steht trump überhaupt am wahlzettel?

Wer da oben bei sich 270 stehen hat, ist US-Präsident*in. Ich habe da unten das beste Szenario für Republicans eingegeben und jene 4 Staaten offen lassen, in denen Democrats Mehrheiten haben, Trump vom Stimmzettel zu streichen.

Sie sehen: da fehlen 2 Stimmen, das ist heiß.

Trump nicht am Stimmzettel, das ist keine virtuelle Debatte. Das Höchstgericht von Colorado, bestehend aus 7 von Democrats nominierten Richter*innen, hat mit 4:3 Stimmen entschieden, dass Trump wegen seiner Beteiligung am Putsch vom 6. Jänner nicht kandidieren dürfe. Würden das auch die drei Staaten oben mit demokratischen Gouveur*innen, demokratischen Innenminister*innen und mehrheitlich demokratischen Höchstrichter*innen tun – es gäbe keinen rechnerisch plausiblen Weg mehr für Trump ins Weiße Haus.

Das Problem ist nur: das US-Höchstgericht wird sich dieser Sache annehmen. Denn der sogenannte US Supreme Court hat das letzte Wort, wenn es um die Auslegung der Verfassung geht. Am Höchstgericht sitzen 6 von Republicans nominierte und 3 von Democrats nominierte Richter*innen.

Das Höchstgericht wird in dieser Sache entscheiden, ob die Begründung, Trump sei ein Putschist, ihn laut Verfassung von der Kandidatur ausschließt. Die Entscheidung gilt dann für alle Staaten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Höchstgericht auf Trumps Seite steht.

Aber gibt es neue Hoffnung für jene, die hoffen, dass Trump nicht mehr zur Wahl steht. Sonderermittler Smith, der gegen Trump wegen des Putschversuchs eingesetzt ist – das einzige laufende Verfahren mit möglichem Amtsverbot bei Verurteilung, kriegt unverhofftes Beweismaterial.

Es liegt ein Telefonmitschnitt aus 2020 vor, laut dem Trump Wahlkommissionsmitglieder in Michigan gedrängt habe, die Wahlergebnisse formal nicht anzuerkennen. Und die Parteichefin der Republicans soll den Kommissionsmitglieder Anwälte für die folgenden Verfahren angeboten haben.

Viele amerikanische Jurist*innen sagen: das ist Textbook Verschwörung zur Verhinderung einer offiziellen Prozedur, ein möglicher Fall für ein Amtsverbot bei Verurteilung. Die Chancen auf eine Verurteilung Trumps wegen Verschwörung steigen dadurch. Und viele Legist*innen sagen: Das wäre dann auch ein Fall für ein Amts- und damit auch Kandidaturverbot. Aber hier gehen die Meinungen auseinander. Und auch dieser Fall – ein Kandidaturverbot für Trump in einem Bundesstaat wegen einer Verteilung als Verschwörer – würde wieder dort landen, wo in den USA alles Strittige final entschieden wird: beim 6:3 republikanischen Höchstgericht.

Also in beiden Fällen, letztlich keine Chance für ein Amtsverbot wegen der Letztzuständigkeit des Höchstgerichts? Es gibt auch Stimmen, die sagen, die Richter*innen sind lebenslang bestellt, die brauchen niemandem mehr einen Gefallen tun und fänden Herausforderin Nikki Haley besser als den Favoriten Trump. Das ist eine spannende These, aber wie real sie ist, das werden wir erste wissen, wenn entschieden ist, ob das Kandidaturverbot in Colorado bleibt.

Long story short: Es war schon einmal gemütlicher für Donald Trump.

die unberechenbare dynamik der Vorwahl

Crunch Time bei den Vorwahlen in den USA. Allgemeine Gesetzmäßigkeiten aufzustellen ist schwierig, weil die Vorwahlen nur alle 4 Jahre auf einer Seite spannend sind. Denn Amtsinhaber*innen haben normal keine ernstzunehmende Gegenkandidatur. Aber eines ist es immer: Ein spannendes, sich über Wochen bis Monate ziehendes Rennen zwischen mehreren Kandidat*innen mit Werbeclips, Kampagnenstopps, großen Reden, Skandalen und viel Polit-Strategie von allen Seiten. Also much ado about the most prestigious job ihn the world.

