Die Unzufriedenheit mit dem politischen Status Quo geht nicht nur quer durch alle politischen Leitartikel dieser Tage, sondern auch durch all meinen Feiertags- und Feriengesprächen mit FreundInnen, Verwandten und Bekannten. Was ich an Handlungsansätzen lese und höre, ist allerdings mehr als unbefriedigend.
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plädoyer für einen parteiendominierten orf
Es ist der Gassenhauer in diesem Wahlkampf: Weniger Einfluss für die Parteien, mehr Einfluss für die BürgerInnen, fordern die neuen Gruppierungen unisono. Wer den Gassenhauser anstimmt, ist sich der Zustimmung der Enttäuschten sicher. Die sind zurecht enttäuscht, weil die politischen MachthaberInnen nicht gewillt sind, eine gerechtere Verteilung der gesellschaftlichen Ressourcen herbeizuführen. Wo Superreichtum neben grassierender Armut so ausgestellt wird, wie in den bunten Sonntagszeitungen und in dem ganzen sozialpornographischen Trash, der auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen seine Fixplätze hat, sinkt das Vertrauen in die Politik.
der gabi effekt
Heute hat mich ein Journalist gefragt, was ich so spannend an Wahlen finde. Er schon ein bißchen genervt von der Ochsentour durch Österreich und davon, dass Inhalte so wenig und möglichst laute, wirksame Verknappung eine so große Rolle spielen. Ich hab zwei Antworten darauf: Einerseits, zumindest in der Theorie, dass an Wahltagen die Stunde Null für Herrschaftsverhältnisse schlägt. Ich spür, wenn ich selber wählen darf, tatsächlich so ein Kribbeln an Wahltagen, schau in die Gesichter der anderen Wählenden und freu mich, dass sie und ich für einen Tag die Macht haben. Wahlen stellen die üblichen Verhältnisse – Politik schafft an, Menschen folgen Gesetzen oder protestieren dagegen – für einen Tag auf den Kopf. Und auch wenn die Ergebnisse von Wahlen meistens nicht alles auf den Kopf stellen: Meine Feiertage als Agnostiker sind Wahltage.
meine lieblingspolitikerInnen
Damit im Schatten von Ernst Strasser nicht in Vergessenheit gerät, was wir sonst für Patscherl, Dummköpfe und Verbrecher in und über schwarz-blaue Zeiten hinaus ertragen mussten.
Ein Satansbraten kommt ganz allein – für TV-Diskussionen zu NichtraucherInnenschutz und Gesundheitsreform nahm sie sich selten Zeit. Aber an einem Kochbuch mit den besten Schweine-Rezepten konnte sie inzwischen schon mitarbeiten. Skurrile Andrea Kdolsky, Tanzauftritte unvergessen. Kommt aus Pröllistan.
„Die Ursache konn i net beantworten. Do gibt’s viele Möglichkeiten. Es ist auch in der heutigen Zeit ollas möglich.“ Eigentlich nicht lustig, als Antwort auf die Frage nach dem Grund des 2. Weltkriegs. Aber nicht Neonazismus, sondern sein IQ steht dem Mann ins Gesicht geschrieben. Christian Scheider sollte später Villacher Bürgermeister werden.
(Dr.) Johannes Hahn – statt „Pilger und Festteilnehmer“ schrieb Hahn in seiner Dissertation „Bilder und Festteilnehmer“ ab. Der Mann ist heute EU-Kommissar. Ja, wirklich. Gio peinlich, oder?
Tse Be Oh – War die Burggasse auf der normalen Spur zu langsam, wollte für ihr Dienstauto eine Ausnahmegenehmigung auf der Busspur. Sonst ist außer bunten Brillen nicht viel von Claudia Bandion-Ortner in Erinnerung geblieben.
The world in Vorarlberg is too small for me – „Dear Alistar“ konnte dem Ländle-Politiker mit dem rollenden „r“ auch nicht zu einem Job im „international business“ vermitteln. Dabei hatte der extra Briefpapier aus dem Vizekanzleramt mitgenommen und sich das „a.D.“ gespart. Schade drum.
