Eine Stunde zappend fernsehen. Sich überlegen, wie die Menschen, über die gerade gesprochen wird, dargestellt werden. Sich vorstellen, man wäre eine/r davon: Es ist eine uralte Übung aus Anti-Diskriminierungs-Workshops, die ich heute wiederholt hab. Ich steig‘ da ganz übel gelaunt aus. Politisch überkorrekt oder übersensibel oder spaßbefreit, ist die Einser-Antwort, wenn man Menschen auf Diskriminierungen aufmerksam macht. Das ist natürlich ein Selbstschutzmechanismus der darauf Hingewiesenen – weil niemand diskriminieren will. Es findet sich ja auch niemand selbst frauenfeindlich oder ausländerInnenfeindlich oder minderheitenfeindlich. Trotzdem: die hegemonialen Späßchen würden ohne Opfer nicht funktionieren. Und die werden, wenn sie sich wehren, mit der „spaßbefreit“-Karte mundtot und lächerlich gemacht.
Trotzdem. Der Internationale Frauentag ist auch ein Anlass, darüber nachzudenken, wie man mit weniger sensibilisierten Menschen ins Gespräch kommt. Ich kenne meinen eigenen Umgang mit dem Sexismus-Vorwurf: Ich bin doch wirklich sensibilisiert, das ist jetzt doch wirklich übertrieben, das ist Identitätspolitik. Niemand lässt sich gerne belehren. Niemand will gerne ertappt werden. Niemand gibt Fehltritte gerne zu. Niemand will in der Überzeugung, sich um einen respektvollen Umgang mit allen Mitmenschen zu bemühen, auf das Gegenteil dessen hingewiesen werden. Weil es vermeintlich die Augenhöhe nimmt. Dabei ist der Hinweis auf Diskriminierung seitens der Opfer von Diskriminierung der Versuch, überhaupt erst auf Augenhöhe zu kommen.
Augenhöhe. Auf dieser Augenhöhe muss man strukturelle Gewalt diskutieren. Der Hinweis auf Diskriminierungen ist in der Regel nicht als Beschämen zu verstehen, sondern als Hinweis auf Unterdrückung. Trotzdem sind diese Gespräche oft von Denkverboten geprägt. Diskussionen über Unterdrückung sind dünnes Eis für die UnterdrückerInnen. Und wer das Gefühl hat, sich in seiner Argumentation keinen Millimeter mehr vor oder zurück bewegen zu können, wird zumachen und sich in seinem Weltbild bestätigt fühlen. Das hilft uns nicht weiter.
Common ground. Das ist kein Plädoyer gegen kämpferischen Feminismus und gegen kämpferische andere Emanzipationsbewegungen. Ganz im Gegenteil: Grenzen aufzeigen ist essenziell für erfolgreiches Empowerment. So radikal, wie die Realität sein, tut oft not. Aber ich will, dass wieder mehr über Alltagsdiskriminierung geredet wird. Alle Untersuchungen zeigen, dass Unterdrückung im Kern nur durch Diskurs beseitigt werden kann. Wer nicht diskriminiert, weil er oder sie sich an Regeln hält, ist nur auf der Vorstufe zur Emanzipation. Die ist dann erreicht, wenn wir erkennen, dass Menschen unter Gleichgestellten am glücklichsten, am angstfreisten, am besten leben können. Und da wollen wir doch irgendwie alle hin.
Eine Möglichkeit, sich diesem Diskurs zu stellen, findet heuer nach dem Weltfrauentag statt: Für Netz-Junkies wie mich ist das FemCamp eine Gelegenheit, sich in ungezwungenem Rahmen den Diskussionen zu stellen, die wir – finde ich – führen müssen.