130.000 Stimmen hat die Piratenpartei also letzten Sonntag in Berlin gemacht, 15 MandatarInnen mit und ohne Augenbinde und Kopftuch ziehen ins Abgeordnetenhaus ein. Die Grünen haben in der deutschen Hauptstadt nach den Sternen gegriffen. Noch vor einem halben Jahr lag die Spitzenkandidatin gleichauf mit dem SPD-Bürgermeister Wowereit – aber sie sind unsanft gelandet. Grüne Zuwächse ja, aber im hippen Berlin 8% weniger, als im beschaulichen Baden-Württemberg? Und obwohl das so absurd klingt: Überraschungen sehen anders aus.
„Bundeskanzler Özdemir?“ hat die „Bild“ im April getitelt. Die Berliner Spitzenkandidatin hat in einem dem Obama-Wahlkampf nachempfundenen Setting ihre Kandidatur bekannt gegeben, umrahmt von Säulen und Marmor. Begriffe wie die „neue Volkspartei“ und die „unvermeidliche Nummer eins in Deutschland“ geisterten durch die Medien. Damit das klar ist: für diesen Hype können die deutschen Grünen gar nicht so wahnsinnig viel. Aber ein bißchen haben sie sich schon auch gefallen in der Rolle der Partei, die jetzt aber so richtig nach der Macht greift und vor der alle anderen zittern.
Es gibt offenbar sehr viele Grün-SympathisantInnen, die nicht Teil einer neuen hegemonialen Bewegung sein wollen. WählerInnen, die sich unwohl fühlen im Sog der Macht. UnterstützerInnen, die dem Mainstream misstrauen, wenn zu viele andere ihr Kreuzchen an der gleichen Stelle machen. BerlinerInnen, denen der erste grüne Ministerpräsident in Baden-Württemberg zu bieder war oder die ihre Stimme nicht unbedingt einer Politikerin geben wollten, die 8 Jahre lang Ministerin war und Hartz IV und die Agenda 2010 mitzuverantworten hatte. Dabei: bis auf die bis zum Erbrechen zitierten Beispiele Öffi-Freifahrt und Hanf-Freigabe unterscheidet sich die Programmatik von Piraten und Grünen in Berlin gar nicht so sehr. Aber ihr Image ist wie Tag und Nacht. Und Image ist alles.
Was man da tun kann: Anders bleiben und das sichtbar machen. Sich nicht zur Rhetorik der Macht verführen lassen. Keine Stimme und erst recht keine Wahl für schon gewonnen halten. Keine Angst vor unpopulären Themen und vor nicht stromlinienförmigen KandidatInnen haben. Und am allerwichtigsten: Die Machbarkeits-Falle meiden. Die 130.000 haben die Piraten nicht gewählt, weil sie glauben, dass morgen alle Öffis gratis sein werden oder alle Drogen legalisiert. Sondern weil sie die Idee mögen. Image ist alles: Und das verstehen die Piraten einfach gut.