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Über paul schuierer-aigner

ich interessiere mich für politik und analysiere strategien und inhalte. mostly us. aber auch österreich.

es müssen sich jetzt alle zusammenreißen

Haarscharf ist Österreich an einem Kanzler vorbeigeschrammt, dessen Partei eine einzige Querverbindung ins extreme Milieu ist und der das Land innen- und außenpolitisch von einer westlichen Demokratie zu einer östlichen Oligarchie machen wollte. Jetzt gibts also doch eine Zusammenarbeit der beiden ehemals staatstragenden Parteien SPÖ und ÖVP. Gut so. Aber jetzt müssen sich wirklich alle zusammenreißen.

Die FPÖ ist in Opposition und sie trägt keine gesetzgebende Verantwortung in Österreich. Und die FPÖ macht zu keinem Thema evidenzbasierte, sinnvolle, den Menschen zugewandte, erprobte und erfolgreich getestete Vorschläge. Man kann sie also mangels gesetzgebender Verantwortung und mangels relevanter Beiträge einfach weitgehend ignorieren. Momentan sehen wir das Gegenteil: Kein Kommentar, keine Analyse, kein Beitrag kommt ohne den Hinweis darauf aus, dass die FPÖ Neuwahlen jedenfalls gewinnen würde und Kickl dann halt beim nächsten Mal Kanzler werden würde und und und. 

Aber niemand kann das wissen. Die Welt ist so schnell, so unberechenbar geworden mit dem Wechsel zu Trump in den USA. Wer weiß, welcher Krieg in einer Woche beginnt und welche Zölle welche Branchen ins Wackeln bringen und wem zugetraut wird, auf noch nicht bekannte spontane Herausforderungen die beste politische Antwort zu geben. Und wer weiß, wieviele mutmaßlich illegale Parteispenden noch bekannt werden und wer dafür hinter Gitter geht. 

Was wir schon wissen: Dinge, die jahrelang kontinuierlich herbeigeschrieben werden, die haben eine höhere Wahrscheinlichkeit zu passieren. Ich finde, die völlig unberechenbare Situation der Welt unter Trump wäre auch ein Anlass, die österreichische Politik immer mit ein bißchen mehr Augenmaß zu betrachten. Wir bekommen eine Bundesregierung, die mit Hilfe von zwei anderen auch nicht ganz kleinen Parteien in Summe deutlich über zwei Drittel der Mandate hat. Das ist eine ganz große Mehrheit. Wenn sich die alle zusammenreißen und sich dessen bewusst sind, was am Spiel steht, wenn das gewachsene demokratische System keine guten Lösungen mehr bringt, dann ist das die beste Voraussetzung für sein Überleben. Und das sollten doch fast alle wollen.

die städte drehen auf

Update 21 Uhr:

Man kann es nicht leugnen: In den Städten, wo Kamala Harris eine hohe Wahlbeteiligung braucht, um zu gewinnen, rennen die Wähler*innen den Wahlbehörden die Bude ein. In einigen Wahlbezirken von Philadelphia/Pennsylvania ist die Wahlbeteiligung von 2020 bereits überschritten und das mittags. Die College-Städte von Michigan berichten ähnliche Rekordwerte. Das ist jedenfalls gut für Kamala Harris.

Ob es in den ländlichen Gegenden ähnlich abgeht, dazu haben wir noch relativ wenig verlässliche Berichte. Das heißt nicht, dass das nicht passiert: Aber es ist angesichts dessen, was in Philadelphia und Detroit passiert, ein absolutes Muss für Donald Trump. Er muss seine sensationellen Wahlbeteiligungs-Quoten am Land von 2020 noch einmal deutlich toppen, um im Rennen zu bleiben.

Ein Bild haben wir jetzt wirklich mit Ausnahme von Florida quer über die ganze Landkarte: Die unabhängig registrierten Wähler*innen sind deutlich mehr als beim letzten Mal. Die Republikaner*innen haben viele ihrer fixen Stimmen schon in der Briefwahl abgegeben.

Nach Nevada, das immer stärker am Kippen in Richtung Harris ist, wird jetzt auch in Arizona der Vorsprung der Republicans aus der Briefwahl wackelig. Auch da gilt: Viele unabhängig registrierte Wähler*innen. Und die sind jünger und weiblicher, als die Durchschnittsbevölkerung. Ihr wisst, was das heißt.

erste trends vier stunden vor wahlschluss

Es ist natürlich viel zu früh, zu sagen, wer heute Nacht gewinnt. Es ist auch noch kein einziger Stimmzettel ausgezählt und das Ergebnis veröffentlicht. Und trotzdem haben wir erste Trends.

