der gabi effekt

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Heute hat mich ein Journalist gefragt, was ich so spannend an Wahlen finde. Er schon ein bißchen genervt von der Ochsentour durch Österreich und davon, dass Inhalte so wenig und möglichst laute, wirksame Verknappung eine so große Rolle spielen. Ich hab zwei Antworten darauf: Einerseits, zumindest in der Theorie, dass an Wahltagen die Stunde Null für Herrschaftsverhältnisse schlägt. Ich spür, wenn ich selber wählen darf, tatsächlich so ein Kribbeln an Wahltagen, schau in die Gesichter der anderen Wählenden und freu mich, dass sie und ich für einen Tag die Macht haben. Wahlen stellen die üblichen Verhältnisse – Politik schafft an, Menschen folgen Gesetzen oder protestieren dagegen – für einen Tag auf den Kopf. Und auch wenn die Ergebnisse von Wahlen meistens nicht alles auf den Kopf stellen: Meine Feiertage als Agnostiker sind Wahltage.

beobachten und lernen. Meine zweite Antwort ist, dass es unter der Oberfläche spannende Effekte gibt, die sich beobachten lassen, wenn man nicht in der Zeitung nachliest, sondern selber nachschlägt. Seit Tagen reden alle davon, dass Gabi Burgstaller die Wahlen in Salzburg noch herumreißen könnte. Ich kenne das vom Hörensagen aus der Salzburger Politik – na klar, ein konservatives Land, Jahrzehnte lang ÖVP-dominiert. Und trotzdem dreht die SPÖ Salzburg das Bundesland 2004.

Ich hab nach dem Gabi-Effekt gesucht und ihn gefunden. Seit dem Jahrtausendwechsel hat die SPÖ Salzburg bei Landtagswahlen in einigen Bezirken doppelt so viele Stimmen, wie bei Nationalratswahlen. Das könnte theoretisch daran liegen, dass die SPÖ Salzburg so viel toller ist, wie die Bundes-SPÖ. Ich zeig das am Beispiel des bei allen Wahlen, außer bei Landtagswahlen seit 2004, ÖVP-dominierten Bezirks Salzburg-Land.

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Ich glaube an einen Personalisierungseffekt: Gabi Burgstaller stand 2004 einem von Vorwürfen häuslicher Gewalt geschüttelten ÖVP-Landeshauptmann gegenüber und kämpft heuer zum zweiten Mal gegen den äußerst uncharismatischen Wilfried Haslauer junior. Noch ein zweites Beispiel, damit man nicht sagt, ich hätte den Bezirk Salzburg Land hier gezielt herausgesucht.

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Warum das interessant ist, über die Zahlenspiele hinaus? Weil die Politik immer noch einen großen Teil der Regeln macht, nach denen wir leben (zum Glück!). Weil Politik stark von Personen geprägt ist. Weil die, besonders wenn sie so entscheidend für den Erfolg ihrer Partei sind, wie das bei Gabi Burgstaller offenbar der Fall ist, sehr mächtig werden. Und weil sich in der Zuspitzung eines „horse race“ viele Menschen überreden lassen, eine der beiden großen Parteien zu wählen, damit die jeweils andere große Partei nicht vorne ist. Die Auswirkungen davon, wenn viele Menschen taktisch wählen, sind Demokratie verzerrend.

keine umvolker. Das zu beobachten und zu dokumentieren, fasziniert mich an Wahlen. Das hab ich tatsächlich an der Uni gelernt (ja, das gibt’s wirklich): Die erste größere Studie über die verzerrende Wirkung von „horse race“-Wahlkämpfen haben Sieglinde Rosenberger und Gilg Seeber vorgelegt, bei denen ich studieren durfte. Insofern ist meine Faszination für Wahlen ein bißchen hausgemacht. Aber ich muss, im Gegensatz zum Kollegen, der Anlass dieser Recherche war, auch nicht mit Karl Schnell und anderen Kerlen reden, die mit NS-Begriffen wahlkämpfen.

Ein Gedanke zu „der gabi effekt

  1. Pingback: das ende der bunten hunde | querg'schrieben

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