die grünen erfinden sich neu

Vor einem Jahr war ich böse mit den Grünen und mit ihrem affirmativen Drang auf die Regierungsbänke. Ich hab’s nicht mehr hören können, dass wir g’scheiter sind, die besseren Konzepte haben und uns bei Paragraph 259 Absatz 4 besser auskennen, als alle anderen. Es ist mir auf die Nerven gegangen, dass heftige Wahlschlappen, wie die im Burgenland (3,98% am Wahlsonntag) auf die schwierigen Rahmenbedingungen und auf die Krise und überhaupt auf alle anderen geschoben werden. Und ich hab es satt gehabt, dass wir den Politikverdrossenen in diesem Land kein Angebot gemacht und unsere Unterscheidungsmerkmale zu den drei Altparteien nicht verständlich gemacht haben, sondern aus Rücksicht auf so viele Eitelkeiten eine Stückwerk-Partei waren.

Dieses Wochenende war Bundeskongress in Innsbruck. Und ich hab mir schon gedacht, die gleichen Gesichter, wie vor sechs Jahren am gleichen Ort, fast die gleichen RednerInnen, ein nicht ultraspannendes Setting. So hat’s dann auch angefangen: Begrüßung des Bundesgeschäftsführers, der Innsbrucker Gastgeberin, Referat des Ökonomen Stephan Schulmeister – alles gut und recht aber nicht neu, nicht anders und nicht spektatkulär. Aber nach Eva Glawischnigs Rede am Sonntag war klar, dass sich da jemand einen sehr guten Plan überlegt hat. Üblich ist auf solchen Veranstaltungen ja eine Leistungssschau, wer wo wie toll in seiner Gemeinde oder seiner Stadt arbeitet, mit viel Lobhudelei mit Hinblick auf die nächsten Listenwahlen. Eitelkeiten sind auch den Grünen nicht fremd.

Aber dieses Mal war alles ganz anders: Dieses Mal hat die Grüne Bundesspitze ein gemeinsames argumentatives Dach gefunden, unter das von der schwarz-blauen Verscherbelung der Republik bis zu den roten Inseraten in massenverdummenden Kampfblättern und von den skandalösen Vorkommnissen um das Ökostrom-Gesetz bis zu den Protesten gegen die Folgen der Wirtschaftskrise alles hineinpasst: Saubere Hände: Wir sind seit 25 Jahren korruptionsfrei. Das unterscheidet uns vom Establishment – vom Politischen und vom Wirtschaftlichen. Das ist kurz, knackig, selbstbewusst und am Puls der Zeit.

Klar: Es ist großes Schuhwerk, in das sich Eva Glawischnig da hineintraut. „Mani pulite“, also saubere Hände, war die Aufräumaktion der italienischen Gerichte unter der Regie von Staatsanwalt Antonio di Pietro Anfang der 1990er-Jahre. „Mani pulite“ hat zur größten Umwälzung in der italienischen Politik seit 1945 geführt, hat die gesamte politische Elite von der Democrazia Cristiana bis zu den alten SozialistInnen hinweggefegt, hat Korruption bis weit in die Justiz und in die Polizei aufgedeckt. Und „Mani pulite“ hatte in Ermangelung einer starken liberalen Bewegung, die sich als Alternative zum korrupten alten System anbot, den reaktionärsten aller Nutznießer: Silvio Berlusconi. Da drängen sich unweigerlich alpine Parallelen auf.

Und genau deshalb bin ich so froh darüber, dass die Grünen sich anders präsentieren, als noch vor einem Jahr. Stimmig und rund ist das Bild von den „sauberen Händen“: Weil gleichzeitig alle Landes- und Teilorganisationen ihre Parteikassen geöffnet haben. Weil gleichzeitig noch strengere Offenlegungs-Regelungen für die eigenen MandatarInnen beschlossen worden sind. Weil Eva Glawischnig ihre beste Rede gehalten hat, seitdem ich sie kenne. Und, natürlich: Weil die Grünen dem Thema Nummer eins in der öffentlichen Debatte ihren Stempel aufdrücken.

Anstatt dauernd davon zu reden, dass wir regieren wollen und daran zu verzweifeln, dass self-fulfilling prophecies halt doch keine Selbstläuferinnen sind, haben die Grünen mit den „sauberen Händen“ die Voraussetzungen dafür geschaffen, anders zu regieren und mit den strengen Regeln für die eigenen PolitikerInnen die Unterschiede zu den Altparteien so klar gemacht, wie noch nie. Ob sich das in Wahlerfolgen niederschlägt, weiß heute noch niemand. Aber die Richtung stimmt.

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