Knalleffekt im republikanischen Rennen um die US-Präsidentschaftskandidatur der Partei, die seit sieben Jahren vehemente Opposition gegen Barack Obamas Democrats macht. Im Frühsommer galt er noch als Favorit, jetzt ist er raus: Der mit Chris Christie prominenteste Kandidat, der sich seit Jahren auf demokratischem Terrain hält und dem breite Anziehungskraft von der politischen Mitte bis weit nach rechts in die Tea Party attestiert wurde. Wisconsin ist demokratisches Homeland – seit 22 Jahren hat hier noch jeder demokratische Präsidentschaftskandidat gewonnen. Aber Walker hat als Gouverneur nach vehementen Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaft in Wisconsin ein Abwahlverfahren überstanden und ist dann noch einmal als Gouverneur wiedergewählt worden. Umso überraschender ist sein heute von mehreren Medien berichteter Ausstieg aus dem Rennen um die Präsidentschaftskandidatur für seine Partei.
Aber was ist passiert? Walker ist regelrecht implodiert. Seine Umfragewerte wanderten in den letzten Wochen vom Kampf um die Zweistelligkeit in Richtung den Kampf darum, überhaupt genannt zu werden. Als nach dem nationalen Sinkflug auch im ersten Vorwahl-Staat Iowa, den der „neighboring governor“ auf jeden Fall gewinnen wollte, sein Stern Mitte Juli zu sinken begann, war das Ende absehbar. Und das Böse ist: Wer noch nicht vom Fleck kommt in den Umfragen, kann immer noch auf einen tollen Moment oder auf zu geringe Bekanntheit oder auf eine tolle Debatte hoffen. Aber wenn du einmal 25% in Iowa hattest und dann bei 3% landest, hattest du deine Chance. Der nominell gemeinsam mit den ‚Floridians‘ Jeb Bush und Marco Rubio aussichtsreichste Kandidat auf das Weiße Haus ist also raus. Und jetzt wird’s ernst.
Denn auch Donald Trump hat seinen Zenit überschritten, wie ich schon hier gemutmaßt habe. Same story: Wenn du bei 99% Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung schon 30% hattest, ist der Weg in Richtung 20%, der sich nach der letzten CNN-Debatte aller KandidatInnen abzeichnet, die falsche Richtung. Die einzige Frau im Rennen hat den Parademacho sehenswert auflaufen lassen und das Interesse an Trump scheint gestillt. Nach den Attacken von allen Seiten kommt die Höchststrafe für den noch führenden Kandidaten: Das Desinteresse an ihm wird steigen, das Interesse an den anderen aussichtsreichen BewerberInnen steigen. Und die sind für die radikalisierte GOP-Basis nicht weniger interessant. Inhaltlich sind die momentane Nummer 2 und 3, Hewlett-Packard-Ex-CEO Carly Fiorina oder der ehemalige Kinderarzt Ben Carson ebenso radikal wie Trump, was etwa die Abschiebung von 11 Mio. illegalisierter Hispanics oder das Ende der diplomatischen Beziehungen mit Russland und China betrifft. Und dann gibt’s da noch die immer noch zahlreich vorhandenen Moderaten in der GOP, die auch eine Chance aufs Weiße Haus haben wollen.
Vor einem Jahr hab ich sieben Kandidaten vorgestellt, die ich damals für relevant hielt: Establishmentfavorit Bush, Jungstar Rubio, Schwergewicht Christie, Romney-Runningmate Ryan, Fernsehprediger Huckabee, Christenfundi Santorum und Rechtsaußen Palin. Die letzten drei sind mehr oder weniger aus dem Rennen, weil sich Trump und Carson um ihre WählerInnen matchen. Ryan wartet wohl auf 2020. Aber die ersten drei sind nach deren starken Auftritten gemeinsam mit Carly Fiorina nach wie vor meine heißesten Eisen im Feuer. Das gilt für Christie mit einer Einschränkung: Er soll wegen seiner noch nicht bekannten Leichen im Keller (über „Bridgegate“ hinaus) von der potenziellen Vizepräsidentenliste von Mitt Romney geflogen sein. Ob da noch mehr ruht, wissen wir spätestens, wenn sich seine momentan schwachen Umfrage-Werte aufgrund seiner starken Debattenperformances steigern werden. Also wenn ich jetzt tippen müsste: Nach einigen Vorwahlen werden Bush, Rubio, Fiorina, möglicherweise Christie und jedenfalls ein/e ZählkandidatIn aus den Reihen der Fundis Trump, Carson, Ted Cruz und Huckabee bleiben.
Eines könnte den Republicans dabei aber jedenfalls noch auf den Kopf fallen: Nach dem langen Rennen Romney-Santorum im Frühjahr 2012 haben sie die Vorwahl-Regeln so geändert, dass die Vorwahl-Staaten ab Mitte März 2016 ihre Wahlmänner/frauen nicht mehr proportional vergeben, sondern dass alle Stimmen an den oder die Siegerin gehen – und zwar egal, ob die den Bundesstaat mit 25% oder mit 75% gewinnen. Das kann bei einigen knappen Ergebnissen ein großes Feld wesentlich mehr durcheinanderwirbeln, als ein proportionales System. Genug spekuliert: Es bleibt spannend – und die Tür, die Walkers Abgang für Christie und Fiorina aufmacht, wird uns noch beschäftigen.