Obama gegen Hillary Clinton, Bush jun gegen McCain, Biden gegen Sanders und Buttigieg, es gab viele historische Rennen. Dieses Mal also der schwächelnde Biden auf demokratischer Seite gegen nicht ernstzunehmende Gegenkandidat*innen – und Donald Trump gegen alle.

Die Wahlen finden in den meisten Bundesstaaten einzeln an einem Wochentag statt – manche Bundesstaaten sind geblockt, am Super Tuesday wählen sehr viele Staaten am gleichen Tag. Spätestens hier, nach circa zwei Monaten, sind auch spannende Vorwahlen meistens entschieden. Vergeben werden bei diesen einzelnen Vorwahlen Delegiertenstimmen für den großen Parteitag im August, eine mehrtägige Show mit Prominenten und mit Reden, die dem Land den/die mögliche Präsident*in noch einmal von den besten Seiten zeigen (sollen).

Zur Orientierung ein paar Gesetzmäßigkeiten: In Iowa, New Hampshire Nevada und South Carolina, den ersten 4 Staaten, reduziert sich das Feld. Aus einem Dutzend oder mehr Kandidat*innen bleiben nach vier Wahlgängen nur mehr die über, die zumindest ein oder zwei Mal stark waren.

Auch wenn bis dahin delegiertenmäßig nicht viel passiert ist und nur eine einstellige Prozentsaal der Delegierten gewählt worden ist, bist du kein*e Anwärter*in, wenn du in keinem der ersten Staaten stark bis. Oft fangen Kandidat*innen deshalb schon Jahre davor an, den Boden dort zu beackern. Und auch umgekehrt: Wenn jemand plötzlich ohne verdammt guten Grund in Iowa auftaucht, dann ist das meistens ein Signal für präsidiale Ambitionen. Zwischen den Wahlgängen in den ersten Staaten gibt es noch jeweils eine Fernsehdebatte, zu der es natürlich eine Vor- und eine Nachberichterstattung gibt. Mit prominenten Unterstützer*innen, die sich in letzter Sekunde als solche zu erkennen geben, versuchen die Kandidat*innen noch Unentschlossene zu überzeugen.

Das geht bis in die TV-Debatten selbst: Joe Biden selbst hat seine zunächst strauchelnde Kandidatur 2020 nur damit retten können, dass er in der Werbepause der Fernsehdebatte in South Carolina der einflussreichen und von Schwarzen dominierten Demokratischen Partei des Bundesstaates versprach, eine schwarze Frau als Vize zu nominieren. Prompt wiederholte Biden das Versprechen in der zweiten Hälfte der Debatte, gewann South Carolina nach Niederlagen in den ersten drei Staaten hoch, ging mit entsprechend Rückenwind in den sogenannten Super Tuesday und lag dann delegiertenmäßig schon fast uneinholbar vorne.

Sie sehen: Es ist spannend, es ist dynamisch, es ist teilweise unübersichtlich. Nicht nur der Demokrat in mir, sondern auch der Beobachter wünscht sich ein knappes Rennen bei den Republikaner*innen – auch wenn es derzeit leider so aussieht, als könne Donald Trump nur sein Körper am Weg zur Nominierung stoppen.

Ich nehme an dieser Stelle auch gleich die häufigste Frage vorweg, die zu den Vorwahlen kommt: Wenn ein*e Kandidat*in während der Vorwahlen amts- oder kandidaturunfähig wird, dann können sich die Delegierten am Parteitag auch einfach umentscheiden. Sie sind dann frei in ihrer Entscheidung, wen sie im August als Kandidat*in für die Hauptwahl im November nominieren. Das wieder wäre an Spannung kaum zu überbieten.

