von der sammelbewegung zur restpartei

Die ÖVP bröckelt an allen Ecken und Enden. Angefangen hat das alles in Innsbruck. Der Gemeinderat Herwig van Staa wird 1993 wegen wiederholter Kritik an der ÖVP-Stadtführung aus dem Gemeinderatsklub ausgeschlossen. Der Oberösterreicher tritt mit einer Wirtschaftsbund-Sammelliste als „Für Innsbruck“ an, erreicht über 22%, schlägt die alte ÖVP. Damals Nummer eins in Innsbruck – man glaubt es kaum mehr: Die SPÖ mit fast 27% der Stimmen. Herwig van Staa wird Bürgermeister und bis heute regieren in Innsbruck „Für Innsbruck“-BürgermeisterInnen. Jüngst allerdings nicht mehr in einer großen Koalition gemeinsam mit Alt-ÖVP und SPÖ, sondern in einer Ampelregierung mit Grünen und SPÖ.

Der Feind im eigenen Bett

2008 schafft der schwarze Arbeiterkammer-Präsident Fritz Dinkhauser im Frühsommer mit seiner Liste 18% bei den Tiroler Landtagswahlen, die ÖVP landet auf einem historischen Tief von nur mehr 40%. Nach dem Sommer folgt die Nationalratswahl, bei der Jörg Haiders BZÖ auf sensationelle 12% kommt und vor allem bei enttäuschten ÖVPlerInnen fischt. Und 2013? Da treten bei der Nationalratswahl ein neoliberaler Großindustrieller und ein liberaler Wirtschaftsbündler mit eigenen Listen an. Die Industriellenvereinigung fordert regelmäßig Bildungsreformen, ein ehemaliger Landesschulrats-Präsident zieht durch die Landen und wirbt mit der roten Ministerin für moderne Schulpolitik. Die Vorgängerin der Ministerin verabschiedet sich mit 63 Vorzugsstimmen aus dem Amt. Ehemalige Parteigranden von Neisser bis Busek richten der ÖVP-Spitze regelmäßig unfreundliche Grüße aus und geißeln die schwarze Politik. Ein eigener Landesrat wird zum Sargnagel der nunmehrigen Opferbeauftragten, des ersten weiblichen steirischen Landeshauptmanns a.D. Die ehemalige Großpartei muss sich nicht nur mit der roten Koalitionspartnerin herumschlagen, sondern mit Gegenkandidaturen und mit etlichen Gegenstimmen aus dem, was früher einmal die eigenen Reihen waren.

Das Ende der Wende

Was einmal eine Sammelpartei von Wertkonservativen, Wirtschaftsliberalen, dienstbeflissenen BeamtInnen und treuen Gottesfürchtigen war, geht an den immanenten Widersprüchen zu Grunde. Schwarz-Blau war ganz harter Tobak für viele liberale ÖVPlerInnen, die ich kennengelernt habe. Mit Ächzen und Stöhnen konnten sie noch da oder dort ein positives Reförmchen ins Treffen führen. Aber in Summe war klar: da bröckelt was. Wer will schon mit Jörg Haider und Ernst Strasser, mit Peter Westenthaler und Karl-Heinz Grasser in einen Topf geworfen werden? Nach schwarz-blau soll Josef Pröll mit einer Perspektivengruppe die ÖVP wieder verbreitern. Zivilpakt für Homosexuelle, Arbeitsbewilligung für mit ÖsterreicherInnen verheiratete Drittstaatsangehörige, Gratiskindergarten. Dann sagt der unglückliche Willi Molterer „Es reicht“ und verliert die Wahlen gegen Faymann. Der junge Pröll wird zwar Molterers Nachfolger als Vizekanzler, aber seine Papiere verschwinden in der Rundablage. Heute hat Niederösterreichs jähzorniger Landesfürst die ÖVP fester in seiner Hand, als je zuvor.

Warum wir die ÖVP brauchen

Was da nach Schwarz-blau an liberalen Pflänzchen war, ist erstickt worden. Das Ruder haben in der ÖVP nach der Mésalliance mit Jörg Haider die übernommen, die unter Schüssel Karrieresprünge gemacht haben. Die beiden Hannese Missethon und Rauch, Schottermitzi und Betoniererfritz überstrahlen ihre jeweiligen Parteichefs bei Weitem. Und die Politik dieser zweifelhaften Figuren verjagt die Großindustriellen und Liberalen. Ich hab es schon einmal geschrieben: Mir tut es leid um die ÖVP. Mit guten Köpfen an der Spitze hätte die ehemalige Volkspartei nämlich eine Integrationsfunktion wertkonservativer, durch Identitätspolitik ansprechbarer WählerInnen ins politische System diesseits der Wahnsinns-Grenze, die jetzt zu Strache und Stronach rennen.

Ein Gedanke zu „von der sammelbewegung zur restpartei

  1. Viele ÖVPlerInnen haben lange genug gewartet, sich lange genug geärgert und sind durch Stillstand und Handlungsunfähigkeit der Partei und ihrer RepräsentantInnen zutiefst enttäuscht. Für all jene ist NEOS – Das Neue Österreich #neos.eu eine große Hoffnung, eine reale Chance.

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