Und die wecken Hoffnung bei den Democrats, dass die mutigste ihrer Theorien zur Wahl wirklich passieren könnte. Die Theorie lautet so: Während Trumps Leute ihn irgendwie dann doch satt haben und ihn das ein bißchen was kostet, sind die Jungen und die Frauen wegen des unerträglichen Machismo Trumps und seiner Truppen und nach dem Höchstgerichtsurteil zu Schwangerschaftsabbrüchen so sauer, dass sie seine politische Karriere beenden.

Wir sehen erste Zeichen dafür: Machte die ungewöhnlich hohe Beteiligung republikanisch registrierter Wähler*innen an den Brief- und Frühwahlen vielen auf demokratischer Seite noch Sorge, stellt sich jetzt tatsächlich heraus, dass viele von denen jetzt am Wahltag fehlen. Das kippt die Logik in vielen Bundesstaaten, wo man dachte, die Democrats müssen die Briefwahl gewinnen. Jetzt könnten sie an vielen Orten unerwartet den Wahltag gewinnen.

Der erste Staat, in dem das in einem so großen Ausmaß passiert und wo die Datenlage mittlerweile so dicht ist, dass man ihn eigentlich fast schon für Kamala Harris callen könnte, ist Nevada. Der wird die Wahl wahrscheinlich nicht entscheiden. Aber wenn das Ergebnis dort ein paar Punkte stärker für Harris ist als angenommen und wir ähnliche Wahltags-Trends auch anderswo sehen – dann könnte das passieren, was ich die letzten Tage bereits vermutet und beschrieben habe.

Könnte ist Konjunktiv: Wir haben noch keinen einzigen gezählten Stimmzettel. Aber wir haben Hinweise darauf, was dann passieren könnte.

Nächstes Update um 21 Uhr.

not going back

So, Zeit für die Kristallkugel. Die Trends der letzten Tage, sowohl die Zweifel an der Umfragen-Orthodoxie mit lauter Unentschieden überall, als auch die Statistiken der Früh- und Briefwähler*innen und das Ground Game der Kandidat*innen sagen mir: Kamala Harris gewinnt diese Wahl.

Der Enthusiasmus ist auf der Seite der Demokrat*innen, es gibt eine nie dagewesene Anzahl an Republikaner*innen, die Werbung für die demokratische Kandidatin machen. Trump ist noch durchgeknallter als je zuvor. Junge und Frauen gehen in einer Anzahl wählen, die von den meisten Umfragen wohl unterschätzt wurde: Das haben inzwischen schon mehrere Institute und Studienleiter (nur Männer) zugegeben. Trump war in den Umfragen überschätzt, weil niemand die Zahlen glauben konnte, die ihn deutlich hinter Kamala Harris sahen – so die These, die in den letzten Tagen rasch Tempo aufnahm und für die es immer mehr Belege gibt.

Wenn Harris heute Nacht die erste weibliche Präsidentin der USA wird – etwas, was sie als eine der Lehren aus Hillary Clintons Niederlage übrigens nie aktiv bedient und erzählt hat – dann wissen wir das zwischen 3 und 5 Uhr. Es kann aber gut sein, dass es länger dauert, obwohl die Wahl relativ deutlich ausgeht: Weil in manchen Bundesstaaten sehr langsam ausgezählt wird. Und es kann sein, ich halte die Gefahr mit 10% für relativ gering, dass Donald Trump doch gewinnt. Dann wird das aber knapp sein und lange dauern.

Wir haben einen Wahlkampf gesehen, in dem Harris am Tiefpunkt der Zustimmung zum demokratischen Ticket übernahm – Biden war in den Süd- und Südweststaaten aussichtslos hinten und hatte mit der sogenannten „Blue Wall“ noch genau eine einzige Option auf einen Wahlsieg. Aber auch der bröckelte unter seinem sichtbar werdenden kongnitiven Verfall.

