wie einwanderung die (us) – politik verändert

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Noch knapp zwei Monate, dann steht in den USA ein Superwahltag vor der Tür. Gewählt werden 33 SenatorInnen, 38 GoverneurInnen und alle 435 Abgeordneten des RepräsentantInnenhauses. Die USA sind eine Demokratie mit sehr vielen sogenannten Checks und Balances: Es gibt viele Gelegenheiten für die WählerInnen, mir ihrer Stimme bei niederrangigen Wahlen den höherrangigen PolitikerInnen etwas auszurichten.

Am stärksten werden in den USA überregional die Senatswahlen beobachtet, denn da steht’s Spitz auf Knopf. Jeder Staat entsendet zwei SenatorInnen nach Washington D.C., die werden alle sechs Jahre gewählt. Allerdings nicht alle SenatorInnen gleichzeitig, sondern mit getakteten Wahlterminen: Alle zwei Jahre werden 33 bzw. 34 Sitze neu vergeben. Das trägt dann wieder dazu bei, dass die aktuelle Meinung der Bevölkerung zur Politik des Präsidenten bzw. der Präsidenten stark einfließt, weil die sogenannten „midterm elections“ wie eben am 4. November als Stimmungsbarometer für das Weiße Haus gelten.

Momentan haben Barack Obamas DemokratInnen mit 53 zu 45 SenatorInnen bei zwei Unabhängigen, die aber meistens mit der demokratischen Mehrheit stimmen, die Mehrheit im Senat. Allerdings gelten drei Sitze, die momentan DemokratInnen halten, als fix verloren. Von den verbleibenden zehn knappen Wahlgängen müssten sie also acht gewinnen (oder Staaten gewinnen, der bisher republikanisch waren). Ich erspar den LeserInnen jetzt die Details zu jedem einzelnen Rennen, die lassen sich z.B. auf http://www.politico.com oder auf http://www.realclearpolitics.com oder auch auf http://www.electoral-vote.com ganz wunderbar verfolgen.

Spannend ist ein anderer Faktor an diesen „midterm elections“, der ins Auge springt. Die großen Trends der US-Politik in den letzten Jahren sind einerseits der wachsende Einfluss wachsender ethnischer Minderheiten und andererseits die Verstärkung der Unterschiede zwischen den zwei großen Parteien. Das führt dazu, dass die Tradition des Wechselwählens und des Wählens von KandidatInnen unterschiedlicher Parteien bei unterschiedlichen Wahlgängen weniger wird.

1) Minority vote

Die mit Abstand größte ethnische Minderheit in den USA sind Hispanics – also spanischsprachige EinwandererInnen und ihre Kinder. Sie wählen heute zu über 2/3 demokratisch, noch vor 15 Jahren war das umgekehrt. Fast jede/r Fünfte US-BürgerIn ist heute „hispanic“, 2050 wird mehr als jede/r Vierte aus einer ursprünglich (und wahrscheinlich immer noch) spanischsprachigen Familie kommen. Das starke Wachsen dieser Bevölkerungsgruppe und ihr unter anderem wegen der Einwanderungspolitik in Richtung DemokratInnen gewandeltes Wahlverhalten hat entscheidend dazu beigetragen, dass zwei Bundesstaaten im Südwesten der USA – New Mexico und Colorado -, die bis in die 90er-Jahre fest in den Händen der Republicans waren, jetzt mit stabilen Mehrheiten demokratisch wählen. Die wachsenden Hispanic-Minderheiten in vielen Großstädten helfen ebenfalls, ehemals fest in republikanischer Hand befindliche Bastionen kompetitiv zu machen. Der Einfluss der Immigrationspolitik auf die ganz große politische Bühne geht so weit, dass der US-Präsident überlegt hat, noch vor dem Wahlen im November per Verordnung ein liberaleres Einwanderungsrecht auf den Weg zu bringen. Abgebracht hat ihn letztlich, dass die Rettung der demokratischen Mehrheit im Senat von knappen Rennen im republikanisch dominierten Südosten des Landes abhängig ist und eine verordnete liberale Immigrationspolitik seine dortigen ParteikollegInnen möglicherweise die entscheidenden Prozent gekostet hätte. Ein zweiter Beleg für die Bedeutung der ethnischen Minderheiten: Die RepublikanerInnen wissen längst um ihre Probleme in diesem Segment und sind deswegen vor allem im Süden darum bemüht, selber spanischsprachige KandidatInnen in hohe Ämter zu bringen. Drei von ihnen – New Mexicos Gouverneurin Susana Martinez, Texas Junior Senator Ted Cruz und Floridas Junior Senator Marco Rubio – gelten sogar als heiße Eisen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2016.

2) Wechselwählen

Bei Personenwahlen war es in den Vereinigten Staaten lange sekundär, welcher Partei die KandidatInnen angehörten. Und es gibt nach wie vor republikanische SenatorInnen in tiefblauen Staaten (etwa aus Illinois, aus Wisconsin und aus Pennsylvania) und demokratische SenatorInnen in tiefroten Staaten (etwa South Dakota, Louisiana, Arkansas). Aber die werden weniger: Umfragen sagen voraus, dass im November möglicherweise alle Senatssitze in Obama-Staaten an Democrats gehen und alle Senatssitze in Romney-Staaten an Republicans. Was für uns in Europa irgendwie logisch klingt, wäre in der US-Tradition mit stark personalisiertem Wahlrecht ein Bruch. Mit dem einher geht auch, dass die verschiedenen Regionen politisch uniformer werden. In den Großstädten wählen meistens über 70%, manchmal auch über 80% demokratisch, während es in ländlichen Gebieten oft umgekehrt ist. Langfristiges Ergebnis dieser Entwicklung könnte sein, dass sich die parteipolitischen Auseinandersetzungen auf noch weniger Schauplätze konzentrieren und damit das Ungleichgewicht in finanziellen Zuwendungen an Staaten, die politisch ausgeglichen sind, stärker wird. Außerdem wird bei einer Polarisierung der WählerInnenschaft auch die Zusammenarbeit der beiden großen Parteien, die heute schon oft durch gegenseitige Blockaden gekennzeichnet ist, noch schwieriger. Denn de facto ist das US-System momentan noch eine große Koalition auf vielen verschiedenen Ebenen. Aber eben: Noch. Und last but not least – und das zeigen auch die knappen Senats-Rennen in North Carolina, in Georgia, in Louisiana oder in Iowa: Die lokalen KandidatInnen müssen sich immer mehr von ihren Parteispitzen in Washington abgrenzen und deren Politik kritisieren – Präsident Obama, der in den Zustimmungsraten zu seiner Politik unter 40% gerutscht ist, ist dort vor Ort momentan von seinen demokratischen ParteikollegInnen unerwünscht.

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