ruth bader ginsburg und vier andere takeaways

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Supreme Court Richterin Ruth Bader Ginsburg

1. Das Übliche: Die demokratischen SenatorInnen, die vorgestern abgewählt wurden, saßen auf hauchdünnen Mehrheiten. Mark Begich in Alaska hatte zuletzt mit 47,8% der Stimmen gewonnen, Mary Landrieu in Louisiana mit 52,1%, Mark Udall in Colorado mit 52%, Kay Hagan in North Carolina mit 52,65%, Mark Pryor in Arkansas hatte keine/n GegenkandidatIn. Diese Wahlen waren 2008, als Barack Obamas Kampagne 10 Millionen neue WählerInnen dazu brachten, ihre Stimmen abzugeben. Im Vergleich zu den 57,1% Wahlbeteiligung damals lag die Wahlbeteiligung vorgestern bei ca. 36%. Das ist normal, weil weniger Menschen zu den „midterms“ gehen, wo nicht auch die Präsidentschaftswahl ansteht. Aber es benachteiligt die DemokratInnen massiv, weil das Elektorat bei „midterms“ weißer, reicher und männlicher ist, als jenes bei Wahlen im Präsidentschaftsjahren.

2. Der Frust: Nicht nur viele „independents“ sind frustriert über die Obama-Administration und stimmen deswegen möglicherweise für RepublikanerInnen ab. Auch die eigene „democratic coalition“ war wenig motiviert. Deutlich niedrigere Wahlbeteiligungen in demokratisch dominierten urbanen Bezirken hat das knappe Rennen in North Carolina zu Gunsten des republikanischen Kandidaten entschieden. In Virginia hat die deutlich niedrigere Wahlbeteiligung in den Vorstädten von Washington D.C dazu geführt, dass das vermeintlich klare Wiederwahl-Rennen für den demokratischen Senator Mark Warner zu einer Zitterpartie bis in die Morgenstunden wurde. Und auch dort, wo Gouverneure gewählt wurden, zeigt sich das gleiche Bild: Der „Landeshauptmann“ von Florida bleibt deswegen ein Republikaner, weil die DemokratInnen in ihren stärksten spanischsprachig dominierten Gegenden um Miami viel zu wenig ihrer fixen WählerInnen zur Stimmabgabe motivieren konnten. Letzteres könnte damit zu tun haben, dass Obama die „immigration reform“, die legale Einwanderung erleichtern sollte und deswegen für Hispanics ein Kernanliegen ist, im September bis nach die Wahlen verschoben hat. Das Kalkül war, dass es mit einer liberalen Einwanderungsreform bei den Senatswahlen nur in Colorado Stimmen zu holen gebe, weil es in allen anderen knappen Senatswahl-Staaten kaum Hispanics gebe. Das Zögern hat nicht nur in den Senats-Staaten nichts geholfen, es hat auch noch GouverneurInnen gekostet.

3. Neue Gesichter: Die RepublikanerInnen haben aufgehört, skurrile Fundi-KandidatInnen ins Rennen zu schicken und jenen, die Fundi-KandidatInnen sind weichere Züge verschafft. Die neuen republikanischen SenatorInnen haben an Elite-Unis studiert und waren in den 2000er-Jahren in der Armee im Irak wie Arkansas‘ Tom Cotton und Alaskas‘ Dan Sullivan, waren Manager bei IBM wie North Carolinas‘ Thom Tillis oder fließend deutsch sprechender Jus-PhD wie Colorados‘ Cory Gardner. In den tiefroten Staaten wie Kansas und Kentucky haben sich die sehr alten, sehr weißen, sehr konservativen Männer aus der Bush-Ära noch einmal durchgesetzt, für die „purple states“ brauchten die RepublikanerInnen frischere Gesichter. Und sie haben eine neue Generation gewiefter PolitikerInnen ans Ruder geholt, die gegen alteingesessene demokratische Schwergewichte gewonnen haben.

4. Schwere Vorzeichen: 2016 will Hillary Clinton ins Weiße Haus einziehen. Sie braucht, um dort Handlungsspielraum zu haben, eine Mehrheit im Senat. Zur Erinnerung: Barack Obama hatte sogar kurzzeitig 60 demokratische und unabhängige SenatorInnen auf seiner Seite und damit auch die sogenannte „filibuster proof majority“, die Blockade durch Dauerreden verhinderte. Davon kann Hillary Clinton nur träumen: Wird sie 2016 gewählt, braucht es für politischen Spielraum gleichzeitig mindestens vier Senatssitze, die wieder zurück zu den DemokratInnen wandern. Die Landkarte spricht eher für gute Chancen: denn in den 10 Staaten mit wechselnden Mehrheiten, in denen SenatorInnen ihre Sitze 2016 verteidigen müssen, sind 8 RepublikanerInnen gefährdet und nur 2 DemokratInnen. Aber Chuck Grassley ist in Iowa extrem beliebt (momentan +31 im Netto aus „approval“ und „disapproval“), Kelly Ayotte aus New Hampshire (+17) und John Boozman aus Arkansas (+13) dürfte ebenfalls schwer zu knacken sein. Ganz am Ende bei den Ratings der umstrittenen Senatssitze 2016 steht mit Michael Bennet aus Colorado ein Demokrat (-5). Bis 2016 kann noch viel passieren, aber meine Prognose vom Sonntag wackelt – ich bin nicht davon ausgegangen, dass der Sieg der RepublikanerInnen so deutlich wird.

5. Eile für Obama: Jetzt dreht sich die Diskussion in den USA unter Anderem um die Frage, welche Spielräume der Präsident noch hat. Eine ist langfristig besonders heikel, darauf hat mich Yussi Pick aufmerksam gemacht: Jene des Supreme Courts. RichterInnen des Höchstgerichts ohne Mehrheit im Senat durchzukriegen, ist unmöglich. Momentan sitzen vier liberale und fünf konservative RichterInnen im Supreme Court, wobei einer der Konservativen sehr zum Ärger des Präsidenten, der ihn nominiert hat – George W. Bush – ein bißchen unverlässlich geworden ist und in der Frage der Verfassungsmäßigkeit der allgemeinen Gesundheitsversicherung mit den vier Liberalen gestimmt. Damit war eine Mehrheit für Obamacare hergestellt. Die älteste der neun „Halbgötter in Schwarz“ ist Ruth Bader Ginsburg, eine 81-jährige Liberale. Sie muss entweder gehen, bevor mit dem 3. Jänner die neue republikanische Mehrheit im Senat hergestellt ist, oder so lange überleben und arbeitsfähig bleiben, bis wieder eine demokratische Mehrheit hergestellt ist, sonst wird die konservative Mehrheit im Höchstgericht gestärkt. Der US Supreme Court trifft – wie bei Obamacare oder in der Frage der Verfassungsmäßigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen – vor allem gesellschaftspolitisch enorm wichtige Entscheidungen.

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