Schuhverän – Erst ein Telefonat mit der Chefetage sicherte dem Kleinverdiener seinen Schuh-Rabatt. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, Humanic, Wien Stephansplatz. Eh nur 15.000 Euro Gage und Mann einer Pharma-Millionärin. In anderen Ländern macht man mit Schuhen und PolitikerInnen andere Dinge.
Tiefgaragentaucher – eine verwirrte fast unbekleidete Frau wird in der Innsbrucker Flughafengarage gefunden. Ihr letzter Begleiter, von dem sie wohl auch den 1000-Schilling-Schein bekam: FPÖ-Quereinsteiger „Faxe“ Patrick Ortlieb. Wer noch dabei war, als Ortlieb die Frau nicht angerührt hat, darf man nicht schreiben.
Günta – how do you do?
Ein Buch reicht – Das einzige Buch, das er jemals gelesen habe? „Der Schatz im Silbersee“. Merkt man gar nicht bei Erwin Pröll. Seine Antwort auf die kritische Nachfrage: „Der eine liest halt und der andere hat’s vom Herrgott mitbekommen.“
Will nur Sultan sein – Rote Jogginghose, Mao-Anzug, Gesudere in Donawitz, österreichische Abgeordnete mit Dienstschluss um 16 Uhr. Nur konsequent, dass er heute einen Diktator berät, der Fredl.
Wos woa sei Leistung? – Als KHG konnte er nach dem dortigen Tsunami nicht aus dem Urlaub zurückkommen. Es gebe keine Flüge und er müsse außerdem mit maledivischen AmtskollegInnen die Katastrophenhilfe koordinieren, sagte der nunmehr zuwendungsbedürftige Mann von Fiona Pacifico. Was sich beides als falsch herausstellte.
Ckonny – kreuzbrav mit geradem Blick in die Kamera betet Betschela Konrad Plautz vor, was er in seinem Bergdorf gelernt habe. Später klagt er in seiner Abfertigungsklage gegen den vormaligen Arbeitgeber. Im Text: Landeshauptmann van Staa habe ihm versprochen, er müsse für 3.500€ x 14 nur 4 Mal im Jahr in Sitzungen gehen. Ein absolutes Highlight.
25 Tage durchgedient – „Waßt no, die Miss Vienna – was haben wir geschnackselt“, scherzte der FPÖ-Minister in einem Interview mit Journalist Dieter Chmelar. Ob Michael Krüger er nach dreieinhalb Wochen zurückgetreten ist, weil er seinen Dienst-Jaguar nicht bekam, ist nicht überliefert.
Der Familienmensch (es gilt die Unschuldsvermutung) – 16 Monate dafür, dass er in 22 Jahren als Landtagsabgeordneter offenbar den Bauch nicht voll genug bekam. Und sich sein Gehalt aufbesserte, indem er 27 Moldawier beim illegalen Grenzübertritt unterstützte. Präsident des Oberösterreichischen Familienbunds, halt.
„Budern statt sudern“ – Sie hatte mit dem Schnacksler Krüger wohl eine Freude. Bildungsministerin Lisl Gehrer forderte von den Jungen ein, den Generationenvertrag zu erfüllen. Babyboom ist keiner überliefert, dafür das amtliche Vorzugsstimmen-Ergebnis Gehrers bei der Wahl 2006: 63 Stimmen. Hat wohl nicht für genug Nachwuchs gesorgt.
Hump Lump Dump – Hilmar Kabas wurde dank Thomas Klestil nie Minister. Aber einen Sicherheitscheck in einer Bar mit dem unverdächtigen Namen „Playgirl“ hat er trotzdem durchgeführt, mit Freund und „Krone“-Reporter. Wenig später wurde die Bar als illegales Puff geschlossen.