Weitere Fragen zum Prozess? Her damit. Wer keine Fragen hat: hier gibt’s eine der ganz großen Gänsehaut-Reden von Barack Obama, nachdem er 2008 völlig überraschend die Vorwahlen in Iowa gegen die hoch favorisierte Hillary Clinton geschlagen hat: https://www.youtube.com/watch?v=yqoFwZUp5vc

worauf biden hofft


49% von euch wollen laut einer Abstimmung auf Twitter/X einen Text darüber, warum die Democrats guter Hoffnung sind, dass dieser Mann wieder Präsident wird. Ich freu mich, dass am Blog seit gestern über 20 neue Abonnent*innen mitlesen – bald sind 500 dabei: Herzlich Willkommen!

Joe Biden hat katastrophale Umfragen, er liegt meistens hinter Trump, bei manchen Instituten sogar sehr deutlich. Wird deshalb Trump, der vor mehreren Verurteilungen steht, deshalb im kommenden Herbst wieder Präsident?

Not so fast, sagen die Democrats. Und sie führen folgende Punkte ins Treffen:

* Die Umfragen weisen große Zahlen unentschlossener Wähler*innen aus. Netto dargestellt, steht es 41-40 oder 43-42 für Trump und nicht 51-49. Beide Kandidaten sind also plausiblerweise weit weg von den benötigten ca. 50%.

* Die Gruppen, bei denen Biden am stärksten schwächelt, würden nie in großen Zahlen Trump wählen. Dort hin ist der Weg für die meisten schwarzen Arbeiter*innen einfach zu weit. Die scheinen momentan als Unentschlossene auf und werden zurückkommen, wenn es ernst wird.

* Die Umfragen sind gar nicht in der Lage, eine so komplexe Situation zu erfassen: Zum Einen gibt es mit ausstehenden Verurteilungen Trumps noch viele und dramatische unbekannte Faktoren. Und zum anderen stimmen die Umfragen und die Wahlergebnisse nicht zusammen.

* Denn seitdem Trumps Höchstgericht die landesweite Garantie eine sicheren Schwangerschaftsabbruch in jedem Bundesstaat gekippt hat („Dobbs“-Urteil), gewinnen die Democrats auf niedrigerer Ebene fast alle Wahlen – auch in eigentlich republikanischem Territorium.

Und last not least: Die Abtrünnigen und von Biden enttäuschten, die werden zurückkommen, wenn klar ist, was am Spiel steht. David Frum hat im „Atlantic“ dazu ein Stück geschrieben, das mMn sehr plausibel ist: https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2023/04/gop-republicans-2024-election-biden-trump/673856/

„Biden’s polls are so-so. But a presidential election offers a stark & binary choice: This or that? Biden may fall short of voters’ imagined ideal of a president, but in 2024, voters won’t be comparing the Democrat with that ideal. They will be comparing him with the alternative“

Ich hab vor einem halben Jahr gesagt, Biden ist 90% Favorit auf die Wiederwahl. Ich bleibe dabei: Es kann passieren, dass Trump gewinnt und man muss jeden Tag so agieren, als wäre er der Favorit. Aber er ist es nicht.

erster test für trump

Beide großen Parteien in den USA wählen ihre Präsidentschaftskandidat*innen in einem monatelangen basisdemokratischen Verfahren.

Bundesstaat für Bundestaat wählen nach unterschiedlichen Regeln mehrere Millionen Parteimitglieder und Sympathisant*innen, wer im November ums Weiße Haus kandidiert.

Das wird dieses Jahr voraussichtlich ein bißchen langweiliger als normal: weil beide Kandidaten stehen so gut wie fest. Der Amtsinhaber ist selten ernsthaft gefährdet. Bei der Oppositionspartei gibt‘s üblicherweise lange und spannende Rennen um die Delegierten für den großen Wahlparteitag im August. Aber Donald Trump hat die Republikanische Partei so komplett eingenommen, dass er als kilometethaushoher Favorit ins Rennen geht.

