warum die spö rotiert

Parteien versuchen in Wahlkämpfen immer, ein Alleinstellungsmerkmal herauszuarbeiten. Das ist in einer komplexer werdenden Polit-Landschaft mit immer mehr Parteien schwierig. Die Kanzlerpartei hat eine klare Linie, die sich durch den ganzen Wahlkampf zieht: Wir haben Österreich sicher durch die Krise gebracht. Wir sind die Sicherheitspartei für Arbeit, Pensionen, Bildung, sollen die Ein-Wort-Plakate suggerieren.

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das ende der bunten hunde

Lange haben uns Medien und WahlforscherInnen erklärt, in politischen Krisen profitierten die PopulistInnen, die mit lautem Halali auf Sündenböcke losgehen. Das hat sich zur self fulfilling prophecy entwickelt. Die WählerInnen haben das in den Zeitungen gelesen und geglaubt und dann selber auch Schreihälse gewählt, wenn sie empört genug waren.

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battleground zero

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Mich interessieren als in Tirol erwachsen gewordener politisch denkender Mensch natürlich die dortigen Landtagswahlen am meisten. Trotzdem: Der Battleground Zero ist Salzburg. Dort steht’s im Rennen um die Nummer 1 und damit um den Landeshauptfrausessel Spitz auf Knopf. Tirol kann einen Einfluss auf Salzburg haben. Aber überregional relevant ist Salzburg: Wer im Chiemseehof das größte Zimmer hat, geht heuer mit Rückenwind in die Nationalratswahl im September. Warum?

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verschleierungen

Ich wünsch mir, dass die SPÖ stärkste Partei bei den Nationalratswahlen 2013 wird und die Strache-FPÖ in Schach hält, das sei vorweggeschickt. Es gab bis vor einem Monat eine klitzekleine Chance auf rot-grün, das würd ich gern einmal sehen in dieser Republik. Das heißt aber nicht, dass diesen Zielen alles untergeordnet werden kann. Es gibt keinen Freibrief für die Faymann-SPÖ als Bastion gegen Strache. Erst recht nicht, wenn sie so tut, wie sie tut.

Die SPÖ begibt sich in der Diskussion über den abgewürgten U-Ausschuss in die Opfer-Rolle. Die Kronen-Zeitung macht Faymann die Mauer und Faymann der Krone. Nach dem Sommergespräch schreibt Michael Jeannée in seiner Krone-Kolumne an Armin Wolf: „Montagabend im Altmannsdorfer Gartenhotel-Ring, wo Sie Ihren letzten öffentlich-rechtlichen Fight, vulgo „Sommergespräche“, bestritten haben, haben Sie mich an einen ausgebrannten Boxer am traurigen Ende seiner Karriere gemahnt, und Ihr Gegner Werner Faymann an Muhammad Ali in Hochform“. Krone-Innenpolitik-Chef ist mit Faymann seit Jugendtagen befreundet, wie man präzise wie sonst nirgends in diesem Falter-Porträt nachlesen kann. Das dürfte er auch, würde er nicht Faymanns Mann in der Krone-Redaktion sein. Und natürlich darf die SPÖ auch eine der größten Medienorgeln des Landes für sich nutzen. Aber Tatsache ist: Die Krone wedelt mit der SPÖ, nicht umgekehrt.

Die Entscheidung Faymanns, nicht vor dem U-Ausschuss auszusagen, ist kein Kinkerlitzchen, wie da und dort aus der SPÖ zu hören ist. Es ist die Entscheidung, noch viel mehr als jemals zuvor auf die Krone-Redaktion angewiesen zu sein. Denn dass alle anderen Medien, sei es aus Ärger über die entgangenen Inseraten-Millionen, oder aus ehrlichem journalistischen Ärger, gegen das Abwürgen des U-Ausschusses anschreiben würden, war klar. Jetzt sind Claus und Werner allein zuhaus und Wolfi darf auch noch manchmal mitspielen.

Warum das keine Nebensache ist, wo doch eigentlich ESM, Gletscherschmelze und Wirtschaftskrise die entscheidenden Zukunftsthemen sein sollten? Weil in all diesen Fragen eigentlich die Politik das Primat haben sollte, die richtigen Entscheidungen zu treffen – und an ihrer Spitze der Bundeskanzler. Aber die Entscheidungen über den Kurs der SPÖ und damit der Regierung werden zunehmend in die Muthgasse im 20. Wiener Gemeindebezirk ausgelagert. Und deren Kurs kennen wir ja wirklich zur Genüge.

