rote linie

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Kein anderes Gesetz ist seit 2006 so oft novelliert worden, wie das Asylgesetz. Elf Verschärfungen binnen acht Jahren hat die SPÖ mitbeschlossen. Innenministerin Mikl-Leitner will jetzt Schnellverfahren, nach denen Menschen schon nach dem Erstbescheid aus der Grundversorgung fliegen und damit auf den kalten Straßen stehen. Die Grundversorgung beträgt bei einer Heimunterbringung 40 Euro im Monat, bei Selbstunterbringung in einer privaten Wohnung maximal 320 Euro im Monat.

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so geht zivilgesellschaft

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Nuran Ekingen und Katharina Lang von der Plattform Rechtsberatung                                                 (Foto: Christian Niederwolfsgruber)

Ich war einige Male dabei, als Asyl-BeraterInnen ihren KlientInnen ohne gemeinsame Sprache versucht haben, die Verfahrensschritte durchzubesprechen. Mit Händen und Füßen ist da teilweise erklärt worden, was im Zynismus des österreichischen Fremdenrechts oft unerklärlich bleibt. Das sind Situationen, in denen die Flüchtlinge unter großem Druck stehen. Es geht in allen Fällen um eine drohende zwangsweise Ausweisung, in vielen um die bloße Existenz, in manchen um das Leben der Klientinnen und Klienten. Es gibt zu wenig BeraterInnen, weil die öffentliche Hand die Flüchtlingsberatung heruntergewirtschaftet hat. Dieses Herunterwirtschaften ist aber nicht passiert, es ist gemacht worden: Von willfährigen Mitte-PolitikerInnen, die nicht verstanden haben, dass sie die Rechten stärken, wenn sie ihnen nachgeben. Und von verantwortungslosen JournalistInnen, deren Texte sich nicht von FPÖ-Plakaten unterscheiden.

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äsop, peter rabl, und das refugee camp

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„Kurier“-Kolumnist Peter Rabl hat in der heutigen Print-Ausgabe einen im Laufe des Tages auf Twitter heiß diskutierten Text geschrieben. Einige „Hintermänner“ und „links-grüne Kombattanten“ missbrauchten, so der Journalist, die Asylwerber des „Refugee Camp“, die 4 Wochen lang vor und in der Votivkirche in der Wiener Innenstadt auf die untragbaren Zustände im Flüchtlingslager Traiskirchen aufmerksam gemacht hatten, bevor die Polizei das Lager in einer Nacht- und Nebelaktion zerstörte.

Nun, ich gehöre zu dem, was der Kurier-Kolumnist „humanitär leicht erregbare Community“ nennt. Und ich mag nicht akzeptieren, dass Rabl in seinem Text zwar einen anonymen Flüchtling nennt, dem man seiner Auffassung nach helfen solle – aber findet, man könne das wegen der vielen anderen Flüchtigen auf der Welt nicht tun. Die Menschenrechte, sehr geehrter Herr Redakteur, sind unteilbar. Sie gelten für alle gleich. Das österreichische Asylgesetz erlebt im Jahrestakt Verschärfungen, obwohl das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlingsfragen seit Jahren gegen die noch milderen früheren Versionen protestiert hat. Es ist degoutant, die vermeintliche Sicherheit der ÖsterreicherInnen über die Menschenrechte der Unterpriviligierten aus Kriegsländern zu stellen. Es ist geschmacklos, die Sprachschwierigkeiten von MigrantInnenkinder gegen Menschen auszuspielen, denen in ihrer Heimat der Tod droht.

Äsop wird das Zitat zugeschrieben, das Rabl als Titel für seinen Kommentar wählt: „Handle klug und bedenke die Folgen“. Zwei Frösche müssen in der Fabel, aus der es stammt, ihren Sumpf verlassen, es ist zu trocken geworden. Der eine Frosch will in den erstbesten Brunnen hineinspringen. Der andere Frosch warnt ihn, zu bedenken, dass der Wasserstand zu niedrig sei, um wieder herauszukommen. Dass hierzulande das sinnbildliche Wasser im Brunnen zu tief ist, als dass die Grundversorgung für Notleidende gewährleistet wäre, dafür sind Kommentare wie jener von Peter Rabl mitverantwortlich.

Was aus den zwei Fröschen in Äsops Fabel geworden ist, ist nicht bekannt.

Menschenverachtend.

70 AsylwerberInnen trotzen der Kälte im windigen Votivpark. Da, wo auf allen Seiten Autos, Busse, Bims und Fahrräder vorbeifahren, wollen sie auf ihre hoffnungslose Situation und auf die desaströse Flüchtlingspolitik in diesem Land aufmerksam machen. Jahrelanges, nervenzermürbendes Warten inmitten des geschäftigen Treibens. Sie sind zu Fuß aus Niederösterreich nach Wien gekommen. Von ihren Geschichte, die sie heute erzählt haben, ist mir noch kälter geworden.

Die FPÖ-Bonzen sind heute mit ihren Dienstchauffeuren nach Traiskirchen gefahren. Sie haben dort das Lager besichtigt und dann gefunden, das sei eine Zumutung. Für die AnrainerInnen nämlich. Kein Wort von den Schicksalen der Heimatlosen, denen diese Republik keine menschenwürdige Bleibe zur Verfügung stellt. Nicht einmal auf Zeit.

