prognose: töchterle statt platter

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Platters Reste. Die ÖVP versucht sich gerade in einer besonders lustigen Variante des „expectation game“: Eine von der ÖVP beauftragte „Krone“-Umfrage, die heute auf Twitter die Runde machte, sieht Platters Restpartei nur mehr bei 30,5%, das wären 10% weniger, als 2008 und fast 20% weniger, als 2003. Ziel der Volte: Den Landeshauptmann auch bei den zu erwartenden Verlusten zu halten, weil er im Wahlkampf noch tiefer gehandelt wurde. (Update, 20.3.: Die „Tiroler Tageszeitung“ hat eine Umfrage, die ich für realistischer halte. Da liegt die ÖVP bei 35%/-5) Die Niederlage von Platter-Mann Christoph Platzgummer in Innsbruck und die dortige Ampel-Koalition hat der Landeshauptmann nicht verkraftet. Mein Tipp: Wenn bei der ÖVP ein 3er vorne steht, geht Platter. Karlheinz Töchterle dient sich schon lange als Nachfolger an, der logische neue Landeshauptmann Ernst Schöpf, der als Gemeindeverbands-Präsident vor allem in der Frage der Agrargemeinschaften große Distanz zu Platter pflegt, könnte nach einer Interims-Regierung Töchterle als Wiedervereiniger der ÖVP auftreten.

 

Dinkhausers Reste. Der tragische Tod des Klubobmanns Bernhard Ernst und der folgende Rückzug des wortgewaltigen „Alpin-Sozialdemokraten“ Fritz Dinkhauser, wie Anton Pelinka den ÖVP-Mann einmal genannt hat, hat das „Bürgerforum“ vom ersten Herausforderer des Landeshauptmanns zu einer Liste gemacht, die um den Einzug in den Landtag kämpfen muss. Meine Prognose: Es wird das letzte Mal sein, aber einmal schaffen’s die „Fritzen“, die jetzt ohne Fritz dastehen, noch.

Rote Kerne. Viel tiefer, als auf die 15%, die die SPÖ zuletzt hatte, kann sie im „heiligen Land“ nicht mehr fallen. Der Spitzenkandidat ist ein umtriebiger, engagierter Mann, der einst die tiefschwarze Gemeinde Imst umgedreht hat. Gerhard Reheis leidet aber, ebenso wie sein Vorgänger Hannes Gschwentner, unter dem Ministranten-Image. Zuletzt hat die SPÖ in der Agrar-Frage mit der Opposition gestimmt und versucht, gegenüber dem langjährigen schwarzen Koalitionspartner Zähne zu zeigen. Ob das für Zugewinne reicht? Ich zweifle.

Blaue Nagelprobe. Die FPÖ hat 2009 400 Mitglieder ausgeschlossen, ein einmaliger Vorgang in der Tiroler Landespolitik. Ein Abgeordneter hat sich aus dem Landtagsklub verabschiedet. Der rechtsrechte Flügel hat sich kurzfristig zum Team Stronach verabschiedet, um dort dann wieder Leine ziehen zu müssen. In Innsbruck setzte es nach dem „Marokkaner“-Wahlkampf eine Niederlage für die Blauen, der Spitzenkandidat schied im Streit mit Strache und der Landesparteispitze. In Innsbruck könnte der ehemalige Haiderianer und spätere ÖVP-Landtagsabgeordnete Rudolf Federspiel zusätzliche Stimmen machen. Insgesamt ist Tirol trotz der Regionalspezifika ein weiterer Gradmesser für den Schaden, den das Team Stronach und die Querelen in Kärnten bei der FPÖ anrichten. Ich halte ihn für kleiner, als landläufig angenommen.

Grüner Zugzwang. Die Grünen setzen voll auf das Umwelt-Thema. In einer ihrer Hochburgen ein kluger Schachzug des Teams um die neue Spitzenkandidatin Ingrid Felipe. Ob der Wechsel des langjährigen Parteichefs Georg Willi nach Wien sich bemerkbar macht? Eigentlich müssten viele Dinkhauser-WählerInnen zu den Grünen wechseln, da der inhaltliche Fokus mit Korruptionsbekämpfung und sozialer Gerechtigkeit ähnlich gewählt ist. Für ein Plus vor dem schwachen Ergebnis von 2008 (10,7%) sollte es reichen. Ob mehr geht, werden zwei Faktoren entscheiden: die Zuspitzung der letzten Tage vor der Wahl und die Frage, wie viele Innsbrucker GrünwählerInnen ihr Kreuz dieses Mal bei der Liste „Vorwärts“ machen, die die liberale Innsbrucker ÖVP-Bürgermeisterin unterstützt.

Annas Rache. Mit Herwig van Staas vom Hof gejagter Kronprinzessin Anna Hosp und mit dem ehemaligen SPÖ-Landesrat Hans Lindenberger hat die neue ÖVP-Abspaltung prominentes Spitzenpersonal. Inhaltlich unterscheidet „Vorwärts“ nicht allzu viel von der ÖVP, aber der Stil ist betont anders. Ein niederschwelliges Angebot für konservative ÖVP-WählerInnen, denen Dinkhauser und die Grünen zu weit weg sind. Wie viele WählerInnen wirklich den Wechsel wollen, wird das Ergebnis von „Vorwärts“ zeigen. Anna Hosp wollte Königin werden, jetzt wird sie Königsmacherin.

Stronachs Waterloo? Besser ein unbescholtener Nobody, als die rechte Chaos-Truppe, die Stronach im Februar loswerden musste. Tirol wird ein Test dafür, wie gut die Marke Stronach ohne lokal verankertes qualifiziertes oder etabliertes Personal zieht. Wenn sich der unbekannte Spitzenkandidat einen groben Schnitzer leistet, könnte das Tiroler Projekt schief gehen und auch überregional an Stronachs Sieger-Image kratzen.

Die Kleinen. Gespaltene PiratInnen in Stadt und Land, eine verfrüht präsentierte Wirtschaftsbund-ÖVP-Abspaltung („Für Tirol“), ein Transit-Aktivist, der viel zu oft mit der schwarzen Landesregierung gestimmt hat und eine rudimentär vorhandene KPÖ. Sie alle haben keine Chance auf den Einzug in den Landtag.

Bleibt die Koalitionsfrage. Ich halte eine Mehrheit jenseits von Schwarzblaustronach für möglich. Landeshauptmann Platter wird einem liberaleren Regierungschef Platz machen müssen. Ich tippe auf eine Koalition unter der Führung von Karlheinz Töchterle, in der die ÖVP, „Vorwärts“ und Grüne oder SPÖ vertreten sein werden.

Disclaimer: Ich habe 2006-2011 für die Tiroler Grünen als Pressesprecher gearbeitet und stehe den dortigen handelnden Personen nach wie vor nahe. 

P.S.: Weil das einfach auch dazugehört, um Tirol zu verstehen: Wie ein ORF-Redakteur Geschäfte mit der Landesregierung macht. Unpackbar. 

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