Man weiß ja trotz aller Umfragen nie so ganz genau, was passieren wird, aber in 24 Stunden könnten wir sehr große Gewissheit darüber haben, dass das Rennen im November Hillary Clinton gegen Donald Trump heißt. Denn heute Nacht entscheiden 12 der 50 Bundesstaaten, wer für die beiden großen Parteien in das Rennen ums Weiße Haus gehen soll. Für dieses Rennen gibt es sogenanntes „conventional wisdom“, das deutliche Hinweise auf den Ausgang geben kann.
- Wer als RepublikanerIn PräsidentIn werden will, braucht 35-40% der Stimmen der Latinos. Die sind nicht nur an sich eine wachsende Bevölkerungsgruppe mit bald 20% der AmerikanerInnen, sondern sie sind auch in wahlentscheidenden sogenannten „Swing States“, wie in Florida oder in Nevada oder in New Mexico überrepräsentiert. Ob Donald Trump mit seiner aggressiven Anti-Hispanic-Rhetorik und mit dem Plan, 11 Millionen Latino-„Illegale“ deportieren zu lassen und eine Mauer zu bauen, an diese zuletzt von George W. Bush erreichte Marke herankommen kann, ist fraglich. Momentan steht es in Umfragen bei Hispanics 80-20 gegen den Republikaner. Sollte sich in dieser Gruppe entgegen der herrschenden Meinung etwas in Richtung Trump bewegen, hat Hillary Clinton mit dem populären ehemaligen Bürgermeister von San Antonio und jetzigen Wohnungsminister Julian Castro noch einen Joker in der Hinterhand, der ihr Vizepräsidentschaftskandidat werden und – glaubt man besonders optimistischen DemokratInnen – sogar das eigentlich tiefrote Texas kompetitiv machen können.
- Wer als DemokratIn PräsidentIn werden will, darf im industriellen Mittleren Westen nicht wackeln. Hier sind mit Pennsylvania, Ohio und Michigan drei Staaten mit deutlich mehr „blue collar“ ArbeiterInnen, von denen viele wertkonservativ sind, aber aus ökonomischen Gründen demokratisch wählen. Das ist die Kerngruppe, von denen die Trump-Kampagne behauptet, hier könne sie in demokratisches Milieu einbrechen. 2012 hat Mitt Romneys Forderung, das wegen der Automobilindustrie kriesengebeutelte Detroit bankrott gehen zu lassen, den DemokratInnen hier deutliche Mehrheiten beschert. Hillary Clinton weiß um die Bedeutung dieses sogenannten „rust belts“ und legt deswegen den Fokus auf das Drama mit kontaminiertem Wasser in Flint, Michigan. Über Flint spricht sie bei jedem Auftritt und das ist ein kluger Schachzug in jeder Hinsicht: Einerseits klingelt bei der demokratischen Basis bei „Flint“ der erste große Kinofilm des linken Säulenheiligen Michael Moore – der hatte in „Roger and Me“ über den Niedergang der Autoindustrie und über die sozialen Folgen in Flint berichtet. Bei kontaminiertem Wasser ist der Kino-Blockbuster Erin Brokovich assoziativ zur Hand – ich warte schon auf einen gemeinsamen Auftritt von Clinton und Julia Roberts in Flint. Die beiden kennen sich schon. Und neben diesen für die Vorwahlen hilfreichen Assoziationen ist das Sichern des demokratisch dominierten „rust belt“ die Voraussetzung für jeden demokratischen Wahlsieg bei einer Präsidentschaftswahl.
Diese beiden wesentlichen Indikatoren sprechen ebenso wie das große Engagement schwarzer WählerInnen für Clinton, das sich beim spektakulären 75:25-Sieg der ehemaligen Außenministerin in South Carolina gezeigt hat, für Hillary Clinton. Sie könnte die „Obama coalition“ nicht nur wieder für sich gewinnen, sie könnte sogar weit darüber hinaus WählerInnenschichten für die DemokratInnen erschließen. Aber es gibt eine große Unbekannte: Die Trump-Kampagne behauptet, sie bringe viele neue WählerInnen zu den Wahlen, die bisher nicht gewählt hätten. Steigende Beteiligung an den republikanischen Vorwahlen, bei stagnierender oder sinkender Beteiligung bei den DemokratInnen, ist ein Indiz dafür, dass das stimmen könnte.
Nach heute Nacht, wenn in 12 Staaten Delegierte vergeben werden, wissen wir mehr über die Trends und über die Chancen, dass es doch noch ganz anders kommt und Bernie Sanders oder Marco Rubio die „frontrunners“ in den parteiinternen Vorwahlen noch gefährden können. Es wäre aber – beides – eine Riesenüberraschung.