die hidden agenda der leitartiklerInnen

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Kein Text zu Sinn oder Unsinn von Wehrpflicht oder Berufsheer, versprochen. Aber wenn Anneliese Rohrer, die KPÖ und das BZÖ einmal der gleichen Meinung sind, dann muss man da genauer hinschauen. Die wollen einen Boykott der Volksbefragung am kommenden Sonntag. Ich verstehe überzeugte PazifistInnen, die keine der beiden Optionen für in ihrem Sinn halten und kein kleineres Übel sehen (warum ich kein Pazifist bin). Aber ich höre seit Wochen, die Regierung müsse sich das schon untereinander ausmachen. Es sei ein Zeichen von Schwäche, dass sich rot und schwarz nicht einigen können.

Quelle surprise. Ich halte dieses trommelnde Lamento über die Volksbefragung für fadenscheinig. Es bringt die direkte Demokratie wesentlich mehr in Misskredit, als es die Befragung selbst macht. In der österreichischen Realverfassung gibt es mit Ausnahme von Änderungen an Bauprinzipien der Bundesverfassung schlicht nur dann direktdemokratische Elemente, wenn sich eine Regierung in Sachfragen nicht einig ist. Dann organisieren Parteien Kampagnen für ihre Position. Einerseits wegen ihrer bevorzugten Lösung, andererseits wegen des politischen Oberwassers. Das ist das Wesen einer repräsentativen Demokratie mit direktdemokratischen Elementen. War 1978 bei Zwentendorf nicht anders und 1994 beim EU-Beitritt auch nicht. Parteien haben die Aufgabe, verschiedene gesellschaftliche Interessen abzubilden, diese möglichst effektiv zu vertreten und Werbung für ihre Positionen zu machen. Das machen SPÖ und ÖVP jetzt. Quelle surprise. Mündige BürgerInnen brauchen keine vorgekauten Leitkommentare, um ihre richtigen Schlüsse aus dem zu ziehen, was die letzten Wochen gebracht haben.

Für dumm verkauft? Ich finde, es ist eine weitreichende Entscheidung, die die ÖsterreicherInnen kommenden Sonntag treffen können. Sie können es auf Grundlage einer enormen Anzahl an Informationen tun. Seit Mitte Oktober reihen sich unzählige ZIB-Auftritte an TV-Diskussionen, Info-Doppelseiten an Factboxen und an Leitartikel. Das Richtige vom Falschen und kollektive Interessen von eigenen zu unterscheiden, verlangt die repräsentative Demokratie auch bei Wahlen von den BürgerInnen – nur dass die Nebelgranaten aufgrund der Themenbreite von Wachteleier-Koalitionen bis zu Flat Taxes dort noch viel breiter ist. Dagegen liegt im Fall der Volksbefragung kommenden Sonntag die Frage glasklar auf dem Tisch. Die Informationen zu den beiden Modellen sind, soweit sie verfügbar waren, zigfach verbreitet worden. Wer findet, dass die BürgerInnen zu blöd sind oder die Frage zu kompliziert, um von LaiInnen entschieden zu werden, soll das sagen oder schreiben und sich nicht hinter Parteien-Bashing verstecken.

(Anm.: Kollege Yussi Pick hat mir mich auf Facebook gefragt, ob ich eine eigene ‚hidden agenda‘ unterstellt hab, weil mein Arbeitgeber Geld von einem politischen Player der Volksbefragung bekommt. Ich betone deshalb: Mit meiner Wahrnehmung dieser Volksbefragung, der politischen Vorgänge im Umfeld und meiner hier im privaten Blog geäußerten Meinung hat mein Arbeitgeber nichts zu tun. Yussi Pick ist übrigens Managing Partner der Agentur Pick&Barth, die digitale Strategien verkauft.)

6 Gedanken zu „die hidden agenda der leitartiklerInnen

  1. Ich finde keine „enorme Anzahl an Informationen“, sondern parteipolitisches Gemurkse, wenn die Damen und Herren ihre Kommentare abgeben.
    Ich finde zwei Parteien, die, auf wessen Befehl auch immer, jeweils Kehrtwendungen gemacht haben.
    Ich finde keine Hinweise auf die Kosten – die Angaben der einen und der anderen Partei nehme ich nicht ernst, sonst könnte ich auch glauben, der Berliner Flughafen ist bereits in Betrieb oder Erwin Pröll weiß nichts davon, dass mit Wohnbaugeldern spekuliert wird.
    Ich finde keinen Hinweis darauf, wie denn künftige BerufsoldatInnen auf ihre Demokratiefähigkeit überprüft werden.
    Ich finde keine Hinweise darauf, dass die Rettung erst eine Stunde nach einem Unfall mit mir als Schwerverletzten eintrifft.
    Ich finde, kurz zusammgefasst, keine sachlichen Hinweise, die es mir erlauben können, zu diesem Thema eine fundierte Meinung abzugeben.
    Ich erkenne bloß, dass die BefürworterInnen des (verpflichtenden) Bundesheeres nicht für eine Gleichberechtigung der Frauen sind, weil diese nicht eingezogen werden sollen. Es reicht anscheinend die Zwangsarbeit für Männer.
    Ich erkenne bloß, dass die Befürworter eines Berufsheeres vor kurzem noch zu ihren Gegnern zählten. Was mein Vertrauen in ihre Überzeugungskraft nicht gerade steigert.

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