„wiener lebensart“ und andere schnapsideen

Den „Erhalt der Wiener Lebensart“ will Michl Häupl also schützen, weil das die SPÖ-Mitglieder wollen. Kinder müssen beim Volksschuleintritt deutsch können, weil das die SPÖ-Mitglieder wollen. Und das sind – zumindest laut Wiener ORF, der jetzt nicht gerade der Parteifunk von Strache oder Vassilakou ist – die wichtigsten Schlüsse, die die laut ihrem Bürgermeister größte Stadtpartei der Welt aus der größten Mitgliederbefragung aller Zeiten zieht. Ein großer Wurf, könnte man meinen. Wenn das Heribert Kickl seinem Parteichef Strache vorliest, werden sich die beiden die Hände reiben, wenn sie es dann beide verstanden haben. Denn das Ergebnis der SPÖ-Mitgliederbefragung ist die logische Konsequenz aus dem völlig misslungenen Versuch, das Wachstum der FPÖ mit den Themen der FPÖ zu stoppen. Von ‚agenda cutting‚ oder von Schmied und Schmiedl oder davon, dass Rassismus mehr mit den RassistInnen, als mit seinen Opfern und der Realität zu tun hat, hat man in den roten Rathausbüros wohl noch nie was gehört.

Der „Erhalt der Wiener Lebensart“ ist doch nichts anderes, als der rote Schönsprech für das „Wiener Blut“, mit dem Strache zuletzt für so viel Aufregung gesorgt hat. Wenn schon, ist die lebenswerteste Stadt der Welt unter anderem wegen ihrer vielen Lebensarten (!) so lebenswert. Und wegen deren raschem Wandel und ihrer Vermischung im Laufe der Jahrhunderte. Was wäre Wien ohne den Brunnenmarkt, was ohne die Heurigen im Norden der Stadt, was ohne den zum Glück erhaltenen Rest jüdischer Kultur in der Leopoldstadt, was ohne die böhmischen Powidltaschen, ohne den türkischen Kaffee und ohne die internationale Community, die sich in der Musikszene von Mozart bis ins Flex in allen Klang- und Hautfarben ihren Platz sucht?

„Wien ist für seine Weltoffenheit und für seine Herzlichkeit in der ganzen Welt bekannt“, hat es noch im letzten Wahlkampf immer wieder vom Bürgermeister geheißen. Gleichzeitig hat die SPÖ mit Hilfe ihrer Absoluten AufpasserInnen und Sicherheitsbeauftragte mit allen erdenklichen Warnwesten-Farben in die Öffentlichkeit geschickt und damit nicht für mehr Sicherheit, sondern für mehr Verunsicherung gesorgt. Ich habe schon am Wahlabend 2010 davor gewarnt, dass man in der Euphorie über die Möglichkeit von rot-grün vergisst, der SPÖ klarzumachen, dass sie Strache nicht stoppen kann, indem sie ihn imitiert. Aber genau so und nicht anders versteh ich die neuen lauten Töne gegen MigrantInnen und gegen den Schmelztiegel der Kulturen in der Bundeshauptstadt.

Dass die SPÖ-Mitglieder offenbar ziemlich genau in der Hälfte gespalten sind, was ihren Wunsch nach mehr oder weniger Integrationsarbeit der Stadt betrifft, darf angesichts dessen, was die Parteispitze ihren Mitgliedern seit Jahren erzählt, auch nicht wundern. Die Sozialdemokratie hatte einmal einen Bildungsanspruch – auch ihre eigenen WählerInnen und Mitglieder betreffend. Heute scheint nach dem Mund reden im Mittelpunkt zu stehen. Ich hoff, dass die Koalitionspartnerin und die sonst oft so lauten kritischen Stimmen aus der SPÖ dem Häupl’schen Treiben nach rechts ein Ende bereiten. Rassismus ist nämlich eine verdammt schlechte Strategie gegen Rassismus.

wenn ich werner faymann wäre

Die Verniederösterreichisierung der Volkspartei schreitet voran. Der neue ÖVP-Chef Spindelegger, vorgestern noch „starker Mann“ mit „Generalvollmacht“, wird keine ruhigen Ostern haben: Begehrlichkeiten aus dem ÖVP-Bund, Pöstchen für dieses und Funktiönchen für jenes Bundesland. Wer immer noch glaubt, das Spindelegger auch nur eine Skizze für eine „ÖVP neu“ entwerfen dürfe, kennt die Landeshäuptlinge und die Bündefürsten der Volkspartei schlecht.