Ich find das menschenverachtend. Und jene, die sich die Rassisten und Rassistinnen als Koalitionstrumpf in der Hinterhand halten, sind an der Legitimation dieses Irrsinns mit schuld.

ankerkindersager

Jetzt haben sie wirklich ein neues Wort durchgesetzt, die Hardliner im Innenministerium, denen ihr Weihnachtsgebäck leider nicht im Hals stecken geblieben ist und die nach dem alljährlichen Menschlichkeits-Gecheuchel im Advent jetzt wieder ihr wahres, unbarmherziges Gesicht zeigen. Schlimm genug. Noch viel schlimmer ist aber, dass der ORF, der gerade wegen solzialdemokratischer Personaldeals in den Schlagzeilen ist, aufspringt und den ersten Favoriten für das Unwort des Jahres in Stellung bringt. Weil „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ gar so schutzbedürftig klingt, nennt sie der öffentliche Rundfunk, den ich zwangsmitfinanzieren muss, jetzt „Ankerkinder“.Und Gesicht haben sie natürlich keines, die Ankerbabies und ihre ach so gefährlichen Eltern.

Da draußen hat’s grad minus fünf Grad und irgendwo zwischen Grosny und Wien, zwischen Diyarbakir und Klagenfurt, zwischen Khartum und Innsbruck, schlagen sich Kinder durch die Landschaft. Da geht’s nicht um den neuen iPod, um die schönen aber viel zu teuren Schuhe oder um eine tolle Wohnung, die aber leider keinen Balkon hat. Diese Kinder suchen einen Platz zum über(!)leben, nachdem sie sich in Kriegsgebieten von ihrer Familie getrennt haben oder gewaltsam getrennt worden sind. Wenn die Kinder nach Österreich kommen und ein Gesicht haben, wenn ihre Geschichten in der Öffentlichkeit auftauchen, sind sie gefährlich für den rechten Mainstream: Ihre dramatische Realität könnte dazu führen, dass die heimischen Verhetzten doch einmal darüber nachdenken anfangen, wer da das Ziel ihrer irregeleiteten Aggressionen ist.

Dem baut das Innenministerium jetzt vor und der ORF macht mit. Sie nennen sie „Ankerkinder“ und erzählen, dass diese Jugendlichen nur die Vorhut neuer Einwanderungswellen (auch so ein dehumanisierendes Unwort) sein sollen. Eingeschlichen, um die Unterwanderung unseres Landes weiter voranzutreiben. Ich hab so einen jungen Mann kennengelernt und seine Abschiebung begleiten müssen und mit mir Hunderte andere, die dem rechten Maistream die Stirn bieten wollten. Es gibt nichts menschenveranchtenderes, als diesen Kindern, die sich nicht einmal in unserer Sprache wehren können, a priori Lügen und falsche Motive zu unterstellen. Das sagt alles über die Ankerkindersager und nichts über die als solche diffamierten „Ankerkinder“.

Die Hoffnung stirbt zuletzt: Wenn deine Kanzlei grad nichts besseres zu tun hat, als Diktatoren zu kondolieren, dann soll sie dir eine schöne Rede schreiben, lieber Heinz Fischer. Irgendwer muss dieser systematischen Gewalt, die mit gewaltsamer Sprache anfängt, Einhalt gebieten. Und wenn’s das Staatsoberhaupt sein muss.

danke für so viel heiligen zorn

Sie dürfte damals kürzlich ihren 50er gefeiert haben. Es war auf einer Podiumsdiskussion über Bildungspolitik – ich junges SPÖ-Mitglied, SchülerInnenvertreter, Happywendeaktivist. Für den Klassenkämpfer in mir gab’s kaum Schlimmeres als bürgerliche Grüne. Und irgendwann packte die kleine Frau das, was Georg Willi gestern „heiligen Zorn“ nannte. Mitten in einer Diskussion über Gesamt- und Ganztagsschulen rabiater Themenwechsel, Publikum bass erstaunt.

Die SPÖ solle aufhören, über die durch schwarzblau drohenden Menschenrechtsverletzungen zu jammern. Es sei doch ein roter Innenminister gewesen, unter dem der nigerianische Asylwerber Marcus Omofuma ermordet worden sei. Den AusländerInnen in Österreich werde gerade auch von der SPÖ systematisch jeder Stein in den Weg gelegt, den man irgendwo finden kann. Sie sehe das an den Menschen, die sie jeden Tag treffe – im Integrationshaus, in den Asylheimen, auf der Straße.

Es hat nicht lange geduert, bis ich mit meinen FreundInnen in den roten Jugendorganisationen über die SPÖ zu streiten begann. Eine überzeugte Katholikin mit sanfter Stimme, die fast meine Großmutter sein könnte, hat meinen Bruch mit der SPÖ eingeläutet. Ich durfte sie später drei Jahre als Politikerin mit ihr zusammenarbeiten. Für einen Pressesprecher keine einfache Aufgabe. Es ging ihr nie darum, in der Zeitung zu stehen. Nicht sie, sondern ihre Themen sollten in der Zeitung stehen. Sie wollte nie einen schnellen Skandal zur Bewusstseinsbildung in die Medien bringen, wenn dadurch auch nur die minimale Gefahr bestand, dass der Fall der Betroffenen schwieriger werden könnte. Sie hat die Grünen auch in schwierigen Phasen mit ihrer sanften Autorität in Menschenrechtsfragen auf Kurs gehalten. Der heilige Zorn konnte auch Rechtsabweichler aus den eigenen Reihen treffen.

Gestern haben wir Elisabeth Wiesmüllers 60ten Geburtstag gefeiert. Ich sage danke und wünsche alles Gute, von ganzem Herzen!