Innenminister Strache. Kanzler Spindelegger. Finanzminister Stronach. Bildungsminister Amon. Infrastrukturminister Vilimsky. Sozialminister Mitterlehner. Verteidigungsminister Gudenus. Gleichstellungsministerin Rosenkranz. Ihr findet, ich spinn? Die blau-schwarz-weiße Estland-Koalition ist, nach allem menschlichen Ermessen, die wahrscheinlichste Koalitionsvariante.
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franks ex-leute unter der lupe (update vom 31.1., urspr.: franks leute unter der lupe)
Der Wahlkalender liegt gut für den neuen Star der österreichischen Innenpolitik. Frank Stronach braucht bei seinem ersten Antreten einen Erfolg. Der ist in Niederösterreich und Kärnten in Greifweite, während sich in Tirol als schwieriger Boden herausstellt. Nicht zuletzt aufgrund des Personals, das der Milliardär rekrutiert hat. Stronach bringt Niederösterreichs Landeshauptmann Pröll unter Druck. Die Imperien von SPÖ und ÖVP, die bisher eher still hielten, müssen jetzt zurückschlagen.
2013 wird spannend. Ein erster Überblick:
Ministerinnentochter, Ministersprecher, Weindoyen. Stronachs blau-gelbes Team kommt mitten aus der ÖVP. Karin Prokop ist die Tochter der 2006 verstorbenen ÖVP-Innenministerin Liese Prokop und war bis zu ihrem Wechsel ins Stronach-Team schwarze Gemeinderätin in Maria Enzersdorf. Walter Rettenmoser war Pressesprecher von ÖVP-Verteidigungsminister Lichal, als Michael Spindelegger dessen Ministersekretär war. Walter Laki ist Ministerialrat im Rechnungshof und gehört den illustren „Weinrittern der Tafelrunde“ an, in der die erste Reihe der niederösterreichischen ÖVP prominent vertreten ist. Die politische Haltung von Stronachs blau-gelber Truppe ist noch weitgehend unbekannt. Aber das sind KandidatInnen, die das politische Geschäft verstehen und mitten aus Prölls Reich kommen. Ergänzt um den ehemaligen LIF-Bundesgeschäftsführer Michael Fichtinger und mit Frank himself an der Spitze könnte der Feind im eigenen Bett dem niederösterreichischen Landeshauptmann zu schaffen machen. (An dieser Ankündigung ändert auch Karin Prokops Ankündigung vom 2. Jänner nichts, doch nicht auf der Landesliste des Team Stronachs in Niederösterreich zu kandidieren. Letzteres halte ich für einen PR-Gag.)
Roter, blauer und grüner Dissident. Gerhard Köfer ist eine reichlich skurrile Figur: Der Bürgermeister von Kärntens viertgrößter Gemeinde ist Energetiker, kann mit Pferden sprechen und ist der SPÖ immer wieder mit Unterstützungserklärungen für den damaligen FPÖ-Landeshauptmann Haider in den Rücken gefallen. Trotzdem: Der Spittaler Bürgermeister ist prominent, in der Mitte der Kärntner (!) politischen Landkarte etabliert und im südlichsten Bundesland liegen die Stimmen auf der Straße. Gemeinsam mit Albert Gangl, einem Ex-FPÖ-Gemeinderat aus Villach und Martin Rutter, der stellvertretender Klagenfurter Grünen-Chef war und seit 2008 einen politischen Blog betreibt, könnte Stronach in Kärnten Meter machen. Der Chef selbst hat außerdem eine Kärntner Mutter, die er im Wahlkampf strapazieren wird. Am 3. März wählen Niederösterreich und Kärnten. In beiden Bundesländern könnte Stronach in die Landtage einziehen. Und egal, ob es stimmen wird, oder nicht: Die Medien werden den Milliardär zum Verhinderer der Pröll-Absoluten und zum Königsmacher in Kärnten machen.
