vergesst die umfragen

Barack Obama hat heute Nacht die Grundlage für einen Sieg am 6. November gelegt. Vergesst die inhaltlichen Details – es geht so kurz vor einer Wahl nicht mehr um Themen, sondern um das, was sie auf der anderen Seite des Atlantiks Momentum nennen. Wir würden „politische Großwetterlage“ dazu sagen. Wichtig ist, dass die Menschen zu dieser Stunde in Tampa, in Cincinnati, in Des Moines und in Reno in den Morgennachrichten hören, wer gewonnen hat. Da sind die Umfragen unzweifelhaft, nur der Abstand variiert.

Telefone laufen heiß

Damit ist das Rennen natürlich noch nicht gelaufen: Jetzt entscheiden die Füße. Eine so knappe Wahl, wie die in zwei Wochen bevorstehende, wird unter dem Radar der nationalen Berichterstattung entschieden. Schaffen es die Romney-Leute im umkämpften Bundesstaat Virginia, Obamas Bemerkung über Schiffe, Pferde und Bajonette als gegen die Marine gerichtet zu drehen? Das könnte im Staat mit dem größten militärischen Hafen der Welt entscheidend sein. Um den Patzer von Romney in diese Richtung zu drehen, reichen aber keine bösen Werbespots. Mindestens so wichtig für die Deutungshoheit einer Kampagne sind überzeugende Freiwillige, die von Tür zu Tür rennen oder ihr Telefon heiß laufen lassen und mit ihren MitbürgerInnen über die Wahl diskutieren.

Anderes Beispiel, die Auto-Industrie. Meiner Ansicht nach war Mitt Romney schlecht beraten, auf Obamas diesbezügliche Attacke einzugehen. Er musste damit 5 Minuten lang über ein Thema reden, das Obama dem rettenden Ufer im 18 Wahlmänner starken wahlentscheidenden Flächenstaat Ohio näher bringt. Aber wieder: Vorausgesetzt, zehntausende gut gebriefte Freiwillige werden von der Kampagne zeitnah mit den besten Argumenten ausgestattet und sind in der Lage, den aufgelegten Elfer auch reinzudrücken.

Symbolpolitik setzt den Rahmen, „ground game“ entscheidet

Die mediale Aufmerksamkeit richtet sich jetzt auf die Frage, wer von den beiden Kandidaten in den verbleibenden zwei Wochen in welchem Bundesstaat wieviele Reden hält. Freilich hat das Symbolcharakter, keine Frage. Aber auch der Anreiz dieser ’stump speeches‘ hat etwas mit der Mobilisierung der Freiwilligen zu tun. Erstens ist eine Rede in einer halb leeren Turnhalle peinlich. Und zweitens ist ein Ticket für eine große Abschlussveranstaltung ein toller Anreiz für Freiwillige, sich noch mehr anzustrengen und noch mehr Telefonanrufe zu machen.

Ich trau mich deswegen zu sagen: Die Debatte nachzuschauen, ist etwas für Politik-Nerds und für außenpolitisch sehr Interessierte, die jedes Wort einer Denkschule zuordnen können. Aber vergesst die 48-48 Umfragen aus Ohio, Florida und Virginia. Alles unter 50% ist schlicht nicht vorherzusagen. Jetzt entscheiden die Freiwilligen.

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