Und das angesichts von 22% für die ÖVP in den Umfragen. Angesichts eines historischen Tiefstands, in dem sämtliche ehemaligen Freunderln sich sogar von Ernst Strasser lossagen. Von jenem Strasser, der einst ein Shooting-Star der ÖVP war, wie Spindelegger heute. Gleichzeitig ist überall die Rede von der Reformfähigkeit der Volkspartei, von der Anpassung des Programms an die Lebensrealität der in Ballungszentren lebenden ÖsterreicherInnen, die immer mehr und unter denen die ÖVP-WählerInnen immer weniger werden. In seiner Forderung nach einer programmatischen Neuausrichung hat ja dem heute im Kreuzfeuer stehenden Wirtschaftskammer-Präsidenten niemand widersprochen – nur den neuen schwachen Parteichef darf ja niemand angreifen und damit seine Hintermänner enttarnen.

Also: Wenn ich Werner Faymann wäre, würde ich meine Bildungsministerin bitten, morgen ein neues Ganztags- und Gesamtschulkonzept auf den Tisch und es dann im Parlament zur Abstimmung vorzulegen. Wenn ich Werner Faymann wäre, tät die Verteilungsgerechtigkeits-Kampagne nur so scheppern und es würde Vermögenssteuer-Offensiven und Transparenz-Initiativen nur so regnen angesichts dessen, dass die „Wos woa mei Leistung“-ÖVP jetzt auf einmal über Leistungsgerechtigkeit reden will. Wenn ich Werner Faymann wäre, würd ich eines der gesellschaftspolitischen Themen aufs Tapet bringen, bei dem die Mehrheit der ÖsterreicherInnen längst liberaler ist, als die ÖVP – die Homo-Ehe zum Beispiel. Wenn ich Werner Faymann wäre, würde ich die im Parlament vorhandene Mehrheit für eine Volksabstimmung über die Wehrpflicht mobilisieren.

Lauter Gelgenheiten für die SPÖ, Profil zu zeigen. Lauter Gelgenheiten für Spindelegger, die BlockiererInnen in seiner Partei unter Durck zu setzen und die Reformfähigkeit der ÖVP unter Beweis zu stellen. Ich bin aber nicht Werner Faymann. Und der glaubt immer noch, eine Koalition wäre eine Ehe und nicht auch der Kampf um die relative Mehrheit in diesem Land. Und den sollte man anders führen, als eine Mediation bei einer Ehekrise. Vor allem in Kenntnis der Alternativen.

sind wir nicht alle ein bißchen grasser?

Irgendwann gewöhnen sich die Menschen halt an Sauereien. Irgendwann werden die Sauereien Teil der Normalität. Irgendwann regt man sich nicht mehr über Dinge auf, die 10 Jahre davor noch ein Skandal gewesen wären. Die Vergrasserisierung der Republik hat angefangen, als der ehemalige von der ÖVP berufene Finanzminister noch nicht einmal „Owa bitte, Frau Thurner“ sagen konnte. Sind wir nicht alle ein bißchen Grasser, müssten sich große Teile der politischen Elite dieses Landes fragen. Sie müssten ehrlicherweise mit ja antworten. Und dankbar sein, dass hinter dem System Grasser ihre Verscherbelungen so niedlich aussehen. Ich sage nur Sobotka.

Und jetzt keine Geschichtestunde, sondern ein paar dezente Hinweise zur Erinnerung: Vor fast genau 34 Jahren explodiert das Frachtschiff „Lucona“ vor den Malediven, sechs Besatzungsmitglieder kommen uns Leben. Es handelt sich, wie sich später herausstellen sollte, um einen Versicherungsbetrug, für den das Enfant terrible der Wiener SPÖ-Szene, Udo Proksch, verantwortlich ist. 1989 treten der rote Innenminister Blecha und der rote Nationalratspräsident Gratz wegen der drohenden Aufdeckung ihrer Verstrickungen in einem U-Ausschuss aufflogen, zurück.

1980 fliegt der AKH-Skandal auf. Es geht um Schmiergelder in zweistelliger Millionenhöhe und um massive Protektion der Schuldigen durch die SPÖ Wien. Zu dem Zeitpunkt schon im Visier der Justiz und zehn Jahre später verurteilt: Der schönste Finanzminister der Republik vor Grasser, Hannes Androsch. Er war gleichzeitig oberster Finanzhüter des Landes und Beteiligter an einer großen Steuerberatungskanzlei, die aufgrund millionenschwerer Aufträge staatseigener Unternehmen florierte. Später konnte Androsch Steuerhinterziehung nachgewiesen werden.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sind sie noch heute Sprachrohre der SPÖ. Hannes Androsch spricht zu allen möglichen und unmöglichen Themen als kritisch-solidarische Stimme für die SPÖ – oft genug unwidersprochen. Karl Blecha ist als Chef der SPÖ-PensionistInnen einer der wichtigsten Strippenzieher im roten Reichsviertel. Grasser ist 30 Jahre später gekommen. Aber er ist auch nur die überspitzte postmoderne Karikatur der Männer, die die Moral der SPÖ und damit zum damaligen Zeitpunkt der Republik über Bord geworfen haben. Der erste Spitzenpolitiker vom Typus Grasser – telegen bis zum Umfallen und um keine Inszenierung verlegen, kommt übrigens auch aus der SPÖ: Es ist Bundeskanzler Klima, der mit Boxhandschuhen und mit gelben Gummistiefeln für die Gazetten posierte und damit der Entpolitisierung der Politik in die Hände spielte.

