis 15 Prozent in den Umfragen. Es ist noch lange bis zur Wahl. Aber momentan scheint dem neoliberalen Guru nichts etwas anhaben zu können. Auch nicht, dass das BZÖ in seinen tatsächlich letzten Zuckungen noch einmal mit allem um sich schlägt. Warum das alles nichts nützt gegen Stronach, hab ich hier beschrieben.

Aber wem nützt die Stronach-Kandidatur? Werfen wir dazu einen Blick auf die Koalitions-Varianten:

Alles klar? Die ÖVP wird auch nach der Nationalratswahl 2013 wieder mitregieren, zum elften Mal in Folge. Was Stronach an der Konstellation verändert: Der Multimillionär nimmt momentan der FPÖ am meisten Stimmen weg. Straches Schurken werden nicht wie einst 1999 an der schwachen ÖVP vorbeikommen. Dadurch steigen paradoxerweise Spindeleggers Kanzlerchancen gleichermaßen, wie Straches Regierungs-Chancen. Stronach nützt also Schwarz-Blau. Und wenn er Spindelegger und Strache seine Abgeordneten mit ins Regierungsboot setzt, wird das auch ganz sicher nichts kosten.

 

(Ergänzung 25.10.: Theoretisch sind auch Schwarz-Stronach-Grün und Rot-Stronach-Grün Optionen. Beide Varianten halte ich aber für ausgeschlossen, erstere alleine schon arithmetisch und zweitere politisch.)

kanzler strache

Jetzt darf man sich nicht mehr wundern, wenn Straches Kanzlerambitionen wieder wachsen. Und es ist auch kein Wunder, wenn die Leute angesichts der Performance der Regierung wieder in Massen zum FPÖ-Chef rennen. Wer so Politik macht, wie die große Koalition, darf sich mitverantwortlich dafür fühlen, dass die Freiheitlichen wieder einen Weg zur Nummer eins sehen. Da kann sich Martin Graf noch so an einer alten Dame vergehen, da kann das FPÖ-Personal noch so dünn sein. So, wie Faymann und Spindelegger sich aufführen, darf eine noch stärkere FPÖ niemanden wundern. Und irgendwie haben das die Altparteien auch verdient: 35 Jahre nach dem ersten Aufbrechen des politischen Systems mit Lucona und AKH, vergeben die roten und schwarzen Ministerien immernoch Inserate nach Gutdünken. Deswegen trauen sie sich auch jetzt nicht raus, aus dieser schwindligen Koalition, weil sie wüssten, welches Thema den Wahlkampf dominieren würde. Aber vielleicht braucht’s einmal Blau-Rot, damit sich die ÖVP in der Opposition erneuern und die SPÖ schätzen lernen kann, was sie am heutigen Koalitionspartner hat.

Das und Ähnliches wird man in den nächsten Tagen auf den Kommentar-Seiten dessen lesen, was sich österreichischer Feuilleton nennt. Profil-Chefredakteur Christian Rainer ist so ein Spezialist für solche Geschichten, in denen Provokation Selbstzweck ist. Die Presse hat einen neuen Redaktions-Boss, der sich sicher kantig bürgerlich zeigen und es den „Linken“ reinwürgen will. Peter Rabl sind solche Volten auch zuzutrauen.

Die tägliche Dosis Unerträgliches

Ich find, es wäre Zeit, aufzuhören, vom Kanzler Strache zu schwadronieren und auch noch Verständnis dafür zeigen, dass dessen Umfragen wieder besser werden. Jeder Kommentar, der Kanzler Strache als Konsequenz aus dieser großen Koalition fantasiert, rollt der FPÖ den roten Teppich aus und erledigt das Geschäft von Herbert Kickl.

Egal, wie katastrophal die große Koalition dasteht: Nein, es gibt überhaupt keine Rechtfertigung dafür, Kellernazis zu wählen. Es gibt keine Entschuldigung dafür, diese rechtsradikale Bagage hochschreiben. Wer Strache als potenziellen Kanzler beschreibt, macht genau das, was Wolfgang Schüssel zurecht vorgeworfen wird. Den Gedanken an einen Kanzler Strache normal zu finden, ist und bleibt eine Verharmlosung der undemokratischen Gesinnung dieser Gemeinschaft.

„österreich spricht“ nicht

 

Ich kauf’s einfach nicht. Hab mich jetzt viele Stunden mit „Österreich spricht“, jetzt „Neos – das neue Österreich“, (seit 15.10.) beschäftigt. Das ist unter den neuen Kandidaturen für die Nationalratswahl 2013 definitiv die ansprechendste. Kauft keine Abgeordneten. Will Demokratie von unten organisieren. Hat nichts mit rechter Hetze am Hut und pflegt ein liberales Image. Matthias Strolz, der voraussichtliche Spitzenkandidat, sagt viele Dinge, die ich richtig finde. Wehrt sich gegen Korruption, predigt Transparenz, will einen Neustart in der österreichischen Politik, mehr direkte Mitbestimmung. Ist, wie ich irgendwie dann doch, Vorarlberger in Wien. Und dann sollen da Grüne, Liberale und enttäuschte ÖVPler versammelt sein. Klingt gut, hab ich geglaubt.

