eine partei ist kein waschmittel

Weil’s grad wieder so aktuell ist: Mein Kommentar der Anderen im Standard vom 11. Juni 2009 (http://bit.ly/a2SUMp)

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Hätten nur die EU-GegnerInnen in Österreich gewählt, hätten die Grünen 1% der Stimmen bekommen. Das ist schlimm für eine Europapartei, weil beide möglichen Schlüsse schmerzen: Entweder wir haben alle unsere EU-KritikerInnen überzeugt, bevor sie SORA vor dem Wahllokal abgepasst oder am Wahltag telefonisch erreicht hat. Oder wir haben aus Angst vor noch größerem Voggenhuber-Gebrüll nach seiner demokratischen Abwahl den Bogen mit unserer Kampagne ‚Vorwärts Europa‘ überspannt, um dem selbsternannten Star wenigstens inhaltlich nicht zu viel Angriffsfläche zu bieten. Es hat ihn nicht davon abgehalten, eine Wahlempfehlung gegen Europas Grüne und für ÖVP und SPÖ abzugeben, die wahlweise dem bösen Brüssel auf die Finger schauen oder auch klopfen wollen. Karas und Bösch hin oder her – was eine Vorzugsstimme wert ist, führt uns die ÖVP ja gerade vor.

Aber was tun mit der knappen Million ÖsterreicherInnen, die nicht mit uns ‚Vorwärts Europa‘ angestimmt, sondern mit ihrer Stimme für Hans-Peter Martin oder für die Rechten der EU den Stinkefinger gezeigt hat? Fragt man überzeugte EuropäerInnen bei uns Grünen, ist völlig klar, dass wir uns zum Einigungsprozess bekennen, aber dass wir alles andere als blauäugig gegenüber den Schwächen der EU sind. Ein Kommissionspräsident, der einen um den anderen Anlauf startet, im Auftrag der Gentechnik-Lobby für die Aufweichung des Verbots manipulierter Lebensmittel zu erreichen ist uns ebenso ein Dorn im Auge, wie ein Rat, der nicht zu einem konsequenten Nein zur Atomkraft in der Lage ist. Gemerkt hat das aber – überdeckt von ‚Vorwärts Europa‘ – niemand außerhalb unserer KernwählerInnen. Wir haben, man muss es so formulieren, ein massives Kommunikationsproblem. Von den GegnerInnen des EU-Beitritts sind wir in den Augen der WählerInnen zu unkritischen Ja-SagerInnen geworden.

Atomkraftfrei‘, gentechnikfrei und spekulationsfrei‚ – damit haben wir auf unseren Plakaten geworben. Der Haken an der Sache: Das sagen alle österreichischen Parteien, auch wenn es ihre ParteifreundInnen aus anderen europäischen Ländern sind, die neue Atomkraftwerke bauen oder mit der Gen-Lobby unter einer Decke stecken. Die WählerInnen haben nichts davon gemerkt, dass nur wir in ganz Europa für diese drei Forderungen eintreten. Erst recht nicht jene, die sich nicht tagtäglich über europapolitische Hintergründe informieren. So wurde nicht über ‚grüne‘ Themen diskutiert, sondern über den Türkei-Beitritt und über die Verlängerung des Assistenzeinsatz an der ehemaligen Schengen-Grenze, die mit dieser EU-Wahl genau genommen überhaupt nichts zu tun haben. Schuld daran sind nicht nur die bösen Medien, sondern auch wir selbst.

Unser Kommunikationsproblem liegt wohl zuallererst an der Sprache, die wir Grüne sprechen und an den Bildern, die wir verwenden. Ob es um lebensgefährliche SUVs, um autofreie Innenstädte oder um Börsenspekulation geht – wenn jemand ein Verbot und Strafen fordert, schrillen bei uns alle Alarmglocken. Unsere StammwählerInnen könnten es uns ja übel nehmen, wenn wir ihre Flexibilität und ihren Luxus einschränken. Es ist genau dieser Pragmatismus, der uns so langweilig, angepasst und systemkonform erscheinen lässt. ‚Europa von der Atomkraft befreien‘ ist alter Wein in alten Schläuchen. Mit drastischeren Bildern, mit Mut zum ‚Nein‘ und zur Forderung nach Verboten sind die Grünen groß geworden. Nicht in den Inhalten, aber in der Kommunikation täte uns ein bißchen ‚back to the roots‘ gut.

Wir müssen keine einzige unserer europapolitischen Positionen ändern, wir müssen sie nur mutiger präsentieren und nicht aus Angst vor der eigenen Courage erstarren. Das im PR-Sprech zum Dogma gewordene positive formulieren, das schon so absurde Blüten wie ein ‚Ja zum Nein zu Olympia‘ getrieben hat, ist unangebracht, wenn die WählerInnen wütend und von der Sorge um ihren Arbeitsplatz und um ihre Zukunft getrieben sind. Eine Partei ist kein Waschmittel – und mit einer Wohlfühl-Kampagne ist in Zeiten der Krise keine Wahl zu gewinnen.

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