Man sieht es ihnen nicht an. Viele Male haben wir uns in Tel Aviv zugefluestert, „War das jetzt ein Jude oder ein Muslim.“ Das auf den ersten Blick nicht unterscheiden zu koennen, die Desorientierung ob der Buntheit der Bevoelkerung, das ist irgendwie schoen. Ganz besonders in einem Land, das nur mit Krieg und Konflikten in den Medien vorkommt. Aber: das ist halt Tel Aviv. Die liberale Partymetropole am Mittelmeer.
Und jetzt Jerusalem: die Heimstadt der drei monotheistischen Weltreligionen. Die Stadt, in der man sich am Nachmittag im ultraorthodoxen Stadtteil Mea Sharim vorkommt, wie im 18. Jahrhundert – Frauen werden auf riesengrossen Plakaten aufgefordert, hier nicht in Hosen oder mit unbedeckten Schultern herumzuspazieren, alle Maenner tragen schwarze Anzuege und Huete. Verhuetung ist verboten. Menschen, die so alt wie Lore und ich sind, haben sechs oder sieben Kinder. Es gibt keine Kaffeehaeuser in Mea Sharim, das Leben findet ausschliesslich im Privaten statt.
Eine Querstrasse weiter, hinter dem Damaskus-Tor, eine andere Welt. Das muslimische Leben in Ost-Jerusalem spielt sich auf der Strasse ab, hier spielen Kinder Fussball, Kunden feilschen lauthals mit Strassenhaendlern um Preise fuer alles von Ramsch bis zu Gemuese. Noch eine Ecke weiter, die Altstadt von Ost-Jerusalem. Schmale Gassen voller Gerueche und voller Leben. Und alle 20 Meter zwei bewaffnete israelische Soldaten. Die sind in Ost-Jerusalem uebrigens meistens keine Juden und Juedinnen, sondern DrusInnen, eine fruehe Abspaltung des Islam.
Und abends, ja abends treffen wir in dieser frommen Stadt die ersten Kippa-Traeger, die sich so gar nicht anstaendig benehmen. Amerikanische Juden und Juedinnen geben sich in der Ben Yehuda Street voellig enthemmt dem Alkohol hin, es sind fast ausschliesslich Menschen aus den Staaten. Sie sind fuer ein Jahr in Israel, um in Jeshiwa-Schulen den juedischen Lebensstil kennenzulernen. In einer Tanzbar seh ich spaeter doch noch einen israelischen Mann, der sich gehen laesst. Er hat eine Soldaten-Uniform an. Der Mann will eine Frau kuessen, mit der er gerade innig getanzt hat, muss davor aber noch sein Maschinengewehr ablegen, das ueber seiner Schulter haengt. Sie nuetzt die Zeit, um ihn zu fragen, welcher Religion er angehoert. Er ist muslimischer Israeli – womit sich das mit dem Kuessen auch wieder erledigt hat.
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