Ja, wo sind sie jetzt, die Werte? Wo ist das Handeln, von dem vor zwei Monaten die Rede war? Weil er „ein Gegenpol zu politischer, gesellschaftlicher und intellektueller Barbarei“ ist, hat ihn Franz Vranitzky unterstützt. Für eine „offene und tolerante Gesellschaft“ stehe er, hat die verstorbene feministische Ikone Johanna Dohnal gesagt. Weil er ein großer Humanist und Demokrat sei, hat Lifeball-Organisator Gery Keszler den Bundespräsidenten bei seiner Wiederwahl-Kampagne unterstützt.
Jetzt haben wir sie präsent wie fast noch nie, die intellektuelle und gesellschaftliche Barbarei. Sie manifestiert sich in der Abschiebung einer 18-jährigen, die besser oberösterreichisch spricht, als der oberösterreichische Landeshauptmann und besser deutsch, als der Bundeskanzler. Die gesamte politische Elite außer den Grünen hat sich dem Zynismus hingegeben: Faymann will seine schöne Verteilungsdebatte nicht durch ein unpopuläres Thema vermiesen. Die Familienpartei ÖVP steht schon traditionell auf der Seite der Rechten und nicht auf jener der Menschen.
„Jeder Mensch ist gleich an Würde und hat unabhängig von Herkunft, Geschlecht Alter oder sozialem Status den selben Wert. Das ist eine fundamentale Wahrheit, die über den Gesetzen steht“, heißt es in einer von Fischers Werbebroschüren. Die fundamentale Wahrheit ist offenbar eine Tochter der Zeit. Der Bundespräsident, den auch ich als Garant gegen rechts gewählt habe, schweigt zur Zogaj-Abschiebung, im Gegensatz zu seinen Zusagen an die Grünen vor der Wahl. Das ist immer noch besser, als der dümmliche Sermon, mit dem sich seine frühere Partei aus der Affäre ziehen will. Aber von „Mut“, „Werten“ und „Handeln“ keine Spur. Ballhausplatz – wir haben ein Problem!