Der andere mit sichtbarem kognitiven Verfall, bekam mit Kamala Harris eine abseits der demokratischen Kernwähler*innenschaft nicht ganz leicht zu verkaufende Kandidatin. Dass das gelungen ist, das hat sich Harris mit einer extrem disziplinierten und effektiven Kampagne selber zu verdanken. Am Ende hat sie nicht nur einen, sondern mehrere rechnerische Wege zu gewinnen – in der letzten großen Umfrage der New York Times sogar bei Verlust von zwei von drei „Blue Wall“-States über Siege im gesamten Süden.

Ich weiß, was Sie sich jetzt denken: „Aber Hillary“. Ich halte dagegen: Das ist nicht vergleichbar. Die Umfrageleute wissen inzwischen, dass sie Trump nicht unterschätzen dürfen – viele haben ihn sogar höher gerechnet, weil sie seine schwachen Ergebnisse nicht glauben konnten. Harris ist im Gegensatz zu Hillary Clinton, die gleich unbeliebt wie Trump war, im neutralen Bereich mit gleich viel Zustimmung wie Ablehnung – in einem polarisierten Staat das Meiste, was du dir erwarten kannst. Und Clinton hatte mit E-Mail-Gate eine Katastrophe in den letzten zwei Wahlkampfwochen. Die hatte dieses Mal Trump.

Da schließe ich mit dem, wo ich am meisten weiß: Bei der Präzision von Umfragen. Es dauert 7-10 Tage, bis ein aktuelles Ereignis Umfragen massiv zu verändern vermag. Deswegen ist das letzte Desaster von Trump mit der Beschimpfung von Puerto Ricaner*innen, von denen es viele in Swing States gibt, noch gar nicht drin in den Umfragen. Dagegen gibt es in allen Umfragen in den letzten Tagen, auch in den immer noch schlechten für Harris, einen Trend zu ihr. Und wir wissen, die Linie muss man weiterziehen, wenn man das Wahlergebnis wissen will.

The Trend is her Friend. Kamala Harris wird gewinnen.

Wer die Wahlnacht live mit mir verfolgen will: Auf X, vormals Twitter, berichte ich laufend als @pablodiabolo – auch in der Wahlnacht. Und wenn X zugedreht werden sollte, dann gibt es stündliche Updates am Blog.

ein horrortag für donald trump

Donald Trump ist ja schlechte Tage gewöhnt, besonders in letzter Zeit. Aber diesen Samstag wird er so schnell nicht vergessen. Zuerst ist er so abgedreht bei einer Rallye auf der Bühne, dass er Oralsex am Mikrofon simuliert. Das finden ein paar Leute lustig, aber sogar das eigene MAGA-Publikum vor Ort findet das eher nicht so präsidentiell.

Dann kommt im „Atlantic“ eine detaillierte Story darüber heraus, welche Kämpfe in seinem Wahlkampfteam stattfinden – mit einer vor lauter Dichte nicht in Kürze nacherzählbaren verrückten Streitereien zwischen einem ehemaligen Pressesprecher, seinen eigentlichen Kampagnenleiter*innen, ein paar unguided MAGA-Incels und einer antisemtischen Influencerin, die zuerst einen Fixplatz in Trumps Flugzeug hat, aber ihm dann wohl zu nahe kommt, was sein Team auch nicht so gut findet.

Die ausführliche Story selbst ist, auch wenn man nach 8 Jahren mit Trump in der Politik abgehärtet ist, ein solches Stakkato an Unprofessionalität, Niederträchtigkeit und absolutem Chaos, dass ihre Publikation sicher Schaden für Trump anrichtet. Aber die viel spannendere Frage ist: Wer gibt einem linken Medium eine Woche vor der Wahl all diese Infos inklusive detaillierte Gesprächsprotokolle des innersten Kreises? Es muss jemand aus Trumps Nähe sein. Desaströs.

Und als wäre das alles noch nicht genug, kommt am Abend die lange erwartete Umfrage des besten Institut des Landes – jenes von Ann Selzer in Iowa. Selzer hat den besten Track Record sämtlicher amerikanischer Umfrageinstitute und hat immer wieder völlig gegen den Mainstream der anderen Institute, sensationelle Ergebnisse korrekt vorhergesagt. Darunter mittelbar auch den Trump-Sieg 2016. Und dieser Gold Standard aller amerikanischen Umfragen, hat Kamala Harris in einem verlässlich roten Bundesstaat, den Trump zuletzt mit 8% Vorsprung gewonnen hat, 3% vorne. Ein 11-Punkte-Swing zu Gunsten von Harris seit 2020. Wenn man das auch nur annähernd über die restliche Landkarte drüber legt, ist man bei 58-42 US-weit und einem demokratischen Erdrutschsieg für Weißes Haus und beide Häuser des Kongresses (not gonna happen!)

