Ich lerne aus der Holland-Wahl von gestern: Es gibt Länder, in denen jene Wahlen gewinnen, die den schärfsten Sparkurs ankündigen. Der neoliberale Mark Rutte hat nicht nur angekündigt, dass es als neuer Regierungschef sparen will, sondern auch, wen es trifft. Österreich ist in dieser Hinsicht leider wirklich hinterste Provinz.
Viele meiner FreundInnen, die nicht so unmittelbar im politischen Betrieb stecken, vermissen kontroverse gesellschaftliche Debatten und große politische Würfe, mutige Reformen und wegweisende Projekte. Nicht nur die sogenannte bildungsferne „Unterschicht“, sondern auch AkademikerInnen, StudentInnen und junge Berufstätige wenden sich in diesen Zeiten mit Grausen von der Politik ab. Und das Schlimme ist: Ich kann’s ihnen nicht einmal übel nehmen.
Aber das Übel benennen, ist einen Versuch wert. Drei Ansätze für die Öffnung des politischen Systems und die Läuterung der politischen Kaste:
- Who cares about Pipifax-Wahlen: Die SPÖ rettet sich im Burgenland mit einem Militäreinsatz. Die ÖVP will sich in Wien mit einem Militäreinsatz retten. Die ÖVP will Armut nicht bekämpfen, solange die SPÖ mit ihnen nicht Arme bekämpft. Eigentlich sollte Österreich jetzt darüber diskutieren, wo wir Milliarden einsparen. Aber weil die Steiermark und Wien im Oktober neue Landtage wählen, lassen die Regierungsparteien 4 Monate Unsicherheit ins Land ziehen. Dieses Taktieren wegen regionalen Wahlgängen geht den WählerInnen auf den Keks.
- Wie die Fahnen im Wind: Die ÖVP will die bessere FPÖ sein. Die SPÖ will die bessere FPÖ sein. Die Grünen wollen möglichst gegenteilig zur FPÖ sein. Die FPÖ freut sich und wächst. Erfolgreiche Politik muss aber auch einmal Widerstand in Kauf nehmen, muss Unpopuläres sagen. Die Schleimerinnen und Schleimer, denen man bei jedem Satz anhört, dass sie in erster Linie gemocht werden wollen, haben keine Chance gegen die Hetzer. Siehe Wolfgang Schüssel: Gemocht haben den nicht einmal seine ärgsten Polit-Groupies. Gewählt haben ihn trotzdem 42%.
- Vorsicht ist die Mutter der Wahlniederlage: Die SPÖ quält der Spagat zwischen Linksintellektuellen und ungelernten ArbeiterInnen. Die ÖVP jener zwischen Caritas- und Fekter-Fraktion. Wir Grüne haben wahlweise Angst vor unseren Ökos, vor den Alternativen oder vor den Bobos. Ich bin davon überzeugt: Wer glaubwürdig für politische Inhalte eintritt, kann WählerInnen auch von Dingen überzeugen, die sie zunächst ablehnen. Wer Angst hat, verliert.
Sagen, was ist, ist manchmal schon revolutionär. Das gilt für notwendige Sparmaßnahmen genauso, wie für Unpopuläres. PolitikerInnen müssen nicht beliebt, sondern glaubwürdig sein. Wer BürgerInnennähe mit „dem Volk nach dem Mund reden“ verwechselt, hat seinen politischen Anspruch an der Garderobe der Parlamente und Politbüros abgegeben.