Heute Nacht findet das letzte TV-Duell zwischen Hillary Clinton und Donald Trump statt. Die Ausgangssituation: Nach einer Reihe von Vorwürfen wegen sexueller Übergriffe und mehreren skandalösen Äußerungen dazu hat Trump in allen Umfragen deutlich an Boden verloren. Die Wahrscheinlichkeit eines Wahlsiegs des Republikaners liegt bei den StatistikerInnen bei um die 10%, vor dem ersten TV-Duell lagen die Chancen der beiden KandidatInnen fast 50/50.
Davon, wie Trump das letzte Duell anlegt, hängt auch der Wahlausgang und die Entwicklung der letzten knapp drei Wochen vor der Wahl ab. Mit einem moderaten Auftritt könnte Trump die republikanische WählerInnenschaft konsolidieren und ein Ergebnis in der Größenordnung der Niederlagen von John McCain und Mitt Romney bei den beiden letzten Präsidentschaftswahlen schaffen – mit 3-5% Abstand deutlich, aber kein Erdrutschsieg.
Hillary Clinton wird am Wahltag, wie schon Barack Obama, die meisten größten Gruppen nach allen tabellarischen Breakdowns verlieren – die Weißen, die über 60-jährigen, die nicht in einer Großstadt lebenden. Aber ihre Abstände bei den kleineren Gruppen werden, wie bei Obama, so viel größer sein, dass sich in Summe ein deutlicher Sieg ausgehen sollte: 90/10 bei Schwarzen, mindestens 70/30 bei Latinos, fast 70/30 in den großen Städten, 70/30 bei Jüdinnen und Juden, mindestens 60/40 bei Asian Americans.
Auf der Landkarte entscheidet sich mit der Frage, ob sich Trump zu konsolidieren vermag, auch einen großen Unterschied machen: Umstrittene Swing States im Mittleren Westen wie Iowa und Ohio, die Obama zwei Mal gewonnen hat, könnten wieder republikanisch werden. Die beiden großen Swing States am Atlantik – Virginia und North Carolina – könnten demokratisch werden und das ehemals republikanische Florida zum dritten Mal in Folge in blau aufleuchten. Warum ist das spannend? Weil es zuletzt bei der Senatswahl 2014 schon so aussah, als wäre der „Süden“ für die DemokratInnen verlorener Boden. Mit Mary Landrieu, Mark Pryor und Kay Hagan waren die drei letzten demokratischen SenatorInnen in Staaten südlich von Virginia und östlich von Texas abgewählt.
Worum geht‘ jetzt noch, wenn die Voraussagen über eine de facto entschiedene Präsidenschaftswahl stimmen? Es geht bei den gleichzeitig stattfindenden Wahlen für Senat und RepräsentantInnenhaus darum, ob die mutmaßliche Präsidentin zumindest in einer der beiden Kammern im Parlament eine Mehrheit bekommt. Im Senat wird alle zwei Jahre ein Drittel der Sitze gewählt. Die Mehrheit im Senat steht Spitz auf Knopf und hängt von einigen Rennen mit sehr bekannten Namen ab: John McCain kämpft in Arizona um seine fünfte Wiederwahl, Marco Rubio in Florida um seine Erste. Nevada könnte mit Catherine Cortez Masto das erste Mal eine Frau und das erste Mal jemand mit Latino-Background in den Senat schicken. In Indiana könnte mit Evan Bayh ein Vertreter eines der letzten großen demokratischen Clans in einem republikanischen Staat seinen Sitz zurückerobern, den er 1999 bis 2011 innehatte. Und im immer knappen New Hampshire will die demokratische Gouverneurin – also Landeshauptfrau – Maggie Hassan in den Senat und damit in die nationale Politik aufsteigen.
Gelingt es den DemokratInnen, das Weiße Haus und 50 der 100 Senatssitze zu schaffen, haben sie dort eine Mehrheit, weil bei Unentschieden der Vizepräsident entscheiden würde. Zwei Jahre hätte Präsidentin Hillary Clinton dann Zeit bis zur nächsten Senatswahl, bei der die Mehrheit wieder verloren gehen könnte. Denn dann sind geht es um die Ämter demokratischer SenatorInnen in rot-republikanischen Staaten wie Missouri, Indiana, Montana und North Dakota, West Virginia und Ohio, während die RepublikanerInnen mit Nevada nur in einem einzigen Swing State einen Senatssatz verteidigen müssen.
Long story short: Hillary ist in it to win it, 20 Tage vor der Wahl mehr, denn je. Es gibt viele Gründe, dass das Rennen ums Weiße Haus in den letzte Wochen wieder als knapper kommuniziert werden könnte: Es mobilisiert auf beiden Seiten, es bringt Einschaltquoten und wenn Trump ein bißchen weniger wüst auftritt, wird das schon als Konsolidierung wahrgenommen werden. Aber eigentlich sind die Prognosen sehr deutlich geht es längst um etwas anderes: Nämlich um die Frage, ob die Obama Koalition aus gebildeten Weißen und Minderheitenangehörigkeiten aller Bildungslevels, Ursprünge und Konfessionen nur für Hillarys Ticket ins Weiße Haus reicht, oder auch für neu gemischte Karten darüber hinaus.