widerstand lohnt sich

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Demonstration gegen Schwarzblau in Innsbruck am 19. Dezember 2017

500 Euro Studiengebühren pro Semester: Das war eine der konkreteren Einigungen von Schwarzblau, die man während der Verhandlungen gehört hat. Das war auch irgendwie ein logischer schwarzblauer Vorschlag: Bringt keine große Aufregung außer in für Schwarzblau eh kaum erreichbaren Gruppen. Bringt die „Richtigen“ gegen Schwarzblau auf, die dann auch demonstrieren und die man dafür wieder beschimpfen und die eigene Klientel bedienen kann. Mit den Neos  außerdem eine Oppositionspartei im Boot bei einem Studiengebühren-Beschluss. Eine runde G’schicht für Kurz und Strache.

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spaniens himmel unterm schirm

Cristina Asensi hat heute einen beeindruckenden Vortrag gehalten. Spaniens Himmel trägt dunkle Wolken. Die Heimat der spanischen ATTAC-Aktivistin wird diese Woche unterm EU-Rettungsschirm landen. Am Madrider Hauptplatz prügeln Polizisten brutal auf gewaltfreie DemonstrantInnen ein. Seit 36 Jahren ist Spanien eine Demokratie. Anfang der 1930er war die iberische Halbinsel Aufmarschzone für die Faschisten und Probelauf für die Diktaturen Mussolinis und Hitlers. Als Barcelona am 26. Jänner 1939 fiel, war der Weg frei für die Verhassten und Verhetzten. Ein wahrlich heißes Pflaster.

Steuern weg, Kollektivverträge weg, junge Leute weg

Was in den letzten beiden Jahren der Wirtschaftskrise in Spanien von den politischen RepräsentantInnen an Konzepten auf den Tisch gelegt worden ist, erzählt die junge Frau: 6 Milliarden Euro Kürzungen im Gesundheitswesen, Steuersenkungen für große Unternehmen in der Größenordnung von 5,3 Milliarden Euro. Pensionskürzungen bringen dem Staatshaushalt 1,5 Milliarden Euro, eine Abschaffung der Vermögenssteuer kostet 2,1 Milliarden Euro im Jahr. Der Mindestlohn liegt bei 600 Euro, soviel kostet ein Zimmer in Madrid. Das alles selbstverständlich zur Verbesserung des Standortes. Ein Schelm, wer böses denkt.

Erasmus Espanol

Ich hab im Sommer in Innsbruck zwei junge Spanier kennengelernt. Juan und Martín, der eine Kindergartenpädagoge, der andere Volkswirt, beide Akademiker. Sie sind aus Spanien weg, wollen längerfristig nach Deutschland, haben am Weg in der Nähe von Innsbruck einen Job gefunden. Als Kellner, beide. Dort verdienen Sie 1.220 Euro, doppelt so viel, wie jene FreundInnen daheim in Valencia, die ihre Jobs noch haben. Die Hälfte der Freunde von Juan und Martín sind auch arbeitslos geworden. Die wohnen mit Ende 20 wieder bei ihren Eltern. Die meisten AkademikerInnen, versteht sich. Die Ausgewanderten kellnern jetzt über Mitteleuropa verteilt: einer in Duisburg, zwei in Essen, einer in der Nähe von Köln. Zwei Freundinnen arbeiten in der Nähe von Neuchâtel, aber sie haben Probleme mit dem Französisch dort. Juan und Martín nennen das „Erasmus Espanol“. Der Kapitalismus sagt dazu „brain drain“. Man könnte auch Diaspora sagen. Sie konnten nicht in dem Land bleiben, in dem unter dem Schirm per Handstreich soziale Errungenschaften niedergerissen werden, für deren Aufbau es 20 Jahre sozialistische Mehrheiten gebraucht hat. Griechenland lässt grüßen.

