die grenzen der direkten demokratie

Die SchweizerInnen sind also einmal mehr einer rassistischen Kampagne auf den Leim gegangen und stoßen Grund- und Freiheitsrechte über Bord. „Entwicklungsland in Sachen Menschenrechte“ schreibt der sonst immer eher vorsichtige ORF heute vormittag. Und wenig überraschend kommt Applaus von dem, die auch in Österreich Menschenrechte über Bord werfen will. Der Mann ist, seitdem es Aufzeichnungen gibt, erstmals Nummer eins in der KanzlerInnenfrage. Das sollte weiters niemanden überraschen nach einem feigen Budget-Entwurf, der nonanet die Opposition stärkt.

Und trotzdem: das Schweizer Votum verdient eine nähere Betrachtung. Einmal, weil man die widerlichen Plakate gesehen haben muss, bevor man sich von so harmlosen Titeln wie „Mehrheit klar für Abschiebungshärten“ im Standard zu einem gelangweilten Seufzen hinreißen lässt. Einmal, weil im Gegensatz zu vielen anderen direktdemokratischen Abstimmungen in der Schweiz die Beteiligung mit 52% eher hoch war. Einmal, weil die SchweizerInnen gleichzeitig mit dem multiplen Menschenrechtsbruch  auch eine stärkere Besteuerung Reicher abgelehnt haben – nämlich den Vorschlag, dass hohe Einkommen in der ganzen Schweiz in allen Kantonen einen Mindeststeuersatz von 22 % (sic!) zahlen müssen. Und einmal, weil die Grenzen der direkten Demokratie aufgezeigt werden, wenn ein Vorschlag, der in mehreren Punkten fundamentalen Menschenrechten widerspricht, eine deutliche Mehrheit findet. Die Nicht-SVP-Mehrheit im Schweizer Parlament wird jetzt monatelang tricksen müssen, um um die Umsetzung dieses Wahnsinns herumzukommen. Ein Rezept gegen die aggressiven Kampagnen der Rechten hat freilich niemand in den Reihen der Mitte- und Linskparteien gefunden.

Wir sollten uns hüten, mit dem Finger auf die SchweizerInnen zu zeigen. Es ist eine Illusion, dass eine solche Abstimmung bei uns anders enden würde. Wir hatten schon zeitweise Mehrheiten für die Todesstrafe und für ähnlichen Irrsinn in diesem Land. Die wichtigste aller Volksabstimmungen in Österreich – jene über das Atomkraftwerk Zwentendorf – ist nur deswegen „gut“ ausgegangen, weil der damalige SPÖ-Kanzler Kreisky das Referendum zu einer Abstimmung über seine Person ausgerufen und damit die oppositionelle ÖVP gezwungen hat, gegen das Atomkraftwerk zu mobilisieren.

Wir brauchen eine Diskussion über direktdemokratische Elemente in einer repräsentativen Demokratie. Ein Bekenntnis dazu, dass fundamentale Menschenrechte, die mit Anno 1789 datieren, nicht mitten in Europa von einer aufgehussten Mehrheit in Frage gestellt werden können. Und ein Rezept gegen die rechten Hetzer, die ein ums andere Mal mit ekelhaften Kampagnen reüssieren. Der Hinweis auf die Steuer-Abstimmung in der Schweiz ist kein Zufall. Denn das beste Rezept gegen Minderheitenhetze war noch immer, glaubwürdig und unaufgeregt darzustellen, wer wirklich an Massenverarmung und am Abstieg des sogenannten Mittelstands schuld ist.

2 Gedanken zu „die grenzen der direkten demokratie

  1. nur ein kleiner kommentar zu straches umfragewerten: du hast recht, dass dieser wert der schwäche der regierungsparteien zuzuschreiben ist. was mich allerdings sehr stutzig macht sind die läppischen 3% von eva glawischnig. irgendwas machen die grünen da verdammt falsch. da hat ja mit hoher wahrscheinlichkeit die sigi maurer bessere werte…

  2. Pingback: plädoyer für gute umfragen | querg'schrieben

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