drei bedingungen für die beschneidungsdebatte

So, jetzt hab ich mich von Berufs wegen für diesen Blog-Eintrag doch in die Beschneidungs-Debatte eingelesen. Drei Dinge, die ich wichtig find – als Prämissen für einen sensiblen, respektvollen und zielführenden Umgang mit diesem Thema.

 

  1. Murphys Gesetz

Es gibt für jedes Problem eine einfache, falsche Lösung. So wie alles, was in den letzten Wochen haudraufmäßig beschlossen wurde. Wenn die Beschneidung tatsächlich so furchtbar wäre, wie manche heute mit drastischen Bildern von blutverschmierten Babies beweisen wollen und wenn die Praxis mit einem Verbot morgen gestoppt wäre, könnte man das diskutieren. Wie war das auch schon in der Debatte über Schwangerschaftsabbruch (Achtung: keine Gleichsetzung der Eingriffe!)? Wenn ihr das verbietet, wird’s teurer, unhygienischer und gefährlicher. Wie war das mit dem Kopftuchverbot in Schulen (Achtung: keine Gleichsetzung)? Wenn ihr die Kopftücher verbietet, werden die religiösen Privateinrichtungen aus dem Boden schießen. Wenn wir von heute auf morgen keine Jungen vor der Beschneidung schützen können, dürfen wir sie auch nicht von heute auf morgen verbieten. Das schadet nämlich nur: den Betroffenen, der politischen Klima und dem interreligiösen Dialog.

  1. Identitätsthemen sind leicht für Außenstehende

Na logo find ich es absurd, dass acht Tage alte Menschen einen medizinisch unnötigen Eingriff über sich ergehen lassen müssen. Das kann ich aber auch leicht sagen, weil das nicht einer der zentralen Momente meines Glaubens ist. Da hab ich’s als Atheist sehr einfach. Dass sich Juden und Jüdinnen angegriffen fühlen wenn ein (wenn auch fragwürdiges) zentrales Element ihrer Glaubenslehre, das 65 Jahre lang unbestritten war in diesem Land, auf einmal Objekt einer Verbotsdebatte wird. Das rechtfertigt nicht den mehr als schrägen Holocaust-Vergleich von Ariel Muzicant. Aber es erklärt die Emotion der Glaubensvertreter, wenn das Judentum und der Islam von heute auf morgen von vielen ihrer eigentlichen BündnispartnerInnen, der pluralistischen Linken, so massiv stark angegriffen werden.

  1. „Genitalverstümmelung“ ist nicht gleich Genitalverstümmelung

Die männliche „Genitalverstümmelung“ zieht: Ich kann mich an keine so lebhafte Debatte im deutschen Sprachraum über weibliche Genitalverstümmelung erinnern, seit 15 Jahren nicht. Trotzdem führen zahlreiche selbsternannte Gleichberechtigungskämpfer den Vergleich der Eingriffe spazieren. Das ist völlig unpassend. Einerseits, weil die weibliche Genitalverstümmelung offenbar nie so viele Leute interessiert hat, wie jetzt die männliche Beschneidung. Und zweitens, weil der Vergleich schlicht nicht stimmt. Die Entfernung von Klitoris und Schamlippen hat mit der Beschneidung der Vorhaut soviel zu tun, wie eine Zahnfüllung mit einer Wurzelbehandlung.

Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann man gemeinsam mit Vertretern und hoffentlich auch Vertreterinnen der Glaubensgemeinschaften einen Dialog über die männliche Beschneidung führen. Haudrauf und Fahrdrüber befriedigt zwar die Seelen vieler Rechter und leider auch mancher Linker. Mit dem Kindeswohl hat das aber überhaupt nichts mehr zu tun.

5 Gedanken zu „drei bedingungen für die beschneidungsdebatte

  1. Die weibliche Genitalverstümmelung wurde meiner Ansicht nach nicht debattiert, weil: falls ein Politiker/Glaubensvertreter etc. sich trauen würde diese zu verteidigen, wäre das sein letzter Akt in seiner Funktion.