Und dann wundert sich noch jemand, dass man gegen Grasser nicht ankommt? In einem Land, in dem die Menschen seit den späten 70er-Jahren systematisch an Freunderlwirtschaft bis ins Kriminal gewöhnt worden sind? In einem Land, in dem sich die 30 Jahre durchgehend stärkste Partei die Menschen oft genug für zu dumm für ernsthafte Politik gehalten und ihnen statt dessen dümmliche Pseudopolitik vorgesetzt hat? Wenn irgendwer der Vergrasserisierung ernsthaft beikommen will, braucht es eine Transparenzoffensive in der Politik, die sich gewaschen hat. Daran ist zu messen, ob es den Regierungsparteien bei ihrem viel zu sanften Druck auf Grasser nur um Grasser geht, oder um mehr Demokratie und weniger Freunderlwirtschaft.

2011 ist das neue 1963

Es ist ja wirklich zum depressiv werden, denkt man sich die Szenarien bei der nächsten Nationalratswahl durch. Rot-schwarz, schwarz-blau, rot-blau – alle anderen Varianten sind außer Reichweite, wenn nicht eine der Koalitionsparteien über 35% kommt. Ich halte neben der sozialen Schere, die ein notwendiges Produkt kapitalistischer Gesellschaften ist, die Klientelpolitik von Rot und Schwarz für hauptverantwortlich für diese Misere.

Faymann legt sich nicht mit den Gewerkschaften und nicht mit den Überprivilegierten seiner Partei in den Aufsichtsräten und Vorstandsetagen an. Und Pröll hört nicht auf die klugen Stimmen der ehemaligen ÖVP-Spitzen wie Busek und Neisser, sondern auf die millionensubventionierten Bauern und auf die Betonierer in der LehrerInnengewerkschaft. Nein, von einem großen Wurf und einer Ausweitung des jeweiligen WählerInnenpotenzials ist keine Spur vorhanden. Für die einzig relevante Zielgruppe halten beide Chefs der Koalitionsparteien die sogenannten ModernisierungsverliererInnen.

Neu ist das alles nicht: „Kompromisse wurden nur noch als ‚Packelei‘ wahrgenommen, die ‚Versäulung der Politik‘ hatte zu einer entpolitisierten Demokratie geführt, das Instrument der Junktimierung diente der Ämterpatronage und der Versorgung der eigenen Klientel. Die parteipolitische Verfilzung weiter Bereiche der Gesellschaft – Politik, Wirtschaft, Kultur, Medien – diskreditierte die herrschenden Eliten des Landes vollends. Das System der Konsensdemokratie geriet ins Wanken.“ Es geht um die frühen 1960er-Jahre in dieser unfreiwillig aktuellen Passage aus Wolfgang Petritschs jüngst erschienenen Kreisky-Biographie. Und dann, ja dann?

Dann versemmelte die SPÖ 1966 eine Nationalratswahl, weil sie keine klare Linie fand. Und dann fand sie mit einer Öffnung in die richtige Richtung – zu den Intellektuellen, zu den Studierenden, zu denen, die mehr und nicht weniger Demokratie wagen wollten – eine Linie, wurde 1970 stärkste Partei und holte 1971 nach einem Neuwahl-Coup die Absolute. Ich will ja keinem mechanischen Geschichtsbild das Wort oder Kreiskys antisemitische Eskapaden schön reden. Aber eine Scheibe davon – von substanzieller programmatischer Arbeit, von klaren gesellschaftspolitischen Ansagen und von einer Idee, wie Politik über die nächste Legislaturperiode hinaus das Leben der Menschen gestalten kann – könnt sich die 2011er-SPÖ abschneiden. Stichwort Vermögenssteuer, Stichwort Menschenrechte, Stichwort Wehrpflicht, Stichwort Verwaltungsreform. Dann sind auch die 35% möglich, mit denen Rot-Grün in greifbarer Nähe wäre.