Da stand ich also vor dem Büro, an einer der liebsten Sammelstellen der Innsbrucker Straßenbewohner, die wahlweise als gemeingefährlich oder genetisch kriminell veranlagt diskreditiert werden. Und da waren auch eine handvoll junger Männer, allerdings schon von der Polizei angehalten, mit gestreckten Armen an die Wand gestellt, durchsucht und zurechtgewiesen, wenn sie sich nicht jeden Griff unter der Gürtellinie gefallen ließen.
Es muss eine erschreckende Kulisse für den etwa 4-jährigen Buben gewesen sein, der Hand in Hand mit seiner Mama vom Akademischen Gymnasium in Richtung Museumstraße keine 3 Meter an der filmreifen Massendurchsuchung vorbei spazierte. Deswegen hat er wahrscheinlich auch gefragt: „Mama, wos ham die Männer getun?“. Und die Mama gab die Frage an einen der amtshandelnden Beamten weiter, der in der branchenüblichen feinfühligen Art antwortete: „Jo schaugn sie sich de un, wos glabens denn, dass de getun ham? Marokkaner holt.“
Bub schaut erstaunt, Mama dreht sich seelenruhig zu ihm: „Die Männer haben nichts getan, sagt der Polizist.“ Böser Blick, Polizist, panischer Blick kleiner Bub. Der 4jährige fängt lauthals zu heulen an. Er fürchtet sich. Vor der Polizei, nicht vor den Angehaltenen: „Oba i hun a nix getun.“
Innsbrucks sogenannte Marokkaner-Szene – ein Begriff, den peinlicherweise die Tiroler Tageszeitung erfunden hat – soll interniert werden (van Staa), ohne Verfahren abgeschoben (Federspiel) oder ins Zuchthaus kommen (neuester FPÖ-Vorschlag). Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie vom Erschießen reden.
Ganz so einfach, wie es die Mama dem kleinen Buben erklärt hat, war’s natürlich nicht. Aber im Grunde hat sie schon recht. Ihr Sohn hat die Schattenseite des sogenannten „ethnic profiling“ erkannt. Denn wer in Innsbruck wie ein Marokkaner aussieht, wird auch wie ein Mitglied der sogenannten „Marokkaner-Szene“ behandelt. Auch wenn er nichts getan hat.