Glatz, Gruber, Tautsch: Zu rechts für die FPÖ. „Alle Gutmenschen, die diesem Treiben tatenlos zusehen, sind die wahren Schuldigen, sollte es einmal zu Gewaltexzessen von besorgten Einheimischem gegen diese Typen kommen!! Es mehren sich jedenfalls die Stimmen, das Recht selber in die Hand zu nehmen und sich dieser Verbrecher zu entsorgen (…)“, schrieb der Stronach-Finanzreferent Gerhard Glatz auf der Facebook-Seite des zurückgetretenen FPÖ-Nationalratsabgeordneten Werner Königshofer über AsylwerberInnen. Stronachs Innsbrucker Spitzenkandidat Richard Tautscher und Schriftführer Fabio Gruber kommen vom schlagenden Corps Athesia, das 2009 an der Organisationen des umstrittenen Burschenschafter-Festkommerses in Innsbruck beteiligt war. (4.1.: Fabio Gruber hat mich angerufen unter unter Androhung seines Anwalts gefordert, ich möge die „Athesia“ nicht als Burschenschaft bezeichnen.) Beide sind
wegen rechter Umtriebe aus der FPÖ ausgeschlossen worden. Der Spitzenkandidat für Innsbruck-Land, Christian Warum, hat sich als homophober und rassistischer Internet-Poster einen Namen gemacht, wie die Recherche West berichtet. (4.1. Christian Warum ruft mich an und droht mit Klage, wenn ich diesen Hinweis nicht lösche. Ich kenne Herrn Warum von einschlägigen Störaktionen bei der Besetzung des SoWi-Hörsaals im Oktober 2009 und halte den Bericht von „Recherche West“ deshalb für glaubwürdig. Dennoch weise ich darauf hin, dass gegen Herrn Warum kein Straftatbestand vorliegt, 25.2.: ich lese in der „Tiroler Tageszeitung“, dass wegen Handgreiflichkeiten eines Christian W. im Tiroler Stronach-Büro die Polizei anrücken musste.). Teamkoordinator Alois Wechselberger war Obmann der „Liste Tirol“, als diese wegen musste wegen übler Beschimpfungen des FPÖ-Chefs Gerald Hauser 5.000 Euro Strafe im außergerichtlichen Ausgleich zahlte. Auf der Website der Liste war der FPÖ-Chef mit Kim Jong Il und Adolf Hitler verglichen worden. (3.1.: Alois Wechselberger hat mich angerufen und um diese Präzisierung gebeten, andernfalls werde er seinen Rechtsanwalt Dr. Alexander Frick einschalten. Im Telefonat meinte Wechselberger, man könnte ihn einen Monarchisten nennen, dazu habe er einen Zugang. Aber mit Rechtsextremen habe er nichts am Hut).
Update, 30.1.: Mittlerweile interessiert sich laut Kurier auch der Verfassungsschutz für die Website, deren Kontaktadresse auf Alois Wechselberger registriert ist. „Türken als neue Herrenrasse“, steht da unter anderem.
Update, 31.1.: „Doch seit gestern Nachmittag steht fest: Landesobmann Mayr dürfte Wechselberger und Co. aus der Partei verbannen und die Stronach-Landesgruppe neu aufbauen. Gemeinsam mit Wechselberger müssen dann wohl Christian Warum, der den Landtagsabgeordneten Gebi Mair einmal als „grünen Quotenschwulen“ bezeichnet und beim Tag der offenen Tür im Landhaus für einen Skandal gesorgt hat, Peter Prantl, Richard Tautscher und Fabio Gruber gehen. Auch die Karriere von Johann Moser könnte beim Team Stronach heute zu Ende sein.“ (Online-Ausgabe der Tiroler Tageszeitung)
Update, 5.4.: Das Kapitel Stronach und Tirol hat ein Ende gefunden. Update 15.4.: Doch nicht.
Mit dieser Stronach-Truppe will in Tirol niemand etwas zu tun haben, ihre Exzesse sind den Medien bekannt. Selbst wenn Klubchef Robert Lugar selbst kandidiert, wird Stronach in Tirol keinen Fuß auf den Boden bekommen.
