plädoyer für einen parteiendominierten orf

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Es ist der Gassenhauer in diesem Wahlkampf: Weniger Einfluss für die Parteien, mehr Einfluss für die BürgerInnen, fordern die neuen Gruppierungen unisono. Wer den Gassenhauser anstimmt, ist sich der Zustimmung der Enttäuschten sicher. Die sind zurecht enttäuscht, weil die politischen MachthaberInnen nicht gewillt sind, eine gerechtere Verteilung der gesellschaftlichen Ressourcen herbeizuführen. Wo Superreichtum neben grassierender Armut so ausgestellt wird, wie in den bunten Sonntagszeitungen und in dem ganzen sozialpornographischen Trash, der auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen seine Fixplätze hat, sinkt das Vertrauen in die Politik.

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unkommentiert #sg12

Das ist eine ganz bewusst ungeordnete Zusammenfassung aller meines Erachtens wichtigen Argumente über die Diskussion der Qualität der Sommergespräche 2012. Ganz bewusst ungeordnet deshalb, weil die Auswahl an sich natürlich schon eine Verzerrung darstellt und eine bewusste Ordnung das noch verstärken würde.

Anstoß für die Diskussion, die in der sehr engen Twitteria sehr weite Kreise zieht, war u.a. die Kritik in reichweitenstarken oder meinungsbildnerInnenrelevanten Printmedien. So etwa die Artikel von Daniel Steinlechner in News, Benedikt Narodoslawsky im Falter und Lorenz Gallmetzer im Standard.

Und letztlich, weil „unkommentiert“ bei einer bewusst getroffenen Auswahl schlicht nicht ehrlich ist: Ich bin froh über die Diskussion, weil ich finde, dass Quote und Qualität nicht dasselbe sind. Wer übrigens dem Bias entgehen will, den meine Auswahl mit sich bringt: Auf Twitter registrieren und selber unter #sg12 nachlesen. Aber ich warne: Allein der Hashtag ist abendfüllend. Und Twitter an sich sowieso.

der orf als ideeller gesamtkapitalist

Die IsländerInnen haben ihrer Regierung per Volksabstimmung voerst verboten, die EU-Bankenschulden aus Steuergeldern zurückzuzahlen. Spaniens Jugend ist wegen des von der Zapatero-Regierung verschleuderten Vermögens auf der Straße. In Griechenland ist immer noch keine Ruhe eingekehrt, nach wie vor gibt es Proteste dagegen, dass die Krise auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen wird. Letztes Jahr war ich mit 15.000 anderen DemonstrantInnen bei den „Wir zahlen eure Krise nicht“-Protesten in Wien.

Und was macht das öffentlich-rechtliche Fernsehen? Zwei Großindustrielle, zumindest einer davon immer wieder im Geruch von Korruption und Wirtschaftskriminalität, dürfen in der wichtigsten Diskussionssendung des Landes zwei biedere Politiker schlachten. „Was die Wirtschaft an der Politik stört“, nennen die Küniglberger ihre Sendung. Und dann dürfen die Großindustriellen aufzählen, was es alles braucht in Österreich: einen schlankeren Staat, ein mehr an den Anforderungen des Markts ausgerichtetes Bildungssystem, eine „leistungsgerechte“ Gesundheitsreform. Eines von Hans Peter Haselsteiners Unternehmen hat gerade einen millionenschweren Auftrag für den Ausbau des grenznahen Atomkraftwerks Mohovce bekommen. Für Lobbyisten, die seiner Firma Aufträge in Ungarn keilen sollten, zahlte der Tiroler 15 Millionen Euro. Und gegen solche Figuren müssen sich gewählte PolitikerInnen öffentlich verteidigen, müssen brav „Ja Herr Kommerzialrat“ uns „Sicher Herr Doktor“ sagen? Mir sind Mitterlehner und Voves nicht so schnell sympathisch, gestern war’s definitiv so.