Erster Stop, in gut 4 Wochen: Iowa.

Gut 3 Millionen Menschen leben hier, gerade einmal drei Städte haben über 100.000 Einwohner*innen. Es ist ländlich, bei beiden Parteien dominieren spezifische Flügel diese Vorwahl.

Uns interessieren die Republikaner*innen: hier sind die besonders weit rechts stehenden religiösen Evangelikalen deutlich stärker in Iowas Partei vertreten, als sonst wo: die unausgesprochene Rolle Iowas im Vorwahlprozedere ist deshalb, von den üblicherweise mehreren Religionsfundis den/die stärkste zu wählen und damit ins Rampenlicht zu spielen.

Denn auch darum geht’s bei den Vorwahlen: wenn du nicht in einem der ersten vier Bundesstaaten stark bist, dann kannst du deine Kampagne einstampfen.

Weil dazwischen wird wochenlang über die Sieger*innen von Iowa und dann New Hampshire und über deren Strategien und so weiter berichtet. Wer da nicht vorkommt, an den denken auch die Wähler*innen in den folgenden Bundesstaaten nicht.

Iowas Aufgabe diesmal ist, Donald Trumps Vorsprung zu definieren und die Richtigkeit der Umfragen zu bestätigen oder zu widerlegen, die ihn mit 50% und mehr der republikanischen Vorwahl-Stimmen kilometerweit vorne sehen.

Alles spricht dafür, dass das stimmt. Dahinter dürfte von den verbliebenen sichtbaren 4 weiteren Kandidat*innen niemand aussteigen.

Chris Christie ist nur drin, um Trump durch seine Wortspenden bei Debatten zu verhindern. Das wird er solange man ihn zu Debatten einlädt.

Vivek Ramaswamy ist nur drin, um als nervigste Person aller Zeiten berühmt zu werden. Er wird das solange wie möglich tun.

Und Floridas Rechtsaußen-Gouverneur Ron DeSantis und die nicht viel weniger rechte, aber viel moderater auftretende ehemalige Gouverneurin von South Carolina,

Nikki Haley, die streiten sich um Platz 2.

Und wenn nicht jemand sehr schnell sehr weit hinten liegt, dann werden auch die lange um diesen 2. Platz kämpfen. Er wird nämlich der 1. Platz, wenn Donald Trump tot umfällt oder (was unwahrscheinlicher ist), eine amtsverbietende Verurteilung einfängt.

Was wird uns Iowa also sagen:

Wie weit ist Trump vorne?
Wer ist in der Pole Position als Kronprinz*essin?

Ende.

Und dieses Rennen und diese Fragen, die werden wir auch in den folgenden Wahlen in New Hampshire und so weiter sehen.

Erst nach 2 Monaten, am 5. März, wählen am „Super Tuesday“ erstmals viele Bundesstaaten auf einmal und dann tut sich auch bei der Delegiertenverteilung was.

Das wird alles sehr aufregend, obwohl der Sieger eigentlich so gut wie feststeht.

wie es mit den kurz-filmen war (wahrscheinlich)

Also wissen tun wir‘s natürlich alle nicht. Aber nach einer Stunde, 34 Minuten und 56 Sekunden mit dem Investigativjournalisten Michael Nikbaksh und den Regisseuren der beiden laufenden Kurz-Kinofilme, gewinnt man den Eindruck, es könnte auch so gewesen sein: 

Als der Filmemacher Kurt Langbein – keiner „von uns“, wie Kurz-Leute laut Journalisten Stefan Lassnig Menschen kategorisieren – bei einer Reihe von Kurz-Vertrauten um Interviews für eine Doku über Kurz Aufstieg und Fall anfragt, werden die nervös. 