Niederösterreich entscheidet. Frank Stronach hat mit seiner eigenen Spitzenkandidatur in Prölls Reich die Entscheidung darüber getroffen, wann die Stunde der Wahrheit für seine bundespolitischen Ambitionen geschlagen hat. 3. März, 17 Uhr. Eine persönliche Niederlage unter der Enns wäre der Anfang vom Ende seiner Partei, davon erholt er sich auch mit viel Geld bis zum Herbst nicht. Schafft er aber in Niederösterreich und in Kärnten den Einzug in die Landtage, stehen die Chancen für die Nationalratswahl im Herbst gut. Dann ist aus dem Medien-Faktor Stronach auch ein echter Polit-Faktor Stronach mit gewählten MandatarInnen geworden und es gibt ein Spielfeld, auf dem seine Partei manövrierfähig ist.
Damit diese Analyse nicht wie eine Laudatio auf den Milliardär wirkt: Was ich persönlich von Stronach halte, steht u.a. hier.
kanzler strache
Jetzt darf man sich nicht mehr wundern, wenn Straches Kanzlerambitionen wieder wachsen. Und es ist auch kein Wunder, wenn die Leute angesichts der Performance der Regierung wieder in Massen zum FPÖ-Chef rennen. Wer so Politik macht, wie die große Koalition, darf sich mitverantwortlich dafür fühlen, dass die Freiheitlichen wieder einen Weg zur Nummer eins sehen. Da kann sich Martin Graf noch so an einer alten Dame vergehen, da kann das FPÖ-Personal noch so dünn sein. So, wie Faymann und Spindelegger sich aufführen, darf eine noch stärkere FPÖ niemanden wundern. Und irgendwie haben das die Altparteien auch verdient: 35 Jahre nach dem ersten Aufbrechen des politischen Systems mit Lucona und AKH, vergeben die roten und schwarzen Ministerien immernoch Inserate nach Gutdünken. Deswegen trauen sie sich auch jetzt nicht raus, aus dieser schwindligen Koalition, weil sie wüssten, welches Thema den Wahlkampf dominieren würde. Aber vielleicht braucht’s einmal Blau-Rot, damit sich die ÖVP in der Opposition erneuern und die SPÖ schätzen lernen kann, was sie am heutigen Koalitionspartner hat.
Das und Ähnliches wird man in den nächsten Tagen auf den Kommentar-Seiten dessen lesen, was sich österreichischer Feuilleton nennt. Profil-Chefredakteur Christian Rainer ist so ein Spezialist für solche Geschichten, in denen Provokation Selbstzweck ist. Die Presse hat einen neuen Redaktions-Boss, der sich sicher kantig bürgerlich zeigen und es den „Linken“ reinwürgen will. Peter Rabl sind solche Volten auch zuzutrauen.
Die tägliche Dosis Unerträgliches
Ich find, es wäre Zeit, aufzuhören, vom Kanzler Strache zu schwadronieren und auch noch Verständnis dafür zeigen, dass dessen Umfragen wieder besser werden. Jeder Kommentar, der Kanzler Strache als Konsequenz aus dieser großen Koalition fantasiert, rollt der FPÖ den roten Teppich aus und erledigt das Geschäft von Herbert Kickl.
Egal, wie katastrophal die große Koalition dasteht: Nein, es gibt überhaupt keine Rechtfertigung dafür, Kellernazis zu wählen. Es gibt keine Entschuldigung dafür, diese rechtsradikale Bagage hochschreiben. Wer Strache als potenziellen Kanzler beschreibt, macht genau das, was Wolfgang Schüssel zurecht vorgeworfen wird. Den Gedanken an einen Kanzler Strache normal zu finden, ist und bleibt eine Verharmlosung der undemokratischen Gesinnung dieser Gemeinschaft.