Während an vielen Orten in Europa Politik von unten gemacht wird, breitet der ORF denen den roten Teppich, die sich eh in Kitzbühel, Schladming, am Wörthersee, in Radlbrunn und am Operball dauernd bei Kaviar und Filetspitzen treffen. Der öffentliche Rundfunk als ideeller Gesamtkapitalist, statt als Medium für all jene, die die Zeche für den Banken-Wahnsinn tatsächlich zahlen, obwohl sie eh am 15. schon pleite sind. Ich seh schon die betroffenen Gesichter am Küniglberg angesichts der riesigen blauen Balken an den nächsten Wahltagen. Wundern darf’s angesichts derartiger Programmgestaltung niemanden.

die würde des menschen ist antastbar

„Wenn die Juden mit der ÖBB gefahren wären, wären sie heute noch nicht in Auschwitz.“ Und, bleibt Ihnen das Lachen im Hals stecken? Mir schon, als ich die Debatte über diese aus „Willkommen Österreich“ herausgeschnittene Sequenz von Stermann und Grissemann gelesen hab. Ich mag die beiden, sie stehen nicht im Verdacht, Antisemiten zu sein. Aber sie stehen unter Quotendruck, wie alle anderen auch. Und der Quote schadet so eine Diskussion natürlich nicht.

Ich find übrigens, man darf diesen Witz machen. Er ist geschmacklos, er ist eine Verhöhnung der Opfer aus den Jahren 43-45, er ist der Intelligenz der beiden Kabarettisten nicht angemessen. Aber es wäre absurd, so etwas staatlich zu sanktionieren. Trotzdem: Das ist eine völlig andere Frage, als jene um die Zensur im ORF. Den Witz sollen Pro7 und ATV senden, wenn ihnen nichts weniger Blödes einfällt. Die sind nur sich selbst verantwortlich, solange sie keine Gesetze brechen. Aber der ORF ist ein öffentliches Unternehmen, das wir alle mitzahlen – ob wir wollen, oder nicht. Und zwar nicht nur über die GIS, sondern auch direkt über Steuern. Fast 500 Mio. Euro im Jahr machen diese beiden Posten aus, deutlich mehr als die Werbung mit knapp 300 Mio. Euro.

Ein Unternehmen der Republik trägt auch Verantwortung für die Republik. Es ist die Republik, die auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs aufgebaut wurde. Es ist die Republik, die gezwungenermaßen das „Nie wieder“ in ihre Gründungstexte aufgenommen hat. Es ist die Republik, die spät aber doch, in Worten 1991 durch Kanzler Vranitzky und in Taten ab 2001 durch Kanzler Schüssel Verantwortung für die Gräueltaten des Nationalsozialismus übernommen hat. Diese Republik trägt auch Verantwortung dafür, dass in einem von der Öffentlichkeit finanzierten Fersehsender die Würde der Opfer von Auschwitz und ihrer Kinder und Kindeskinder nicht verletzt wird.

das waren dann wohl fünf ed moschitz

Ein eigenartiger Polit-Skandal erschüttert den ORF und damit das Land. Er besteht doch tatsächlich darin, dass ein x-fach preisgekrönter Reporter einer x-fach preisgekrönten Sendung mit zwei jungen Neonazis dort hingefahren ist, wo sie sich selbst politisch am ehesten zuordnen: Nämlich zu einer Veranstaltung von FPÖ-Chef Strache.

Der schreit Zeter und Mordio und bekommt dafür vom ORF sogar einen „Club 2 Spezial“ gewidmet, wo er 90 Minuten lang seinen Unsinn von sich geben darf. Und der Gipfel seines Unsinns: Es gebe auf seinen Wahlveranstaltungen gar keine Neonazis, er habe außer zwei Mal bei über 1000 Auftritten noch nie welche gesehen.

Ich war bei drei von Straches 1000 Auftritten und kann damit leider auch schon den Gegenbeweis antreten: Denn es gibt sie immer, die mindestens zwei Dutzend Glatzen bei Strache.

Und warum? Vielleicht, weil seine Partei das Verbotsgesetz abschaffen will? Vielleicht, weil höchste Repräsentanten seiner Partei den Holocaust leugnen? Vielleicht, weil die Blauen treibende Kraft hinter dem schwarzen und roten Rassismus sind, der sich in diesem Land breit macht? Vielleicht, weil Strache selbst an Wehrsportübungen teilgenommen hat? Vielleicht, weil aus FPÖ-Büros im Parlament Nazi-Devotionalien der übelsten Sorte bestellt worden sind? Vielleicht, weil die braunen Tupfer auf der blauen FPÖ doch unübersehbar sind?

Ich kann dem wehleidigen FPÖ-Führer nur sagen: Wie man sich bettet, liegt man. Oder bei der Veranstaltung am Viktor-Adler-Markt am 4. Juni 2009, von der das Foto stammt, waren nicht nur einige Dutzend Glatzen mit gestrecktem rechten Arm. Sondern auch 4 Klone von ORF-Redakteur Ed Moschitz samt dem jetzt an den Pranger gestellten Journalisten selbst.