finger weg von joachim gauck

Ich versteh, dass die freie Meinungsäußerung einen anderen Stellenwert hat, wenn man in einem autoritären System aufgewachsen ist. Ich sehe, dass der Versuch, sich möglich ausgewogen darzustellen, ein must-do ist, wenn man Bundespräsident werden will. Ich finde auch, dass die sogenannte Linke integrationspolitisch einen blinden Fleck hat. Ich find nicht, dass alle die rechts wählen, Nazis sind. Ich wünsche mir von der Linken ein ehrliches Angebot für die sogenannten ModernisierungsverliererInnen, zurück zu kommen und dazu beizutragen, dass die ehemaligen ArbeiterInnenparteien in Zeiten systemimmanenter Krisen die Verteilungsfrage stellen.

Ich beneide Deutschland und ganz große Teile seiner politischen und gesellschaftlichen Elite um einen klaren Trennungsstrich zu allem, was braune Flecken hat. Ich schätze das unmissverständliche Bekennntnis zur deutschen Täterrolle im Nationalsozialismus, die gleichzeitig auch eine Absage an Rassismen und Biologismen ist. Nicht, dass die nicht vorkommen, aber so gewinnt man keine Wahlen in der Bundesrepublik – ich erinnere an Rolands Koch Instrumentalisierung des grausigen Raubmords in der Münchner S-Bahn zwei Wochen vor der Hessen-Wahl. Ich schätze, dass die Deutschen verstanden haben, dass sie RassistInnen nie das Zünglein an der Waage bei Wahlen werden lassen dürfen. Ich unterstelle, dass diese klare Trennlinie verantwortlich dafür ist, dass es in Deutschland eine strukturelle Mehrheit links der Mitte gibt, während wir in Österreich auf Jahrzehnte einer strukturellen Mehrheit rechts der Mitte ausgeliefert sein werden.

Joachim Gauck hat einen „mutig“ genannt, der mit all dem bricht, was Deutschlands politische Landkarte im Guten von Österreichs Landkarte unterscheidet. Der zurecht zurückgetretene Christian Wulff hat sich klarer von Sarazzin und von dessen menschenverachtenden Gen-Theorien abgegrenzt, wie sein präsumtiver Nachfolger. SPD und Grüne sind drauf und dran, mit der undifferenzierten Gauck-Begeisterung Mauern niederzureißen, die das bundesdeutsche politische System so sicher gegen rechtsradikalen Einfluss gemacht haben. Nicht, dass das morgen passieren wird. Aber einen Sarazzin-Relativierer zum Bundespräsidenten machen: No way.

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