(Disclaimer: Mir ist bewusst, dass hier ernst zu nehmende Straftaten mit peinlichen Faux-pas vermischt sind. Ich will die verschiedenen Vorfälle nicht gleichsetzen.)
regiert von zwölfkommasieben prozent
Caspar Einem, Heide Schmidt, Ursula Plassnik. Drei der bekanntesten von unzähligen politischen Opfern der „Kronen Zeitung“. Das Schmierblatt ist zum Selbstläufer geworden. Hinter vorgehaltener Hand distanzieren sich zwar auch PolitikerInnen mit Grausen vom Kleinformat. Aber trotzdem sind das Guglhupf-Essen von Thomas Klestil und dem alten Hans Dichand und der vielzitierte erste PolitikerInnen-Blick am morgen in die Kronenzeitung sprichwörtlich geworden. Der Gusenbauer/Faymann-EU-Leserbrief war die einzige Bewerbung, die der heutige Bundeskanzler in seinem Leben geschrieben hat, haben wir am #dnp12-Kongress geflachst. Das Schmierblatt diktiert die Linie der demokratisch gewählten Regierung. Dabei legt die größte Studie über Wahlverhalten in Österreich, die je gemacht worden ist, nahe: Das müsste nicht sein.
Vorneweg: Das ist ein sehr kleiner Ausschnitt an den Unmengen von Daten, die das Team um die Forschungsleiter Fritz Plasser und Günther Lengauer in drei Jahren gesammelt und ausgewertet haben. Wer im Politgeschäft arbeitet, kommt nicht daran vorbei, sich mit der Wirkung von verschiedenen Werbemitteln, der Reichweiten der Medien, der Professionalisierung von Wahlkämpfen und der Rolle von Social Media zu beschäftigen. Deshalb kaufen!
angefüttert
So, zu den Zahlen: 12,7% der ÖsterreicherInnen lesen nur (!) die Kronenzeitung. Das sind 980.000 Menschen. Nicht gewählt haben bei der letzten Nationalratswahl 1,76 Millionen Menschen, also fast doppelt so viele. Nur Boulevardmedien (also Krone, Österreich, heute), lesen 24,3%. Das heißt aber auch: Drei Viertel der ÖsterreicherInnen, ungefähr so viele, wie wählen gehen, beziehen ihre politischen Informationen auch aus anderen Medien, als vom Boulevard. Der Zeitungsmarkt ist natürlich trotzdem trist. 26% lesen jeden Tag die Krone, 8% die Kleine, 6% täglich den Kurier, 5% die OÖN, 4% den Standard, 3% die Presse. Zum Vergleich: Frankfurter Allgemeine 2,5%, Süddeutsche 2%, Welt 1,7%. Da stehen Österreichs Qualitätsmedien gar nicht so schlecht dar.
Aber zurück zur Krone. Man kann die Zahlen ja mal umdrehen: 6 Millionen ÖsterreicherInnen lesen nicht nur Boulevardzeitungen, 7,3 Millionen ÖsterreicherInnen nicht nur die Krone. Die hat trotzdem eine marktbeherrschende Stellung, keine Frage. Aber die Zahlen spiegeln nicht wieder, dass ohne das Schmierblatt keine mehrheitsfähige Politik zu machen ist. Ganz im Gegenteil: 60% der ÖsterreicherInnen lesen weniger als ein Mal pro Woche oder gar nicht die Krone.
abhängig
Aber die Abhängigkeit vom Kleinformat ist so durchdringend im politischen Mainstream, dass sich viel zu viele im vorauseilenden Gehorsam üben. Und in ihren Mediaplänen den Riesen, den sie eigentlich verachten, auch noch so füttern, dass dessen beherrschende Marktstellung schon rein ökonomisch schwer zu durchbrechen ist. Wen’s interessiert, hier die Preise der Krone: Eine ganze Seite kostet ein mittelständisches Brutto-Jahreseinkommen. Wen wählen Krone-ExklusivleserInnen? Ein Drittel der SPÖ- und FPÖ-Stimmen kommen aus der Dichandschen Prawda, ein Fünftel der BZÖ-Stimmen, 16% der ÖVP und 9% der Grün-Stimmen. Aber trotzdem: Auf 87% der ÖsterreicherInnen hat die Krone kein faktisches Informationsmonopol. Via 12,7% -ExklusivleserInnen regieren deren HerausgeberInnen dieses Land mit stiller, aber umso tatkräftigerer Mithilfe der politischen Elite.
ausgefüttert?