Langbein hat am Ende über 30 Leute aus Kurz Umfeld gefragt und kein Interview von denen bekommen. Es könnte aber sein, darauf könnten die laut Langbein zuerst einzelnen und dann konzertierten Absagen hinweisen, dass die Nervosität auch zu einer Aktion geführt hat. 

Ein Kurz-kritischer Film in Kinolänge, das kann nicht alleine stehen, könnten sie sich gedacht haben. Sie könnten sich einen freundlich gesinnten Regisseur und einen Produzenten aus den eigenen Reihen gesucht oder auf ein bestehendes Angebot zurückgegriffen haben und geschaut, dass noch vor dem Kurz-kritischen Film in Kinolänge ein Jubelfilm herauskommt. 

Sie hätten alle Kurz-Vertrauten, die Langbein für dessen Doku abgesagt haben, in eine eigene „Doku“ packen und dem geplanten österreichischen Dokumentarfilm ein Werk vor die Nase setzen, das amerikanischer sei, für den gesamten Sprachraum bestimmt und mit einer anderen Dramaturgie ausgestattet, wie der Regisseur sagt. Man könnte einige der eitelsten Figuren der Innenpolitik zu Interviews über Kurz locken und nur ihre harmlosen Passagen bringen, sie aber als Feigenblätter weit hinaushängen. 

Man könnte auch alle a priori schon Kurz-kritischen Leute von vornherein nicht befragen, weil das ja nicht authentisch sei, wie der Regisseur sagt.

Man könnte den Medienforsche Fritz Hausjell, der 1x in der Woche im TV in zwei Sätzen eine Geschichte erklärt, pro forma interviewen, dann herausschneiden und ihn trotzdem als einzigen nicht vorkommenden Interviewten in den Abspann schreiben.

Man könnte den Start der Vermarktung der Kurz-kritischen Doku mit eigener PR crashen, die einen Propagandafilm vermuten lassenden Pressemeldungen dazu nicht mit dem Regisseur gegenchecken und sich den dann öffentlich weinerlich über die Kritik beklagen lassen. 

Man könnte die Finanzierung des Films völlig im Dunklen lassen, dann irgendwelche aus dem Boden gestampfte Agenturen als Impressum angeben. 

Man könnte dann die gesamte türkise und sich schwarz nennende Riege in ein Wiener Innenstadtkino zur Premiere zerren und sich dann trotzdem noch lauter darüber wundern, dass dieses neutrale Porträt, dieses internationale Stück, an dessen Dramaturgie so viel gefeilt wurde, nicht als das wahrgenommen wird, sondern als Propagandafilm. 

Man könnte auch an jener Stelle des Interviews checken, dass der Ratschlag von Nikbaksh, bei der Premiere zumindest keine Selfies mit Kurz zu machen, eher als Tiefschlag denn als Ratschlag gemeint war.

Man könnte schließlich hoffen, dass nach zwei Wochen Kurzmania dank Propagandafilm keine Sau mehr den Langbein-Film sehen will.

Das Problem an all den Konjunktiven ist: wir wissen nicht, ob sie trotz aller Plausibilität stimmen. Und sie gehen jedenfalls nicht auf.

In echt schaut nämlich keine Sau den Propagandafilm an – die Kinosäle sind nachweislich fast leer. Und der Film von Kurt Langbein hat als Rute im Fenster der eitlen Schnöseltruppe schon vor seiner Premiere etwas geschafft, was wahrscheinlich wirksamer sein wird, als der Film selbst. Die Kurz-Truppe könnte, wenn die Konjunktive oben stimmen, auf offener Bühne vorgeführt haben, wie sie arbeitet. 

Kurz Kanzlerschaft war ein intransparentes Geheimprojekt mit fragwürdigen Geldgebern, mit bombastischer Aufmachung, ein PR-Stunt ohne Substanz und ohne Neues, am Schluss ein selbstmitleidiges Opfergejammere, das die meisten Leute nicht mehr interessiert. 