Kein Resumé

Und jetzt sollte hier irgendwas Kluges stehen: So macht man das, so kommt man raus aus der Krise. Wenn das so einfach wär: Auf der Veranstaltung der Wiener Grünen heute Abend war ein Vertreter der NGO „Mehr Demokratie“ eingeladen, der direkte Mitbestimmungsmöglichkeiten als Allheilmittel verkaufte. Selbst Cristina Asensi ist da skeptisch. Ja, ihre Organisation „Democracia Real Ya“ ist in einem Bündnis mit 150 anderen Vereinen. Ja, die machen seit eineinhalb Jahren Lärm in Spanien gegen Austeritätspolitik. Ja, das ist bemerkenswert und ein Hoffnungszeichen unter Spaniens dunklem Himmel. Bei den Wahlen im November 2011 haben trotzdem 44,6% der SpanierInnen für die neoliberalen Konservativen gestimmt. Der Rettungsschirm ist trügerisch. Unterm Schirm ist man sicher vor dem Regen. Aber die Wolken über der jungen Republik gehen davon nicht weg.

rotgrün: ja, aber.

Jetzt haben sie endlich eine eigene Mehrheit, die beiden Chefinnen der rot-grünen Koalition in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland. Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann haben in den letzten Monaten trotz Piraten im Landtag eine eigene Mehrheit für SPD und Grüne erkämpft – Respekt dafür. Ein rot-grüner Wahlsieg im 18-Millionen-Einwohner Bundesland NRW – das ist auch europapolitisch ein wichtiges Signal.

Und schon geht sie wieder los, die Diskussionen über die SPD und ihren Kanzlerkandidaten. Seit heute gehört nämlich neben dem Triumvirat aus Parteichef Gabriel, Ex-Vizekanzler Steinmeier und Ex-Finanzminister auch die nordrhein-westfälische Wahlgewinnerin Hannelore Kraft zu den aussichtsreichsten möglichen HerausfordererInnen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ich wünsch mir rot-grün in Deutschland nach der Bundestagswahl 2013, keine Frage. Aber bitte ein bißchen anders, als zuletzt. Statt der Personaldiskussion sollte die SPD eine inhaltliche Diskussion führen. Nämlich darüber, ob sie ihr Kernthema „soziale Gerechtigkeit“ glaubwürdig vertreten kann. Ich behaupte angesichts der Bilanz von rot-grün unter Schröder und Fischer: Sie konnten es nicht. Und die SPD und die Grünen sollten es beim zweiten Mal besser machen, sollten sie wie heute in Düsseldorf auch in Berlin im Bundestag über eine eigene Mehrheit verfügen.

Herzstück der von den Programmen der Konservativen kaum zu unterscheidenden Arbeitsmarktreform, mit der sich Gerhard Schröder in der letzten rot-grünen Koalition sein Reformer-Image aufpolierte und dem Spitznamen „Genosse der Bosse“ mehr als gerecht wurde, war Hartz IV, benannt nach dem VW-Manager Peter Hartz, der die Reform federführend ausarbeitete. Da gibt’s seit Schröder in Deutschland zum Beispiel „Personalservice-Agenturen“, ans Arbeitsamt angegliederte Leiharbeitsfirmen, für die wesentlich weniger Einschränkungen des Arbeitsrechts gelten. Peter Hartz hat diese Form der Anstellung unter Tarifvertrag ohne Kündigungsschutz einmal „kostenlos zur Probe“ genannt. Die ersten sechs Monate arbeiten die „Leihkräfte“ zwar, bekommen aber nur Arbeitslosengeld. Danach gilt zwar ein „PSA“-Tarif, der liegt aber ein Drittel unter dem Tarifvertrag der vom Arbeitsamt vermittelten „richtigen“ Berufstätigen. Betroffen von dieser Aushöhlung der ArbeitnehmerInnenrechte aus der Feder von SPD und Grünen: über 3.000.000 Menschen.

Oder, noch so eine tolle Idee, unter die Schröder, Fischer und deren ganze Parteien ihre Unterschrift setzten: Bei der Zumutbarkeitsbestimmung für vom Arbeitsamt zu vermittelnde Menschen wurde die Beweislast umgekehrt. Der erwerbsarbeitslose Mensch muss seit 2004 beweisen, warum ein Stellenangebot nicht zumutbar ist. Strenger auch die sogenannten „Mobilitätskriterien“, was dazu führte, dass ein junger arbeitssuchender Mensch quasi im gesamten Bundesgebiet Jobs annehmen muss, um nicht aus dem Arbeitslosengeld zu fliegen. Und bist du nicht willig, dann machen sie dich platt. Wer nach einem halben Jahr noch nicht fündig geworden ist, landet in den Personalservice-Agenturen, siehe oben: ArbeitnehmerInnen, kostenlos zur Probe.