Aber selbst wenn die Umfrage-Queen ein paar Prozent daneben liegen sollte und selbst wenn das in Trumps Richtung wäre, sagen wir Harris verliert Iowa doch mit -3% statt dass sie mit +3% gewinnt: Dann ist sie immer noch 5% stärker als Biden 2020. Und übertragen auf den Rest des Landes wäre das immer noch ein Erdrutschsieg für Harris.

Das spannende ist: Die Daten kommen so überraschend, aber nicht aus dem Nichts. Wir hatten bereits Hinweise darauf, dass vor allem bei weißen Frauen, die Iowa in der Umfrage zu Harris Gunsten drehen, viel mehr Bewegung drin ist als die meisten US-weiten Umfragen zeigen. Es war sogar anhand der Annahmen über die Zusammensetzung der Wähler*innenschaft sichtbar, dass einigen Institute Trump hochgerechnet haben, weil sie sich wohl für einem ähnlichen Umfragefehler wie 2016 und 2020 fürchten.

Aber jetzt ist mit dieser Umfrage, mit zwei weiteren mit ähnlichen Trends aus der Gegend (Ohio und Kansas) klar, dass Kamala Harris die Favoritin für die Wahl ist. Es sei denn, Ann Selzer, die seit 20 Jahren beste Umfragerin des Landes, täuscht sich nicht um 5%, was kaum vorkommt, sondern um 10%. Aber dafür sind die demographischen Breakdowns ihrer Umfrage eigentlich zu logisch und zu konsistent mit dem, was wir hinter den Überschriften in vielen anderen Umfragen der letzten Tage beobachten konnten.

Das könnte der Tag sein, an dem das Momentum endgültig in Richtung Harris kippt, weil das bereit seit Wochen vorhandene Momentum jetzt nicht mehr wegzurechnen und wegzureden ist. Ich habe bisher seit Monaten gesagt, Harris ist 80%-Favoritin. Mit Ann Selzer im Rücken und dem sonstigen peinlichen Schauspiel Trumps, erhöhe ich auf 90%. Mindestens.

fünf tage hoffnung

Kamala Harris hat 75.000 Menschen an dem Ort versammelt, wo Trump 20.000 auf den Kongress gehetzt hat: Direkt auf die Fläche zwischen den großen Institutionen der amerikanischen Demokratie, Kapitol hier, Weißes Haus dort, Höchstgericht hüben, Lincoln Memorial drüben. Wer einmal dort war, weiß: Das ist ein besonderer Ort, da ist immer irgendwas in der Luft.

Das örtliche Machtzentrum der Vereinigten Staaten der USA, beliebtes Film- und Serienmotiv, gehasst in weiten Teilen des Landes als korrupter Sumpf, wo sich Lobbyist*innen und Politiker*innen tummeln und sich gegenseitig das Kinn kraulen und das Geld nachschmeißen.

Dort also ist Kamala Harris: Sie will Trump herausfordern, indem sie ein Vielfaches seines Publikums vom 6. Jänner 2021 dort hinbringt. Und sie will ihn natürlich auch zum Reagieren zwingen. Drei Dinge schaden Trump im Wahlfinale: Der Putschversuch vom 6. Jänner. Seine furchtbare Persönlichkeit, die darin zum Ausdruck kommt. Und die Bedrohung der Freiheit durch ihn und seine Gefolgsleute. Darüber soll geredet werden: Und das geht am besten mit einem Mega-Event an dem Ort, von wo der Putschversuch seinen Ausgang nahm.

Kamala Harris braucht jede Stimme, auch wenn sie heute wieder etwas Rückenwind bekommt: Die ersten Briefwahl-Statistiken beginnen zu drehen, weil jetzt auch vermehrt in jenen Staaten, wo sie hinten liegt, mehr Wahlkarten von Demokrat*innen ankommen. Und die allerletzten Umfragen haben neben vielen 50/50s doch auch ein paar gute Zahlen für Harris. Am stärksten: CNN hat für das knappe Rennen enorme Abstände in zwei der drei Bundesstaaten der Blue Wall, Wisconsin und Michigan: 5 und 6% Vorsprung soll Harris dort haben.