Gleichzeitig sind 70% der ÖsterreicherInnen unter 35 in Social Media aktiv. Dort gewinnen die Inhalte an Bedeutung, die viele Menschen interessieren. Dort sitzt kein Herausgeber im obersten Stock seines Hochhauses und entscheidet per Handstreich, wer regieren darf und wer nicht. Dort kann man zwar auch kommerzielle Werbung schalten, aber die ist bei weitem nicht so dominant im Vergleich zum redaktionellen Inhalt, wie im Print-Boulevard. Die nächsten Wahlen werden nicht in den Social Media gewonnen, keine Frage. Aber die Online-Nutzung ohne redaktionelle Gatekeeper wächst und der Print-Anteil an der Information schrumpft rasant. Es wäre Zeit, der Muthgasse die Gefolgschaft zu kündigen.
suchbild für fortgeschrittene
Darf ich vorstellen? Das sind die Leute, die Österreichs Parteien wahrscheinlich in die richtungsweisende Nationalratswahl 2013 führen werden. Ich stell auch gleich die beiden noch nicht so bekannten vor: Links oben Rodrigo Jorquera von den Piraten, unten rechts zwischen Strache und Spindelegger Matthias Strolz, PR-Berater aus Wien mit Wurzeln in ÖVP und Industriellenvereinigung.
Gut, es ging bei meinem Suchbild also nicht um darum, dass da zweieinhalb neue Gesichter sind. Sondern darum, dass neben den vier Männern, die Parlamentsparteien anführen, noch drei Männer meinen, sie wären geeignete Listenführer einer erfolgreichen Nationalratswahlliste. Und darum, dass es nur eine Frau gibt, die an der Spitze einer Nationalratswahl stehen wird. Boah, fad, schon wieder Genderthema, denkt ihr euch vielleicht?
Schaut euch um in dem, was männlich dominierte Redaktionen als Zivilgesellschaft und als ExpertInnen präsentieren: Peter Filzmaier für politische Analysen, Christian Felber für die Globalisierungskritik, Peter Kleinmann für allerlei Sportliches. Hans Bürger erklärt die Innenpolitik, Karim El-Gawhary den arabischen Raum, Claus Raidl die Wirtschaft. Johannes Voggenhuber als grüner Gottseibeiuns, Erhard Busek als geläuterter ÖVPler, Hannes Androsch als SPÖ-Kopfwäscher. Alle gemeinsam mit Frischenschlager und Neisser für einen Aufbruch in der österreichischen Politik. Armin Thurner interviewt Armin Wolf. Armin Thurner interviewt Michael Fleischhacker. Armin Wolf interviewt die Parteichefs, weil Ingrid Thurner das vermeintlich nicht kann. Hans Rauscher haut Wolfgang Fellner in seinem Kastl, der streitet mit Claus Pandi um den schlimmsten Bösewicht der Redaktionslandschaft. Ich könnt die Liste endlos weiterführen.
Ich will nicht sagen, dass man Eva Glawischnig unterstützen sollte, weil sie eine Frau ist. Aber ich will, dass es aufhört, dass sich Grüne im ganzen Land bei jedem noch so blöden Sommerinterview von einem noch blöderen männlichen Redakteur vorwurfsvoll fragen lassen müssen, ob jetzt nur mehr Frauen die Grünen wählen sollen. Schaut’s euch um, ihr Macker: noch ist das Patriarchat nicht ganz verloren.