Schließlich, auch erwähnenswert: „Minijobber“, die als Haushaltshilfen bis zu 500 Euro zum Arbeitslosengeld dazu verdienen dürfen. Für ihre Arbeitgeber selbstverständlich steuerlich absetzbar. Und, quasi verwandt mit den „Minijobs“, die „Ich-AGs“. Dürfen bis zu 25.000 Euro im Jahr selbstständig verdienen, zahlen pauschal 10% Steuern, sind aber nicht versichert. Auch ein sicherer Weg in die Armut, bei der ersten Krankheit ist Schluss mit lustig für „Ich-AGs“.

Das alles hat rot-grün in der Ära Schröder/Fischer beschlossen. Ich freu mich über den heutigen Wahlsieg in Nordrhein-Westfalen. Aber die Vorbereitungen darauf, dass die nächste Bundesregierung aus diesen beiden Parteien nicht wieder so derb mit arbeitssuchenden und erwerbsarbeitslosen Menschen umspringt, müssen jetzt beginnen.

35 betten für 461 menschen

Ich hab mich an dieser Stelle schon einmal drüber beschwert, dass eine Google-Suche zum Schlagwort „Armut“ und den Innsbrucker ÖVP-Spitzen Gruber und Oppitz-Plörer ergebnislos bleibt. Das ist jetzt nicht mehr so. Die Innsbrucker Grünen waren nämlich so frech, einen Ausbau der Notschlafstelle zu fordern, die in drei Tagen öffnet. Dort gibt’s von Mitte November bis Ende April 35 Betten. Mal abgesehen davon, dass laut ZAMG die durchschnittliche Nacht-Temperatur in Innsbruck im Oktober bei 1,2 Grad lag, Mitte November also eventuell etwas spät sein könnte: In Innsbruck haben im Vorjahres-Oktober 122.443 zahlende Gäste ein Bett gefunden. Für nicht zahlende Menschen gab’s kein einziges Bett.

Der neue zuständige Vizebürgermeister hat auf die Kritik daran, dass es für 461 obdachlose Menschen in Innsbruck gerade einmal 35 Betten von Mitte November bis Ende April gibt, not very amused reagiert, sondern lieber mit Klagsdrohungen um sich geschmissen. Wär ja noch schöner, wenn wir in dieser Stadt ernsthaft über Sozialpolitik reden würden. Wenn wir uns überlegen müssten, wie es sich eine Tourismusmetropole leisten kann, 64 minderjährige obdachlose Menschen auf der Straße leben zu lassen.

Mich erinnert der Gruber’sche Rundumschlag ein bißchen an eine Geschichte, die mir Stefan Schennach einmal erzählt hat. Da gab’s einen Spitzenpolitiker, dem im Fernsehen von einer neuen grünen Kandidatin immer nur vorgeworfen wurde, dass sein Gehalt so hoch sei und wie er es sich erlauben könne, angesichts dessen über arme Menschen als SozialschmarotzerInnen zu schimpfen. Dabei hat sie eine falsche Summe verwendet, ich glaube, es waren 145.000 statt 135.000 Schilling im Monat. Und der Spitzenpoltiker, der später lange Abende mit Patrick Ortlieb verbrachte, soll sich kurz vor der Wahl noch erfolgreich um eine Richtigstellung im ORF bemüht haben, dass er nicht 145.000, sondern nur 135.000 Schilling verdiene.

So ist das auch mit den Notschlafbetten in Innsbruck. Ob’s drei mehr sind, oder nicht, ist nicht das Problem. Sondern, dass nicht einmal jeder zehnte obdachlose Mensch in dieser reichen Stadt einen Platz zum schlafen bekommt. Das neue Logo der Stadt Innsbruck, an dem ich mich oben übrigens vergriffen hab, hat die SteuerzahlerInnen 35.000 Euro gekostet. Dafür könnte man die Notschlafstelle 2 1/2 Monate zusätzlich aufsperren.

warum der kapitalismus funktioniert, die 1te

Ja, schön wäre das, wenn man das in einem kurzen Beitrag erklären könnte. Man könnte sich dann Zukunftsforscher nennen. Oder Theoretiker. Oder Analytiker. Oder Politikwissenschafter. Das funktioniert aber natürlich nicht, wenn man’s ernst meint. Wenn man’s ernst meint, muss man Dinge herausgreifen, die ins Auge springen. So wie das hier.