„a großa dampfplauderer, der noch nix geleistet hat“ (dörfler 2009)
Wenn die anderen in Korruptionsverdacht geraten, sind sie vogelfrei. Wenn die freiheitlichen Kameraden in Korruptionsverdacht geraten, setzen sie respektable Schritte. Da werden ihre Kinder als Leidtragende vor die Kameras gezerrt, nachdem dieselben Kinder als Wahlkampfhilfe vor die Kameras gezerrt worden sind. Da werden dummdreiste größenwahnsinnige Lederhosenträger Opfer des politischen Systems in Österreich, an dem sie sich reich gestoßen haben. Dass schwarz und rot ihre unauslöschbaren Spuren im Korruptionssumpf dieser Republik hinterlassen haben, keine Frage. Aber nach Seibersdorf und Klagenfurt ist ein für alle Mal klar: Die FPÖ ist mittendrin statt nur dabei, wenn’s darum geht, sich an dem zu bereichern, was die vermeintlich vertretenen „kleinen Leute“ verdient haben. Verdroschen sollten sie sich fühlen, die sie an den Lippen der Haiderianer und Straches schmissigen Jungs gehangen haben.
Haider, Strache, Dörfler. Was haben sie sich geschimpft, was haben sie sich gehasst und geliebt, was haben sie Verbalgefechte ausgetragen. „Er ist Gast in Kärnten, zahlt hoffentlich seine Nächtigung und wird hoffentlich in Wien dann die Wahl verlieren. So gesehen geb ich dir einen guten Rat: Geh nach Wien ein bisserl arbeiten“ und „besser a guata Sozi als a schlechter Strache“, sagt Dörfler dem Baron Bumsti hier. Eingesackelt haben sie gemeinsam. Und jetzt soll auf einmal die ÖVP an gar allem Schuld sein, was die FPÖ als stärkere Partei in der Wenderegierung verbrochen hat. Wie sich der FPÖ-Chef in Widersprüche verstrickt, wenn es um Haider geht, ist abenteuerlich. Da rudert ein Heinz-Christian, dass es nur so schäumt. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.
Dass Strache in der ZIB2 die Moderatorin, die ihre privaten Accounts etwa auf Twitter als Lou Lorenz führt, gezielt diskreditiert, indem er sie „Frau Dittelbacher“ nennt und dann ihren Ehemann, den als SPÖ-nah punzierten ORF-Chefredakteur Fritz Dittelbacher, ins Spiel bringt, spricht Bände über die politische Haltung des FPÖ-Chefs. Sippenhaftung ist des Teufels, wenn sie die FPÖ betrifft. Sippenhaftung gilt bei allen, außer bei den Scheuch-Brüdern. Die Bundesregierung soll Neuwahlen ausrufen, obwohl sie sich auf eine stabile Mehrheit stützt. Die Kärntner Regierungspartei läuft, in die Minderheit geraten vor der Mehrheit davon, die im Klagenfurter Landhaus Neuwahlen will. Ungleiche Maßstäbe und widerwärtige Doppelmoral, soweit das Auge reicht.
Fritz Dittelbacher hat übrigens über Bauernräte in der Ersten Republik dissertiert. Der Titel: „Revolution am Lande“. Ich würd sie den blauen Schmissträgern von Herzen wünschen.
go for it, mister spindelegger
Eine Million Euro hat eine alte Frau dem von SPÖ, ÖVP und FPÖ gewählten Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf anvertraut. Er hat ihr empfohlen, das Geld in eine Stiftung anzulegen, deren Chef er wurde. Die Stiftung hat u.a. eine Immobilie gekauft hat, in der Grafs Bruder ein Gasthaus führt. An diesem Gasthaus ist Martin Graf laut „Kurier“ mit 18.000 Euro beteiligt. Heißt: Die von Graf verwaltete Stiftung hat mit dem Geld der alten Frau den Teil eines Hauses gekauft, in dem jetzt eine Firma sitzt, an der Graf beteiligt ist. Auch an derselben Adresse laut heutiger ZIB2: Die Meldeadresse des Vereins, der Grafs Homepage betreut. Die 90jährige kriegt jährlich von ihrer Euromillion 10.000 bis 12.000 Euro ausgezahlt, sagt der schlechte Berater Graf heute im Interview. Sie wird die Stiftung, in deren Vorstand lauter FPÖ-Funktionäre sitzen, nicht mehr allzu viele Zehntausend Euro kosten.