Und sein Propagandafilm ist auch ein intransparentes Geheimprojekt mit fragwürdigen Geldgebern, mit bombastischer Aufmachung, ein PR-Stunt ohne Substanz und ohne Neues, am Schluss ein selbstmitleidiges Opfergejammere, das die meisten Leute nicht mehr interessiert. 

Insofern Chapeau an Kurt Langbein für die Falle und das Vorführen der Truppe am Exempel und an Michael Nikbaksh für die Geduld, den Regisseur des Propagandafilms bei endlos scheinenden und in sich mit jeder Minute noch widersprüchlicheren Antworten, geduldig zuzuhören und interessiert die nächste Frage zu stellen, auf die eine noch widersprüchlichere Antwort folgt. Man will bei dem Gespräch wirklich alle 30 Sekunden reingrätschen, weil die Ausführungen so skurril und absurd sind. Aber dass Nikbaksh es nicht tut, macht ein Zeitdokument daraus. 

Also: hört euch das an. Schaut euch den Langbein-Film an. Und tut weiter alles, damit die Scheinwerfer weiter auf Kurz und seiner Truppe bleiben. 

Passt zur Dunkelkammer: Wo viel Licht ist, ist starker Schatten.

zwei-euro-gurken und kickls kanzlerträume


Zwei Euro kostet die Salatgurke – das war noch nie so. Politisch hat es die FPÖ leider großteils mit Gurkentruppen zu tun. Ich hab in vielen politischen Runden hinter verschlossenen Türen von allen Fraktionen immer wieder gehört, dass das mit der Armut in Österreich ja nicht so sei, die Leute sollen sich halt nicht einen teuren Flachbildschirm kaufen, wenn sie knapp bei Kassa sind und wenn man die Autos von den Ausländern ausschaut, dann kann es mit deren hoher Armutsgefährdung ja auch nicht so weit her sein.

In der Politik verdienen halt oft Leute, die zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren, auf einmal viel mehr als sie jemals am freien Arbeitsmarkt verdienen würden. Da spüren sich leider viele überhaupt nimmer. Aber mehr: es kann ja auch nicht alles gratis sein und was nix kostet, ist nicht wert. Ich hab diese Oberklassen-Sch*** von Roten und Grünen gehört, von Schwarzen und ihren türkisen und pinken Schattierungen sowieso.

Es ist kollektives Bewusstsein der classe politique, die aufgrund der üppigen Ausstattung der Parteien in Österreich auch eine soziale Klasse konstituiert.

Und das ist auch der Grund, warum sowas wie absurd hohe Lebensmittelpreise (oder Immobilienmieten) die allermeisten Menschen aus der classe politique zwar aus der Zeitung kennen, aber nicht aus ihrer Realität.

Das wirkt auch: „Those who are closest to the pain should be closest to the power“, sagt die 🇺🇸-Paradelinke Alexandria Ocasio-Cortez. Not so much in Schnitzelland.

Und wenn dann doch jemand nicht ausgelassen wird bei Fragen nach Lebensmittel- & Mietpreisen, dann wird der freie Markt beschworen. Dabei steht nirgends, dass Energieversorger im öffentlichen Eigentum Gewinne machen müssen. Es steht nirgends, dass Immobiliengesellschaften im öffentlichen Eigentum jedes Jahr positiv abschließen müssen, auch wenn das MieterInnen in den Ruin treibt. Und es steht nirgends, dass die Steuer auf Lebensmittel des Grundbedarfs nicht ausgesetzt werden kann, wenn viele Leute ihren Kindern kein halbwegs gehaltvolles Essen mehr auf den Tisch stellen können.

Aber da ist der Bogen zurück: wenn du nicht glaubst, dass Menschen in Ö am Hungertuch nagen, weil es das in deinem Bezirk, in deiner politischen Klasse und in deinem Freundeskreis nicht gibt, dann bist du zwar ein fester Trottel, aber du wirst auch keinen Handlungsbedarf sehen.

