
Ich hab lange abgewogen, ob ich den Weg aufs Innsbrucker Gemeindeamt antrete und für die Mühlen der Bürokratie eine Stunde investieren soll oder nicht. Geworden sind es 100 Minuten, aber sei’s drum. Sicher war ich mir ja nicht: Wenn Greenpeace dazu aufruft, ein Volksbegehren gegen Atomkraft nicht zu unterschreiben, muss was dahinter sein, hab ich mir gedacht. Und viel Zeit damit verbracht, durch EU-Verträge und Diskussionsforen zu stöbern. Hin und wieder beim parallel lesen juristischer Texte hat mich der Zweifel am Sinn der Recherche gepackt und ich hab mir gedacht, ich geh jetzt einfach, oder ich geh nicht. Aber es waren gut investierte Stunden.
Klar, der Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag ist unrealistisch. Das Desinteresse der Regierung am Thema und der Aufsichtsratssitz des ÖVP-Masterminds Schüssel reichen dafür als Begründung. Schüssel kassiert beim Atom-Energieriesen RWE zwischen 10.000 und 20.000 Euro monatlich für einen Aufsichtsratsposten. Nebst Kanzlerpension und nebst Abgeordneten-Gehalt, versteht sich. Und selbst wenn’s zu einem Parlamentsbeschluss käme: die 40 Millionen Euro im Jahr würd sich die Republik auch nicht sparen, so lange das Euratom-Budget vom Europäischen Rat festgelegt wird und Teil des EU-Gesamtbudgets ist. Und auch daran wird sich nichts ändern.
Aber: das ist ein Volksbegehren gegen Atomkraft. Und gerade weil die Staatsspitze so verlottert ist und die beiden letzten Kanzler der Republik bei einem Atom-Riesen und bei einem Despoten, der neue Atomanlagen baut, cashen, kann man ein Volksbegehren gegen Atomkraft nicht nicht unterschreiben. Jetzt kann man natürlich sagen, jede/r BürgerIn sollte sich bei demokratischen Prozessen verhalten, als wäre er/sie in der Regierungsverantwortung – und folgedessen hätte ich nicht unterschreiben sollen. Dann wär ich aber auch noch nie wählen gegangen. Und das Argument von Greenpeace, das Volksbegehren würde von fragwürdigen Öko-Faschos unterstützt und es diene dazu, von den UVPen in Mohovce und Temelin abzulenken: Ersteres ist mir egal, wenn ich das grundsätzliche Anliegen des Volksbegehrens unterstütze. Und den OrganisatorInnen Zweiteres zu unterstellen, halt ich schlicht und einfach für stumpfsinnig und paranoid.
Ein bißchen so ist es auch bei der zweiten Fliege, die man am Gemeindeamt momentan mit einer Klappe erwischen kann: die Unterstützungserklärung fürs Bildungsvolksbegehren kommt wegen der Bravheit des finalen Antragstextes auch nicht von ganzem Herzen. Aber wer kann angesichts von PISA-Debakel und LehrerInnengewerkschafts-Betoniererei den Luxus leisten, PuristIn zu sein?
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