Der Niveaulimbo bei den Tempolimits ist wirklich kaum mehr auszuhalten. Bei den Bleifüßen hört der Spaß offenbar wirklich auf. Da wird gewutbürgert, was das Zeug hält. Da toben sich die jungen Männer in Internet-Foren aus. Da wird geschimpft, ausgerastet, herumgepöbelt. Es muss sich beim Auto doch um einen kompensatorischen Fetisch handeln und nicht nur um einen Gebrauchsgegenstand, wie ich immer geglaubt hab.
Mir ist die Freiheits-Bedeutung des Autos bewusst, völlig. Ich mach keine Urlaube mehr, bei denen ich nicht vor Ort mit einem motorisierten Untersatz hinfahren kann, wo ich will und erkunden kann, was ich will, wann ich will und wie lang ich will. Und ich fahr, dort wo’s erlaubt und sicher ist, auch gerne schnell. Aber wir reden hier von Alltagswegen. Wir reden im Fall des Salzburger 80ers auf einem 10 Kilometer-Abschnitt von einem Zeitverlust von 90 Sekunden. Das ist eine halbe Zigarettenlänge, ein Mal Kaffee herunterlassen, ein Mal Herdplatte nach dem Wohnungstüre zusperren noch einmal überprüfen. Es ist nichts.
Wir beschwören die Solidarität bei jeder Gelegenheit. Im Fußballstadion müssen wir zusammenstehen, in der Politik gibt’s symbolische Schulterschlüsse und die Mär von den österreichischen SpendenweltmeisterInnen ist nach wie vor ein Gassenhauer. Aber beim Tempolimit ist Schluss mit der Solidarität. Es sind hauptsächlich Männer, die sich in Social Media austoben und wüste Beschimpfungen austeilen. Ich finde das ist ein Aspekt, der einmal untersucht werden müsste: Was kompensieren Männer mit ihrem unbedingten Wunsch, möglichst unbeschränkt und möglichst rücksichtslos aufs Gaspedal zu steigen?
Und weil ich weiter oben bei der Freiheit war: Zwei meiner letzten Auto-Urlaube waren in den USA, im „land of the free“, im Superkapitalismus, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und in einer Gesellschaft, in der Geschwindigkeit und Flexibilität ganz groß geschrieben werden. Aber auf ihren Highways rollen die US-Amis mit 70 oder 60 Meilen herum, in der Kolonne. Da herrscht Gemütlichkeit auf den Straßen. Da könnten wir wirklich einmal in einen fruchtbaren transatlantischen Wettbewerb eintreten: How slow can you go?
Die Aufregung über die Geschwindigkeitsbeschränkung und den “Verlust” von 90 Sekunden im Auto ist schwer zu verstehen.
Und auch wenn ich mich hier vielleicht “in die Nesseln setze”:
Sie ähnelt verdammt der großen Demonstration gegen das Radfahrverbot in der Maria-Theresien-Straße in Innsbruck. Das betrifft geschätzte 400 (?) Meter, auf denen Frau und Mann ihre Fahrräder schieben müssen.
“Meine Sorgen möchte ich haben.” Zitat von Kurt Tucholsky, gilt noch immer.
Eigentlich lässst sich alles recht pragmatisch sehen. Nehmen wir die Inntal-Autobahn. Da kann man wegen des vielen Verkehrs eh nicht schneller als 100 km/h fahren. Da braucht man nicht unbedingt Amerika zitieren. Aber du hast recht: Auf den US-Highways rollt der Verkehr diszipliniert mit 50, 60 Meilen dahin. Und wer glaubt, rasen zu müssen, bekommt`s sehr schnell mit der Polizei zu tun und muss hohe Strafen bezahlen.