Zwei Fragen, die noch niemand gestellt hat: Hat ein Dritter Nationalratspräsident eigentlich nichts Wichtigeres zu tun, als sich auf fragwürdige Art und Weise um das angehäufte Geld einer Millionärin zu kümmern? Und wieso rät ein Spitzenvertreter der selbsternannten Partei der kleinen Leute einer alten Frau, die ihr vieles Geld niemals ausgeben wird können, zu einer steuerschonenden Maßnahme? Wo doch die FPÖ sonst so fleißig ist, die Abschaffung von Stiftungen zu fordern oder die SPÖ mal zur Abwechslung „Stiftungspartei Österreichs“ zu nennen?
Da sind sie wieder, die blauen Ritter mit schwarzgelbrotem Band. Nachdem ihnen Wolfgang Schüssel 6 Jahre lang die Gelegenheit gegeben hat, das Tafelsilber der Republik von A wie Austria Tabak bis V wie VA-Tech zu verscherbeln, zeigen sie wieder ihr wahres Gesicht. Hinter ihren Narben und unter ihren Deckeln kommt heraus, dass die FPÖler ganz hundsgemeine, gewöhnliche, großkopferte Kapitalisten sind, die am liebsten aus fremder in die eigene Tasche wirtschaften.
Nachdem Martin Graf 2009 Ariel Muzicant als „Ziehvater des österreichischen Linksterrormismus“ bezeichnet und betont hatte, seine Partei fühle sich nicht an den antifaschistischen Grundkonsens der Zweiten Republik gebunden, hat sich die ÖVP geweigert, den Weg für eine Abwahl Grafs als Nationalratspräsident freizumachen. Grüne und SPÖ sind bereit für die Abwahl des Herren Spekulanten mit Band und Deckel. Wer hat da vor zehn Tagen nochmal groß von Werten geredet – Anstand, Ehrlichkeit, Vertrauen? Go for it, Mister Spindelegger.
arbeitshäuser für marokkaner: wehr dich, innsbruck
Isolieren: das und nur das hilft gegen die RassistInnen von der FPÖ. Der Innsbrucker Tourismusverbands-Obmann macht’s vor, liebe Stadtpolitik. Karl Gostner findet die Marokkaner-Plakate seines TVB-Vorstandskollegen August Penz entsetzlich und niederträchtig. Das sind die Plakate auch und sie sind es wert, thematisiert zu werden. Würde ich in einem Land leben, in dem nur wenige meiner Landsleute leben und würde ich dort aufgrund meiner Nationalität, die ich mir nicht ausgesucht habe, in metergroßer Schrift pauschal diskriminiert, ich würd mich fürchten. Eine in Innsbruck lebende Marokkanerin berichtet, sie habe Angst um ihre Kinder. Was Penz macht ist Volksverhetzung und ich hoffe, die Staatsanwaltschaft wird diesen Tatbestand erfüllt sehen und die Volksverhetzer bestrafen.
Diese rassistische Provokation soll natürlich genau den Zweck erfüllen, Aufmerksamkeit für die im niedrigen einstelligen Bereich herumdümpelnde FPÖ schaffen. Darauf nicht zu reagieren, wäre vielleicht wahlstrategisch klug. Aber man muss aufschreien, wenn MitbürgerInnen so offen verhetzt werden. Wer da pragmatisch ist, hat sich mit dem strukturellen Rassismus bereits arrangiert. Ich muss da einfach an Martin Niemöller denken. Marokkaner-Diebe in Arbeitshäuser stecken. Da will jemand nicht nur die Wahl in Innsbruck gewinnen, da will jemand 1938 noch einmal anfangen.