Dabei wird der immer massiver. Schon zu Beginn der Teuerungskrise haben die guten ÖkonomInnen gesagt, das wird ein bißchen dauern, bis es die meisten Leute spüren, aber dann wird’s umso heftiger. Einmal einen Urlaub auslassen, das schaffen auch viele in der Mittelschicht noch. Aber jeden Monat 200, 300, 400 Euro mehr Energiekosten und galoppierende Mieten, das geht sich längerfristig für viele Menschen nicht aus.

Ich stelle zwei individuelle Beobachtungen dazu:

Seit einem halben Jahr nimmt die Zahl der Menschen, die vor und hinter mir im Supermarkt ausschließlich Eigenmarken der Supermarktketten kaufen, stetig zu. Da kann man jetzt auch sagen, naja ist ja nicht schlimm. Aber auch das hat für viele Leute was mit Würde zu tun, ob sie von allem das billigste kaufen müssen, damit es sich ausgeht.

Zweite Beobachtung: eine Bekannte arbeitet mit wohnungslos gewordenen Menschen und sagt, seit ein paar Wochen geht’s in ihrer Beratungsstelle gegen Delogierungen so richtig ab. Und eine Freundin, die zugewanderten Menschen bei der Wohnungssuche behilflich sein soll, sagt, sie können eigentlich zusperren. Es gibt am freien Markt de facto keine Wohnung mehr 50 Kilometer um Innsbruck, die jemandem vermittelt werden könnte, der/die noch in Ausbildung ist oder schlecht verdient.

Man kann sich vor all dem wegducken, ein paar Monate, vielleicht auch zwei, drei Jahre. Aber dass hunderte, dann tausenden, dann zehntausende, dann hunderttausende Menschen nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen, das gefährdet langfristig auch die Demokratie.

Es ist für einen FPÖ-Kickl gegen die Gurkentruppen der politischen Konkurrenz ein Leichtes, viele dieser Leute einzusammeln & ihre berechtigte Wut für sein gefährliches Anliegen zu gewinnen.

Aber es ist nie zu spät: ein Grundrecht auf ein Dach über dem Kopf und auf leistbare Energieversorgung, ein Rechtsanspruch auf ein kostenloses warmes Mittagessen für die Kinder in einer Betreuungseinrichtung, eine staatlich verordnete Höchstmiete pro Quadratmeter, das ist alles möglich. Man muss es nur tun.

biden hat troubles

Nun, das wird schwierig für Joe Biden: an mittlerweile drei verschiedenen Orten, in seinem früheren Think-Tank-Büro, in seiner Garage und in seinem Wohnhaus in Wilmington/Delaware, sind Regierungsdokumente aufgetaucht, die da nicht sein sollten.

Denn es gibt eine strenge Geheimhaltungs- und Dokumentationspflicht für offiziellen Schriftverkehr in höchsten politischen Ämtern in den USA.

Biden sagt, er sei kooperativ – seine eigenen Anwälte hätten beim Aufräumen seines Think-Tank-Büros die Dokumente gefunden, er hätte von Anfang an aktiv mit der Justiz kooperiert und er zieht damit natürlich bewusst einen starken Kontrast zu Donald Trump. Denn auch bei dem sind im vergangenen Sommer in Privatunterkünften geheimzuhaltende und dem Nationalarchiv zur Verfügung zu stellende Dokumente gefunden worden. Allerdings musste bei

Trump das FBI einmarschieren, nachdem dessen Anwälte monatelang die Existenz von Dokumenten geleugnet und die Herausgabe verweigert hatten.

Es gibt also schon einen großen Unterschied in der Form, aus dem sich auch eine vermutlich unterschiedliche inhaltliche Problematik zwischen Trumps und Bidens Regierungsakten ableiten lässt.

Allerdings ist die Optik dennoch dramatisch: es ist unklar, was der Inhalt der Biden-Geheimdokumente ist. Aber es ist klar, was die RepublikanerInnen und der ihnen gewogene Teil der Öffentlichkeit daraus machen wird.