Lisl Gehrers Referentin

Genauer hinschauen lohnt sich. Zum Beispiel: Wer sind die 130 „Proponenten“, die bisher finanziell zur Partei beitragen? 18 von denen findet man auf der Homepage von „Österreich spricht“. Mehr Transparenz ist nicht. Mit ein bißchen Google findet man ein bißchen was über die UnterstützerInnen raus. Da ist die ehemalige Büromitarbeiterin von Ursula Stenzel, Referentin und Universitäts-Planerin von Lisl Gehrer zu schwarz-blauen Zeiten, steirische ÖAAB-Schreiberin. Da ist die regional vermarktende Bio-Geschäftsführerin aus Niederösterreich, die wohl mit dem Kollegen Danone-Geschäftsführer den ein oder anderen Kranz auszufechten hätte. Da ist der Programmierer, der findet, der Finanzmarkt sei überreguliert und es brauche einen österreichischen Euro. Und da ist der Bildungs-Vermarkter, der wie der Parteichef selbst aus der ÖVP-Aktionsgemeinschaft kommt. Nicht, dass von dort nicht auch tolle Leute kommen könnten. Die Frage ist halt, wann sie die Hand aufhalten und wann sie den Mund aufmachen.

Was ich mich nämlich wirklich frag – wenn „Österreich spricht“ jetzt antritt, weil alles so schrecklich ist: Wo waren die ganzen engagierten Leute aus dem ÖVP-Umfeld eigentlich 1999-2006? Wo waren die empörten Bürgerlichen, als das Grasser-Finanzministerium die Republik ausverkauft hat? Als das Forschungszentrum Seibersdorf unter Abnicken der ÖVP zum hochbezahlten Abstellgleis für Rechtsradikale wurde? Wo war „Österreich spricht“, als sich Wolfgang Schüssel vom Schutzheiligen aller Korrupten in diesem Land mit dem Jaguar Porsche durchs Kärntnerland chauffieren ließ? Als Österreich unter fleißigem Zutun der ÖVP in braunblauem Sumpf versank? Wo waren die Proteste von Strolz und Co., als sie in Kärnten die Saualm aufgesperrt haben?

Wo war „Österreich spricht“, als die Korruptionsskandale passiert sind, die heute Stück für Stück von kritischen Medien aufgedeckt und von Untersuchungsausschüssen aufgearbeitet werden?

Ultimo, Thierry, Hahn, Orban

Auszug Kundenliste ic2

Wer lang genug suchet, der findet. Matthias Strolz war im zweiten Schüssel-Haider-Jahr parlamentarischer Mitarbeiter der ÖVP. Im gleichen Jahr hat er eine Trainer-Ausbildung bei der Politischen Akademie der ÖVP gemacht. Dann hat er eine Agentur aufgemacht. Politische Kunden: u.a. Bauernbund, Industriellenvereinigung, Junge Volkspartei, Landjugend, ÖVP, Politische Akademie, Wirtschaftsbund, Wirtschaftskammer.

Heute dort als Geschäftsführer: Verbindungsbruder Ultimo v. Ronny Hollenstein. Heute dort als Senior Berater: Michael Traindt, der mit Strolz gemeinsamen die Ausbildung in der ÖVP-Politakademie gemacht hat. Gleichzeitig waren die beiden parlamentarische Mitarbeiter bei der ÖVP. Traindt wurde dann Geschäftsführer der Jungen Industrie Niederösterreich.  Alles während schwarz-blau.

Und dann wäre da noch der Kommunikationschef von „Österreich spricht“: Ferri Thierry, Freund von Johannes Hahn, dessen Agentur unter anderem über 200.000 Euro für Kommunikationsberatung beim gescheiterten E-Voting bei ÖH-Wahlen bekommen hat. „Österreich spricht“ – Kommunikationschef Thierry ist bestens vernetzt in der ÖVP und berät seit kurzem auch die wegen undemokratischer Mediengesetze mit massiver EU-Kritik konfrontierte ungarische Regierung. (Update, 11.3.2013: Feri Thierry schreibt auf Twitter, berate die Orban-Regierung seit 1. Jänner 2013 nicht mehr.)

Und Matthias Strolz, Spitzenmann von „Österreich spricht“? Den hab ich natürlich nach den Dingen gefragt, die das Internet nicht beantwortet. Aber der spricht nicht. Und nicht. Und nicht.

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„Österreich spricht“ schweigt