Ich find, es gibt eine Frage, die man jetzt an die PolitikerInnen der anderen Innsbrucker Fraktionen stellen muss. Da kann die Tiroler Landeshauptstadt, ein liberales Nest in einem konservativen Land, Vorreiterin sein. Um diese RassistInnen braucht es eine demokratische Firewall aller demokratischen Kräfte, die Verhetzung nicht als politisches Stilmittel, sondern als verabscheuungswürdigen Anschlag auf die Menschenwürde sehen. Wo rechte Hetzen, brennen auch in Tirol Moscheen.
Nur wenn die FPÖ nicht mehr strategische Mehrheitsbeschafferin und thematische Hölzlwerferin ist und erst, wenn man sich aus der vermeintlichen Abhängigkeit von den 20% RassistInnen in diesem Land befreit, werden sie weniger. Ich habe bisher von der SPÖ und von den Grünen gehört, dass die FPÖ keine Rolle in ihren Überlegungen für die nächste Innsbrucker Stadtregierung spielen. Ich wünsche mir dasselbe von den beiden schwarzen Fraktionen, „Für Innsbruck“ und ÖVP. Und wer sich das mit mir wünscht: die Bürgermeisterin erreicht ihr unter buergerbewegung@fuer-innsbruck.at, Platzgummer unter innsbruck@tiroler-vp.at.
finger weg von joachim gauck
Ich versteh, dass die freie Meinungsäußerung einen anderen Stellenwert hat, wenn man in einem autoritären System aufgewachsen ist. Ich sehe, dass der Versuch, sich möglich ausgewogen darzustellen, ein must-do ist, wenn man Bundespräsident werden will. Ich finde auch, dass die sogenannte Linke integrationspolitisch einen blinden Fleck hat. Ich find nicht, dass alle die rechts wählen, Nazis sind. Ich wünsche mir von der Linken ein ehrliches Angebot für die sogenannten ModernisierungsverliererInnen, zurück zu kommen und dazu beizutragen, dass die ehemaligen ArbeiterInnenparteien in Zeiten systemimmanenter Krisen die Verteilungsfrage stellen.
Ich beneide Deutschland und ganz große Teile seiner politischen und gesellschaftlichen Elite um einen klaren Trennungsstrich zu allem, was braune Flecken hat. Ich schätze das unmissverständliche Bekennntnis zur deutschen Täterrolle im Nationalsozialismus, die gleichzeitig auch eine Absage an Rassismen und Biologismen ist. Nicht, dass die nicht vorkommen, aber so gewinnt man keine Wahlen in der Bundesrepublik – ich erinnere an Rolands Koch Instrumentalisierung des grausigen Raubmords in der Münchner S-Bahn zwei Wochen vor der Hessen-Wahl. Ich schätze, dass die Deutschen verstanden haben, dass sie RassistInnen nie das Zünglein an der Waage bei Wahlen werden lassen dürfen. Ich unterstelle, dass diese klare Trennlinie verantwortlich dafür ist, dass es in Deutschland eine strukturelle Mehrheit links der Mitte gibt, während wir in Österreich auf Jahrzehnte einer strukturellen Mehrheit rechts der Mitte ausgeliefert sein werden.
Joachim Gauck hat einen „mutig“ genannt, der mit all dem bricht, was Deutschlands politische Landkarte im Guten von Österreichs Landkarte unterscheidet. Der zurecht zurückgetretene Christian Wulff hat sich klarer von Sarazzin und von dessen menschenverachtenden Gen-Theorien abgegrenzt, wie sein präsumtiver Nachfolger. SPD und Grüne sind drauf und dran, mit der undifferenzierten Gauck-Begeisterung Mauern niederzureißen, die das bundesdeutsche politische System so sicher gegen rechtsradikalen Einfluss gemacht haben. Nicht, dass das morgen passieren wird. Aber einen Sarazzin-Relativierer zum Bundespräsidenten machen: No way.