Das seit November knapp unter republikanischer Führung stehende House wird es nicht dabei belassen, die juristischen Untersuchungen dem Justizministerium und dessen Sonderermittler zu überlassen.

Zwar wurde ein von Trump nominierter ehemaliger Staatsanwalt als Sonderermittler eingesetzt, aber der Elfer liegt am Punkt: mit einer raschen politischen Ermittlung durch einen Ausschuss des House gehen alle Diskussionen über das Chaos bei den RepublikanerInnen weg.

Die RepublikanerInnen werden das Thema ausschlachten, ganz egal was wirklich dran und drin ist in den Dokumenten. Ob Joe Biden die eigenen demokratischen Reihen geschlossen und dennoch zur Wiederwahl antreten wird können, das hängt ganz entscheidend von der weiteren Krisenkommunikation und von der Substanz der Dokumente ab.

Ausführlicher könnt ihr das im Podcast des „Kurier“ nachhören, der mich heute dazu interviewt hat:

https://kurier.at/podcasts/daily/neue-geheimakten-was-biden-jetzt-droht/402289463

6. Jänner – dieses Mal von innen

Vor zwei Jahren sind die Abgeordneten um ihr Leben gelaufen, weil der amtierende Präsident einen rechtsradikalen bewaffneten Mob auf das Herz der US-Demokratie gehetzt hat. Das war der 6. Jänner von außen.

Die Rechtsradikalen sind noch da. Der Putsch-Präsident auch. Er kann wieder kandidieren, weil über 90% der republikanischen MandatsträgerInnen ihm trotz Putschversuchs die Treue gehalten und seine Amtsenthebung und dann das lebenslange Amtsverbot abgelehnt haben. Heute sehen wir die Bande wieder in Aktion.

Es ist wieder der 6. Jänner. Dieses Mal von innen.

Na na, das ist ja eine Verharmlosung der Gewalt von vor auf den Tag genau zwei Jahren und jetzt läuft nur ein demokratischer Abstimmungsprozess mal etwas länger, hör ich viele sagen & schreiben.

Aber das eine und das andere, der physische Sturm auf das Kapitol und das Niederreißen aller Spielregeln im Kapitol, das Zerstören der demokratischen Institutionen auf die brachiale Art von außen und auf die strategische Art von innen, sie gehören zusammen.

Ja wozu soll man diesen Kongress noch schützen, wenn da so ein Kasperltheater mit elf Wahlgängen gleichen Ergebnisses über drei Tage abgehalten wird? Brauchen wir die NasenbohrerInnen in Washington eigentlich wirklich? Das fragen sich viele AmerikanerInnen & jene, die statt der Institutionen lieber einen Mann (!) mit starkem Durchgriffsrecht hätten, die lachen sich ins Fäustchen und vielleicht holen sie auch wieder ihre Waffen und ihre Sturmanzüge aus den Kellern.

Der 6. Jänner von außen hat Wunden und viele wachsame BürgerInnen hinterlassen. Der 6. Jänner von innen ist nicht das Ende von etwas, sondern der Anfang. Denn mit dem Außerkraftsetzen fast aller Spielregeln, die ein funktionierendes Parlament arbeitsfähig macht, wird sich ein Republikaner – McCarthy oder Scalise – den formal drittmächtigsten Job in der US-Demokratie sichern.

Aber der Preis ist ein Parlament,
das von winzigen Minderheiten sabotiert und am Arbeiten gehindert werden kann und wird.

Zwei Jahre nach dem 6. Jänner von außen wird der 6. Jänner von innen jetzt für zwei Jahre den Politikbetrieb in Washington stilllegen.

Das ist ein Schaden an der Demokratie, der kaum wieder gut zu machen sein wird.

Nie vergessen: 100.000 Stimmen, weniger als 0,7%, anders verteilt und Trump wäre heute noch Präsident. Und er steht 2024 wieder vor der Tür des Weißen Hauses und will rein.

Ein kaputter Kongress hilft ihm dabei.