Wenn alle gesellschaftliche Arbeit, die getan wird, von der Produktion bis zur Reproduktion, gerecht bezahlt würde, würde das System innerhalb von Sekunden explodieren. Es ist also notwendiges Übel des Kapitalismus, dass sich bestimmte Gruppen nicht nur zum Wohlergehen anderer Gruppen ausbeuten lassen, sondern das auch noch stillschweigend hinnehmen. Man kann den Unterdrückten ja bespielsweise erklären, das wäre schlicht und einfach ihr schöpfungsgeschichtlicher Verwendungszweck, sie hätten keine Alternative und außerdem seien sie, tief in ihrem Herzen, eh am glücklichsten mit unbezahlter, reproduktiver Verwendung.

Und jetzt ein bißchen weniger abstrakt: Generationen von Frauen haben genau so lange ein eigenständiges Einkommen, bis sie Kinder bekommen. Wenn sie Kinder bekommen und nicht schnell genug wieder einsteigen, könnte sich zum Beispiel der Schwiegervater zu einem Pflegefall entwickeln. Und dann wird die Familie schließlich nicht so blöd sein, den Besserverdiener zu Hause zu lassen. Also: nach 4 Jahren Kinderpause – 3 Jahre Pflegepause. Dann wird die eigene Mutter krank. Und wenn man schon den Schwiegervater, dann muss man ja die eigene Mutter auch – noch einmal 4 Jahre. Und schwupps ist eine Frau 40 und hat genau 3 Jahre Berufserfahrung aus der Zeit vor ihrem ersten Kind. Blöd dann nur: jetzt gibt’s auf einmal keine arbeitsmarkttechnische Verwendung mehr für die Frau, zu alt, zu unerfahren, zu lange weg vom Fenster. Woraufhin sie ihr Leben lang der suggerierten Schöpfungsgeschichtlichen nachgeht.

Das ist kein absurdes Beispiel, sondern beinharte Realität für zehntausende Frauen, die sich von ihren Familien moralisch zur Aufgabe der finanziellen Unabhängigkeit von ihrem Partner nötigen haben lassen. Der Kapitalismus heißt nicht nur DER Kapitalismus, weil er halt irgendein Geschlecht braucht. Sondern auch, weil er ein patriarchales Ausbeutungsinstrument unbezahlter Arbeit von Frauen ist. Sonst tät er schließlich nicht funktionieren.

gibt’s bei uns gar nicht

Es gibt so Dinge, über die macht man sich nicht so gerne Gedanken. Es ist nämlich ein bißchen lästig, sich vorzustellen, was es heißt, von 5 Euro am Tag leben zu müssen. Wenn man sich nicht überlegen kann, ob man Fair Trade kauft, oder nicht. Ob der Urlaub nach Italien oder nach Kroatien gehen soll. Oder wohin man am Sonntag abend essen geht. Bei Erwachsenen könnte man ja noch sagen – sie werden schon irgendwann mal eine Chance gehabt haben, werden schon irgendwann mal beruflich oder privat einen ordentlichen Bock geschossen haben.

Bei Kindern wird das eher schwierig. Und obwohl Kinderarmut eine tickende Zeitbombe ist, weil sie oft verzweifelte, verrohte und ungebildete junge Menschen in eine immer brutalere Gesellschaft entlässt, lese ich in Tirol sehr wenig davon. Was sind schon 90.000 Menschen in Tirol an und unter der Armutsgrenze? Nur eine Zahl, die nicht greifbar ist. Da haben wir doch schnell Vorstadt-Prolos mit iPhones und fetten Autos im Kopf. Auch das ist natürlich ein bürgerliches Märchen zur Gewissensberuhigung. Ja, sicher gibt’s Vorstadt-Prolos mit iPhones und fetten Autos. Aber mir geht’s um ihre Kinder, die am Rand der Gesellschaft aufwachsen und nie die Chance haben werden, ihre Potenziale zu nutzen und in der Mitte der Gesellschaft anzukommen.