„juden von heute“: was man tun kann
Worüber man, glaub ich, nicht streiten muss: HC Straches „Juden von heute“-Sager ist gleichermaßen skandalös und beabsichtigt. Die FPÖ erwartet sich von den Reaktionen darauf Sympathien von den WählerInnen. Und sie kalkuliert mit allseitiger Empörung und Rücktrittsaufforderungen, auf die Strache dann sagen kann, dass sich die AbsenderInnen der Rücktrittsaufforderungen nicht so aufführen sollen, sondern lieber bessere Politik machen. Diesen Mechanismus müsste man also außer Kraft setzen.
Und dafür gibt’s drei Möglichkeiten, die ich sehe:
a) antifaschistische Offensive: Die gut 60% der österreichischen Bevölkerung, denen Juden und Jüdinnen noch immer irgendwie suspekt finden und die lieber keine ausländischen Nachbarn hätten, lernen, dass sie sich als AntisemitInnen und AusländerfeindInnen schämen und ändern sollten und reagieren in Zukunft nicht mehr auf den ewigen rechten Dreischritt NS-Provokation – Empörung – Abgrenzung ablehnend. Erfolgsaussichten: naja.
b) der Kritik die Grundlage nehmen: Die „soziale Heimatpartei“ weiß schon, warum sie bei der SPÖ am besten Stimmen fischen kann. Weil Menschen, die dort politisch zuhause sind, auf kämpferische Parolen gegen „die da oben“ positiv reagieren. Und weil viele SPÖ-StammwählerInnen finden, dass ihre VertreterInnen mit Kanzlerfest und Innenstadt-Penthouse, mit Kindergeld-Streichung und Schuldenbremse eben nur mehr ihre ehemaligen VertreterInnen sind. Das Problem daran: Es wird immer irgendwo ein unverschämtes Doppelgehalt und Sozialabbau geben, solange wir in einer repräsentativen, kapitalistisch organisierten Demokratie leben. Erfolgsaussichten dafür deshalb: naja.
c) cordon sanitaire: Gabi Burgstaller, Franz Voves, Alfred Gusenbauer, Josef Pröll, Michael Spindelegger, Peter Ambrozy, Wolfgang Schüssel, Hans Niessl, Bruno Kreisky, Günther Platter, Pius Strobl, Josef Pühringer, Dieter Brosz, Andreas Unterberger, Andreas Khol und viele viele viele mehr waren in Koalitionen mit der FPÖ oder sind es, haben mit der FPÖ zusammengearbeitet oder tun es, waren da oder dort auf die Unterstützung der Neonazis angewiesen. Sie haben Mehrheiten gegen die eine oder andere ehemalige Großpartei mit den Neonazis gebastelt. Das wissen auch die WählerInnen. Halb antifaschistisch gibt’s nicht: Wer glaubwürdig erzählen will, dass die FPÖ die Demokratie gefährdet, muss die FPÖ so behandeln wie jemanden, der die Demokratie gefährdet.
Jeder österreichische Staatsbürger und jede Staatsbürgerin hat gewählte VertreterInnen – auch nach Region und Wahlkreis oder nach Partei, wenn man sich einer zugehörig fühlt. Was man schon tun könnte: Als TirolerIn allen Tiroler Nationalratsabgeordneten schreiben oder in ihren Büros anrufen, dass sie um Himmels Willen ihre Finger von den Neonazis lassen sollen, dass sie jetzt gleich lauthals protestieren sollen, dass sie ihrer Parteiführung auf die Finger klopfen sollen, wenn die mal wieder demnächst was von den Neonazis brauchen. Oder als ÖVPlerIn alle ÖVPlerInnen, von denen man findet, dass sie die Finger von Strache lassen sollen. Oder als SPÖlerIn… und so weiter.
Ich kann das nur empfehlen: Verantwortung für die Demokratie übernehmen, darf man nämlich nicht nur den sogenannten VerantwortungsträgerInnen überlassen.