Ist Flucht wirklich das dominante Thema, das die oberösterreichischen Wahlen entschieden hat? Ich bezweifle es massiv. Denn es kommt immer darauf an, wen man wie fragt, was wichtig ist. Das haben die Institute sauber gemacht, aber es ist gestern meiner Meinung nach sehr unsauber interpretiert worden.
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was mitterlehner aus der causa ablinger lernen könnte
Das Jobkarussell, das die SPÖ gezwungen war, nach dem tragischen Tod von Barbara Prammer anzuwerfen, dreht sich munter weiter. Auffällig ist: Das Parteistatut, das bis zum Erreichen der 40%-Frauenquote vorsieht, bei NachrückerInnen Frauen zu bevorzugen, ist mit der Entscheidung zu Gunsten von Walter Schopf und zu Ungunsten von Sonja Ablinger nicht zum ersten, sondern zum sechsten Mal seit 2013 gebrochen worden, wie ATV-Anchor Martin Thuer hier erklärt. Acht NachrückerInnen sind binnen eines Jahres für die SPÖ ins Parlament eingezogen. Acht Mal hätten es Frauen sein müssen, sechs Mal waren es Männer. Dass der jetzige Fall publik geworden ist und trotz der ÖVP-Personalrochaden weiter heftig diskutiert wird, hat mit der Prominenz der handelnden Personen zu tun – mit jener der verstorbenen Nationalratspräsidentin, mit jener der an der Rochade beteiligten MinisterInnen und nicht zuletzt, wie Maria Sterkl im „Standard“ eindrücklich beschreibt, mit dem Alleinstellungsmerkmal von Sonja Ablinger in der SPÖ-Asylpolitik, in der sie so fundamental andere Positionen vertritt, als der sozialdemokratische Mainstream.
suchbild für fortgeschrittene
Darf ich vorstellen? Das sind die Leute, die Österreichs Parteien wahrscheinlich in die richtungsweisende Nationalratswahl 2013 führen werden. Ich stell auch gleich die beiden noch nicht so bekannten vor: Links oben Rodrigo Jorquera von den Piraten, unten rechts zwischen Strache und Spindelegger Matthias Strolz, PR-Berater aus Wien mit Wurzeln in ÖVP und Industriellenvereinigung.
Gut, es ging bei meinem Suchbild also nicht um darum, dass da zweieinhalb neue Gesichter sind. Sondern darum, dass neben den vier Männern, die Parlamentsparteien anführen, noch drei Männer meinen, sie wären geeignete Listenführer einer erfolgreichen Nationalratswahlliste. Und darum, dass es nur eine Frau gibt, die an der Spitze einer Nationalratswahl stehen wird. Boah, fad, schon wieder Genderthema, denkt ihr euch vielleicht?
Schaut euch um in dem, was männlich dominierte Redaktionen als Zivilgesellschaft und als ExpertInnen präsentieren: Peter Filzmaier für politische Analysen, Christian Felber für die Globalisierungskritik, Peter Kleinmann für allerlei Sportliches. Hans Bürger erklärt die Innenpolitik, Karim El-Gawhary den arabischen Raum, Claus Raidl die Wirtschaft. Johannes Voggenhuber als grüner Gottseibeiuns, Erhard Busek als geläuterter ÖVPler, Hannes Androsch als SPÖ-Kopfwäscher. Alle gemeinsam mit Frischenschlager und Neisser für einen Aufbruch in der österreichischen Politik. Armin Thurner interviewt Armin Wolf. Armin Thurner interviewt Michael Fleischhacker. Armin Wolf interviewt die Parteichefs, weil Ingrid Thurner das vermeintlich nicht kann. Hans Rauscher haut Wolfgang Fellner in seinem Kastl, der streitet mit Claus Pandi um den schlimmsten Bösewicht der Redaktionslandschaft. Ich könnt die Liste endlos weiterführen.
Ich will nicht sagen, dass man Eva Glawischnig unterstützen sollte, weil sie eine Frau ist. Aber ich will, dass es aufhört, dass sich Grüne im ganzen Land bei jedem noch so blöden Sommerinterview von einem noch blöderen männlichen Redakteur vorwurfsvoll fragen lassen müssen, ob jetzt nur mehr Frauen die Grünen wählen sollen. Schaut’s euch um, ihr Macker: noch ist das Patriarchat nicht ganz verloren.
die gießkanne trifft nicht
Jetzt bricht sie also wieder aus, die Diskussion über die Kinderbeihilfe. Irgendwo müssen Faymann und Pröll ihr Budget, das sie unter Umgehung der Verfassung erst im Dezember präsentieren, ja sanieren. Nicht mehr bis 26, sondern nur mehr bis 23 oder vielleicht gar nur mehr bis 18 Jahren soll die Kinderbeihilfe ausbezahlt werden. Das ist ein verkehrter Ansatz, weil er Studierende belastet, besonders jene aus den unteren sozialen Schichten. Aber an sich wär die Diskussion über die Abschaffung der Kinderbeihilfe nicht verkehrt, ganz im Gegenteil.