Wieviele das in Innsbruck sind, wissen wir nicht. Wir können’s hochrechnen, es werden zwischen 3.000 und 5.000 junge Menschen sein. Also 200 Volksschulklassen voll mit armutsgefährdeten und in Armut lebenden Kindern, damit’s leichter vorstellbar ist. Da müssten die Regierenden doch etwas machen, das kann ja niemand wollen, würde man meinen. Und dann ein Blick in die Programme der beiden ÖVP-Listen, die in Innsbruck regieren:

Ich bin ja dagegen, junge arme Menschen gegen alte arme Menschen auszuspielen. Aber wenn der ÖVP dutzende Maßnahmen gegen Altersarmut einfallen und gerade einmal drei halbherzige gegen Kinderarmut, läuft irgendwas verkehrt.

Die Wiener Grünen haben ausgerechnet, dass jedes vierte Kind in Wien in Armut aufwächst. Sie haben Maßnahmen vorgeschlagen. Ein Blick darauf würde auch der Innsbrucker Bürgermeisterin Oppitz-Plörer und ihrem Koalitionspartner Gruber gut tun. Wenn sie erst mal wahrgenommen hätten, dass es in Innsbruck tausende arme Kinder gibt.

was cleveland mit wörgl-ost verbindet

Ja, warum sind sie eigentlich so leer, die öffentlichen Kassen? Warum kündigen von Pröll bis Merkel alle rigide Sparkurse an? Warum nennt ÖVP-Klubobmann Kopf 43% Steuerquote „moderne Sklaverei“? Sie brauchen sie doch, die Steuern, unsere markthörigen StaatschefInnen. Um Banken zu retten, die sich verspekuliert haben. Um das Chaos aufzuräumen, das UnternehmerInnen hinterlassen haben, die sich nach vielen fetten Jahren in den Konkurs retten. Und um schwerreiche Megakonzerne auf Knien und mit ausgeleerten Taschen zu bitten, Sportevents zu veranstalten.

Beispiele gefällig? Jutta Ditfurth beschreibt in „Zeiten des Zorns“ präzise, wie die Deutsche Bank im Mittleren Westen der USA hunderttausenden HausbesitzerInnen Kredite angedreht hat, die sie nie bezahlen konnten. Die Kredite hat die Bank in komplizierten Aktienkonstruktionen versteckt, mit denen sie Milliarden verdient hat. Und noch mehr, als die Finanzprodukte jetzt vom Staat gerettet werden mussten. Verdient hat die Deutsche Bank außerdem an den Zwangsversteigerungen. Hunderttausende Menschen sind ihre Häuser los, die Bank hat sich schadlos gehalten. Wer’s Jutta Ditfurth nicht glaubt, kann’s im Spiegel nachlesen.

So weit muss man aber gar nicht schauen. Es reicht ein Blick in den Osten von Wörgl in Tirol. Schlagzeilen hat die dortige Mülldeponie vor allem damit gemacht, dass jahrelang ein ganzer Ortsteil von unerträglichem Gestank gequält war. Wegziehen konnten die Menschen im Ortsteil Bruckhäusl aber nicht, weil mit dem Gestank eine Wertminderung ihrer Grundstücke und Immobilien einhergegangen ist. Weniger Schlagzeilen gemacht hat der Unternehmer, der zwar Müll deponiert hat, aber kein Geld auf die Seite gelegt hat, um die Deponie nach der Schließung zu versiegeln. 20 Millionen Euro Sicherheitsleistung hat der Rechnungshof verlangt, der Betreiber hat sich dagegen gewehrt. Als die Konkursmasse aufgebracht war, musste das Land die Deponie kaufen und wird laut ExpertInnen 20 Millionen aufbringen müssen, um die Deponie schließen und versiegeln zu können.  20 Millionen aus Steuergeldern, versteht sich.

Nicht nur in Wörgl-West, sondern auch Tirols Landeshauptdorf spielt üble Spiele mit dem Geld der SteuerzahlerInnen. Die ÖVP-Stadtführung setzte die Euro 2008 in den Sand. Weil die InnsbruckerInnen zu wenig in den Fanzonen konsumierten, durften sie deren Defizit über ihre Steuern finanzieren. Aus Fehlern lernt die schwarze Stadtführung aber nichts – nur, dass jetzt auch der SPÖ-Chef mit an Bord ist: Für die Olympischen Jugendspiele 2012 war zuerst von 9 Millionen Euro Kosten die Rede, später waren’s 15 Millionen Euro, jetzt redet der Geschäftsführer von 23,7 Mio. Euro. Es werden mehr werden. Denn das Olympische Komitee hat sich abgesichert: Wenn es zu „unvorhersehbaren Mehrkosten“ der Veranstaltung kommt, zahlen – erraten, die SteuerzahlerInnen.