Kippt das Unentschieden in Pennsylvania in der gleichen Umfrage zu Harris, dann ist sie Präsidentin. Denn das einzige Puzzleteil, das dann noch auf 270 Stimmen fehlt, ist der 2. Kongressbezirk von Nebraska – und da führt sie noch deutlicher. Dann könnte sich auch kein republikanischer Gouverneur mehr mit einer Verzögerungstaktik zwischen Harris und die 270 werfen: Denn alle drei Staaten der Blue Wall haben mit Tony Evers, Gretchen Whitmer und Josh Shapiro demokratische Gouverneur*innen.

Tricksen und Schmutzen werden die Republicans trotzdem, den Supreme Court verwenden, Aufruhr auf der Straße zu erzeugen versuchen. Aber wenn die Blue Wall hält und Nebraska-02, dann ist das die sicherste Variante für Harris. Sie scheint greifbar.

Fix ist das natürlich überhaupt nicht, auch wenn sich heute nach George W. Bushs Tochter noch Arnold Schwarzenegger in die Reihe der republikanischen Wahlempfehlungen für Harris eingereiht hat. Ich hab die Chancen wegen der Fundamentals, der eigentlich guten Themenlage für Democrats wegen Trumps katastrophalem Höchstgericht und dessen Entscheidungen und wegen seiner immer faschistoideren Persönlichkeit, immer für 80:20 Harris gehalten. Ich glaube das immer noch – heute vielleicht noch ein Stück besser begründbar als gestern.

Aber das kann – so ehrlich muss man auch sein – morgen schon wieder anders sein.

eine woche noch

Kamala Harris holt sich Hilfe von den Obamas – hier mit Michelle Obama bei einem Auftritt in Michigan

In einer Woche startet der letzte Wahlakt der Wahlen in den USA, bei denen vor allem die Person gewählt wird, die ins Weiße Haus einzieht. Daneben stehen aber auch die Kontrolle der beiden starken Kammern des US-Kongress, der Senat und das House, zur Wahl. 

60 Tage lang wird schon gewählt – und wir wissen dank eines sehr transparenten Systems recht genau, wer fleißig wählt und wer weniger – und können daraus in der Zusammenschau der Daten aus vielen Staaten auch einige Schlüsse ziehen. 

Zu diesem Zeitpunkt sagen diese Daten mehr als die Umfragen. Aber auch dazu ein paar Worte: Die Umfrageinstitute sind sehr darum bemüht, dass niemand zu weit aus der Reihe tanzt – auch wenn sie sehr unterschiedliche Rohdaten haben. 

Aber dann kommt der entscheidende Part. Dann wird geschätzt, wie viele aus welcher Gruppe auch wirklich hingehen. Dabei gehen die meisten Institute von einem älteren und weißeren Elektorat aus als bei den letzten Wahlen. Täten sie das nicht, läge Kamala Harris weiter vorne als die 1 bis 4%, die ihr momentan von den unabhängigen Instituten gegeben werden.

Die bereits retournierten Wahlkarten ließen zunächst die Republicans jubeln, denn von republikanisch registrierten Wähler*innen kamen deutlich mehr Wahlkarten zurück als von Democrats und Unabhängigen. Inzwischen wissen wir, das sind vor allem Menschen, die bisher am Wahltag gewählt haben und deren Stimmen jetzt am Wahltag „fehlen“.

Die Democrats sagen jetzt: Die Jungen und die Schwarzen kommen schon noch in der verbleibenden Woche und am Wahltag und die werden das Ruder herumreißen. Ich würde das aufgrund der Zusammenschau von den verwendbaren Teilen von Umfragen und den demographischen Daten der Briefwahl auch so sehen. 

Viel mehr Details dazu gibt’s im Stundentakt auf Twitter. Mein Tipp bleibt, auch weil Trump gestern mit einer faschistoid anmutenden Rally im New Yorker Madison Square Garden noch einmal Hispanics vor den Kopf gestoßen hat, dass das am Ende ein Sieg für Harris wird. 80:20 würd ich sagen.