Denn Österreich gibt sehr viel Geld für sogenannte (!) Familienleistungen aus – wo die dann tatsächlich landen, ist aber völlig unklar. Weil die Gießkanne bei sozialpolitischen Maßnahmen immer ungerecht ist. Dass das ManagerInnenpärchen für sein Kind gleich viel Unterstützung braucht, wie Frau und Herr GeringstverdienerIn, hat mir noch niemand erklären können. Und wie die 160 – 200 Euro dann wirklich verwendet werden, variiert auch je nach Einkommen der Eltern.
Die ÖkonomInnen beweisen (hier: ÖIF 2006), dass unsere Familienleistungen kombiniert mit Wohnkostenunterstützung den Ärmsten kaum mehr bringen, als den Reichsten – und am wenigsten bekommen die DurchschnittsverdienerInnen. Wozu das Sinn macht? Die ÖVP fragen, sie macht ja schließlich die Politik für die G’stopften.
Und weil Grafiken eine so klare Sprache sprechen, hier noch eine Zweite. Sie kommt aus 2005, ist aber trotzdem die aktuellste der OECD zum Thema Familienleistungen. Österreich gibt zwar von allen untersuchten Staaten den Familien am meisten bares Geld, aber dafür am wenigsten Dienstleistungen wie Kindergartenplätze. Und das hat massive Auswirkungen: 2006 waren von den Dreijährigen in Österreich unter 10% zumindest zeitweise in außerhäuslicher Betreuung – in Norwegen waren es 60% der Kinder.
Und jetzt soll sich noch mal jemand über die beschämende Einkommensschere in Österreich wundern. Die hat natürlich viele Gründe. Aber einer davon ist die Kinderbeihilfe. Und deswegen muss sie zu Gunsten verpflichtender, direkter Investitionen in Bildung fallen.
mutter. oder schauspielerin. oder tierärztin
Kennen Sie Sarina? Die Kleine lacht im Moment in Farbe aus vielen Zeitungen. Bedankt sich bei ihren Pflichtschul-LehrerInnen. Sie wollte nämlich wie ihre Mama werden. UND Schauspielerin. UND Tierärztin. Dann hat ist sie in eine Tiroler Schule gekommen. Jetzt will sie wie ihre Mama werden. ODER Schauspielerin. ODER Tierärztin. Denn sie ist Teil einer Werbekampagne der Tiroler Landesregierung. Und dort haben Beruf und Familie im Leben einer Frau nebeneinander offenbar keinen Platz.
Das ist aber nicht das erste Mal, dass eine Inseratkampagne des Landes ordentlich daneben geht. Die Letzte war wegen der Finanzierung und wegen ihrer Sujets umstritten. Denn auf denen waren „entscheidende“ Männer und „behütende“ Frauen in Gemeinden zu sehen. Damals hieß es von der Landesrätin, man wolle nur die Realität abbilden. Aber solche sündteuren Kampagnen auf Kosten der SteuerzahlerInnen schaffen auch Realitäten. Das dürften die Werbeprofis in den Diensten des Landes eigentlich wissen. Was erzählte eine deutsche Journalistin der ZIB nach einem Auftritt von Angela Merkel vor SchülerInnen? Ihre 6-jährige Tochter habe gefragt, ob in Deutschland auch Männer Bundeskanzlerin werden können. Na eben.
Wegen 14.500 Euro hat das Land im Frühjahr fünf feministische Einrichtungen geschlossen. 14.500 Euro kosten alleine vier Anzeigen in der Größe der heutigen Einschaltung in der Tiroler Tageszeitung. Und wir können davon ausgehen, dass die Sujets öfter und in mehreren Medien geschalten werden. Ich hab nichts dagegen, das ramponierte Image der LehrerInnen aufzupolieren. Aber bitte nicht mit sündteuren Werbekampagnen, sondern mit bildungspolitischen Offensiven. Und erst recht nicht mit einer kleinen Sarina, die nach dem Besuch einer Tiroler Schule ihre Karrierepläne aufgibt, um sich voll ihrer Mutterschaft zu widmen.