Also, geehrter Herr Kopf. Reden Sie nicht davon, dass die hohe Abgabenquote „moderne Sklaverei“ sei. Sie brauchen das Geld doch, um den Turbokapitalismus am Laufen zu halten und um ihre Freunde in Wirtschaft und Industrie zu füttern. Ausgebeutet werden die SteuerzahlerInnen zwar tatsächlich. Und zwar von Ihnen und ihren TanzpartnerInnen beim Tango Korrupti.

die polizeipartei

Ich weiß ja nicht, wie’s euch geht, liebe LeserInnen. Wenn an mir an ungewöhnlichen Stellen langsam ein Polizeiauto vorbeifährt, macht das tatsächlich Eindruck auf mein subjektives Sicherheitsgefühl. Aber umgekehrt, wie immer alle behaupten. Ich fühl mich verunsichert und frag mich, welche gefährlichen Vorfälle wohl der Grund sein könnten, dass hier die Polizei patrouilliert.

Und ich glaub’ langsam, dass es sich beim ständigen Ruf nach mehr Polizei oder gegebenenfalls Soldaten in österreichischen Städten um eine politische Strategie handelt, die funktioniert. Und zwar genau so lange, bis die WählerInnen diese unverschämte Manipulation ihres tief sitzenden Sicherheitsbedürfnisses verstehen.

Die Überraschung ist geglückt – die steirische ÖVP geht mit der Forderung nach 300 PolizistInnen mehr in den steirischen Landtagswahlkampf. Die Wiener ÖVP will das Militär in der City auf Wachdienst schicken. Die SPÖ empört sich über diesen Unsinn, obwohl ihr pannonischer Landeshauptmann seine Partei mit demselben Rezept vor dem großen Absturz bewahrt hat. Und der ach so liberale Michi Häupl wollte vor einem Jahr 200 PolizistInnen aus den Botschaftsvierteln loseisen und in die wirklich gefährlichen Gegenden schicken, indem die Botschaften von schlechter ausgebildeten „WachpolizistInnen“ bewacht werden.

In Innsbruck hatte die Polizei das überschaubare Drogenmilieu im innerstädtischen Rapoldipark unter Kontrolle, sagen ranghohe Vertreter unter der Hand. Aber die schwarze Stadtführung hat unter Applaus einiger Haudrauf-Journalisten die Szene zerschlagen und im Rapoldipark dürfen Menschen ohne Grund quasi Hausverbot bekommen. Mit dem Ergebnis, dass jetzt wird in der Bahnhofsgegend in Tiefgaragen, Hinterhöfen und Stiegenhäusern von Wohnhäusern gedealt wird – was die lokale Polizei zur Verzweiflung treibt, weil sie den Überblick über die Szene völlig verloren hat.

Die wirklich spannenden Artikel in Zeitungen stehen ja bekanntlich nicht auf den Seiten 2-8, sondern weiter hinten. So wie im heutigen Standard der über die Konstellationen, die Menschen in die ausweglose Schuldenfalle und infolge dessen in die Kleinkriminalität treiben. Zum Beispiel Spielsucht oder Alkoholismus, von der Menschen aus den untersten Einkommensschichten überdurchschnittlich betroffen sind. Weil in den untersten Einkommensschichten MigrantInnen überdurchschnittlich vertreten sind, kommen mehr menschen mit ausländischen Wurzeln in die Schuldenfalle.

Die größten Schwierigkeiten haben die Wiener Jugendzentren mit der Konkurrenz von Spielhöllen, in denen fast alles erlaubt ist und wo Private mit dem Elend junger Menschen Millionen scheffeln. Würde man dort ansetzen und den Perspektivenlosigkeitsgewinnlern ordentlich auf die Füße treten, wäre mehr gegen Kleinkriminalität und Gewaltpotenzial getan, als mit PolizistInnen auf der Straße, die die Abwärtsspirale des „subjektiven Sicherheitsgefühls“ in Gang setzen. Aber wer wird schon an die Wurzel sozialer Probleme gehen und seinen besten Freunderln auf die Füße steigen, solange man mit der Polizei Wahlen gewinnen kann?