Schauen wir.

lasst euch nicht von umfragen narren

Kamala Harris mit Republikanerin LIz Cheney in Michigan auf der Jagd nach republikanischen Stimmen

Eine gezielte Kampagne republikanischer Umfrageinstitute hat es geschafft: Es ist der Eindruck entstanden, Trump sei jetzt doch wieder der Favorit in 14 Tagen ums Weiße Haus. Die öffentlichen, unabhängigen Umfragen geben das nicht her: Da führt Kamala Harris nach wie vor, mit 2-4%. Das kann unter besonders unglücklichen Umständen wegen des Wahlsystems zu wenig sein. Aber in den meisten Fällen gewinnt sie mit 2-4% Vorsprung auch das entscheidende Wahlleutekollegium. Aber die Republicans wollen den Eindruck erzeugen, Trump sei vorne. Denn das macht die ebenfalls schon beginnenden Behauptungen von Wahlbetrug glaubwürdiger, sollte am Ende, wovon ich ausgehe, Kamala Harris gewinnen.

Umfragen sind ohnehin nicht mehr das Instrument der Wahl, wenn man heute Annäherungen an das Wahlergebnis wagt. Hilfreicher sind da zwei andere Dinge: die demographischen Daten und Parteizugehörigkeiten jener, die bereits gewählt haben. Und das Verhalten der Kampagnen.

Ich fang mit den Daten an: In manchen Bundesstaaten sind aufgrund eines guten Brief- und Frühwahlsystems bereits 1/5 bis 1/4 der Stimmen abgegeben und bei den Wahlbehörden angekommen. Kein einziger Stimmzettel wird vor der Wahl geöffnet. Aber je nachdem, welche Daten über seine Wähler*innen ein Bundesstaat sammelt, wissen wir etwas über die Anzahl der parteiregistrierten Wähler*innen, das Alter oder auch die ethnische Zugehörigkeit jener, die bereits gewählt haben. Und wenn man das mit den gleichen Daten von vor vier und acht Jahren vergleicht, lassen sich Trends herauslesen.

Zwei Beispiele: In Nevada, dem Wüstenstaat um Las Vegas, sind Republicans stärker als gewohnt bei den Brief- und Frühwähler*innen. Also genauer: es haben bisher mehr republikanisch registrierte Wähler*innen gewählt als demokratisch Registrierte. Das ist ungewöhnlich und kann ein Hinweis darauf sein, dass sie jedenfalls dort, vielleicht auch anderswo stark sind. Aber: Es gibt in Nevada auch mehr unabhängige Wähler*innen als je zuvor – und die sind erfahrungsgemäß jünger, weiblicher und mehr Latinx als die Durchschnittsbevölkerung. Die wählen also normalerweise mehrheitlich demokratisch. Und wenn von denen viel mehr als zuletzt hingehen, können sie eine höhere republikanische Führung bei den parteieegistrierten Wähler*innen ausgleichen.

Oder Georgia: dort hat Biden 2020 um nur 11.000 Stimmen gewonnen. 14 Tage vor der Wahl waren damals 27% der abgegebenen Stimmen von Schwarzen und 55% von Frauen. Dieses Jahr sind 14 Tage vor der Wahl 27% von Schwarzen und 55% von Frauen. Ein starker Indikator dafür, dass auch das Wahlergebnis als Ganzes wieder ähnlich sein wird.

Zweiter Indikator: das Verhalten der Kampagnen. Wo wer wann hingeht, das ist genau geplant und sagt oft mehr über die reale Situation der Datenlage als alle Umfragen. Denn die besten Daten haben üblicherweise die Kampagnen selbst. Und da fällt, verhaltensmäßig, vor allem eines auf: Beide Kampagnen haben einen stärksten der 7 Swing States, einen in dem sie am ehesten gewinnen. Bei Trump ist das North Carolina, der einzige der 7, den er 2020 gewonnen hat. Bei Harris ist das Michigan, der nominell linkeste der drei Staaten der früheren Blue Wall im Nordosten. Zwei Wochen vor der Wahl bist du nur mehr in Staaten unterwegs, die nach deiner Einschätzung knapp sind, wo es um jede Stimme geht. Trump ist seit Tagen in North Carolina. In seinem stärksten Staat ist es also sauknapp. Harris war gestern in Michigan. In ihrem stärksten Staat ist es also sauknapp. Heißt: insgesamt ist es sauknapp. 

Ich sehe Harris nach wie vor als Favoritin, weil sie dieses Mal meiner Einschätzung nach bei den unabhängigen Wähler*innen stärker sein wird als Biden. Aber wer sagt, das Rennen ist vorbei, hat etwas ganz Grundlegendes nicht verstanden. Oder will die Leute pflanzen.