    Bezüglich: „Wenn die Beschneidung tatsächlich so furchtbar wäre, wie manche heute mit drastischen Bildern von blutverschmierten Babies..“

    Die männliche Genitalverstümmelung wird in deinem Post verharmlost. Körperverletzung bleibt Körperverletzung, auch wenn das schon seit Jahrhunderten so gemacht wird.

    1) Das Abschneiden der Vorhaut ist äquivalent mit dem Wegschneiden der Klitorisvorhaut (und eventuell der Schamlippen). Letzteres wird aber als weibliche Beschneidung gesehen und ist verboten (Typ 1a, siehe wikipedia FGM).
    Falls also männliche Beschneidung „ok“ ist, dann muss auch ein Teil der derzeitigen Praxis der weiblichen Beschneidung „ok“ sein, und es sollten nur schlimmere Formen der weiblichen Beschneidung verfolgt werden.
    Dann muss gleichermaßen jegliches Abschneiden von Vorhäuten erlaubt sein. Mit welchem Recht schneide ich aber einem minderjährigen Kind/Baby einfach einen Teil seines Körpers weg?

    2) Wenn eine Religionsgemeinschaft (nehmen wir z.B. Scientology) beschließen würde, es gehört von nun an zum Ritual, jedem Neugeborenem die Zehe neben der kleinen Zehe abzuschneiden, so müsste das ebenfalls erlaubt sein, wenn männliche Beschneidung erlaubt ist, denn schließlich braucht auch diese Zehe niemand ernsthaft zum Leben (auch wird kein Lustempfinden gestört).

    Und letzten Endes sind auch schon Babies an dieser Operation gestorben, denn jede Operation bringt ein Operationsrisiko mit sich. Ich bin mir fast sicher, dass die Mehrzahl dieser Kinder gerne weitergelebt hätten, statt auf ihre Religion Rücksicht zu nehmen, wenn man sie vor die Wahl hätten stellen können. Schön, wenn du hier Rücksicht auf Religionsvertreter nehmen willst, ich denke, dass ist der falsche Ansatz. Dialog & Aufklärung ja, wie bei (jeglicher Form) der weiblichen Beschneidung, aber ein (nationales) Verbot muss sein.

  2. ich hab mit keinem Wort gefunden, dass die männliche Beschneidung super ist. Ich wehr mich nur gegen die blutverschmierten Baby-Bilder, die durch Twitter geistern, weil ich nicht glaub, dass die Bilder zu einer ernsthaften Debatte beitragen.

    Babies sterben an diesem Eingriff, wenn er nicht unter guten medizinischen Bedingungen gemacht hat. Das war ja auch der Grund dafür, warum ich ein Verbot für nicht zielführend halt. Weil es nicht dazu führen wird, dass weniger beschnitten wird, sondern dazu, dass halt unter anderen Bedingungen beschnitten wird.

  3. Warum ist es so schwierig dass sich alle diejenigen, die sich öffentlich zu dem Thema äußern zuerst über die Facts informieren? Das würde uns viele unnötige Kommentare und emotionelle Diskussionen ersparen. Die Film Doku „Mom, why did you circumcise me?“ enthält die wesentlichen Fakten zum Thema in 30 min.

    Im Kern geht es bei FGM und MGM um das gleiche, die Frage ob Selbstbestimmung oder religiöse Riten dominieren. In beiden Fällen vergreift sich die Religion an der Sexualität von Minderjährigen. In beiden Fällen sind die angeblichen Gründe an den Haaren herbeigezogen. In beiden Fällen werden die negativen Auswirkungen auf die Betroffenen nicht wahrgenommen und tabuisiert. Unterschiedlich ist lediglich das Ausmass und die Häufigkeit der Operation, Frauen sind meißt (allerdings nicht immer) in einem wesentlich stärkeren Ausmass betroffen, dafür werden wesentlich mehr Männer ‚beschnitten‘.

  4. Für die Abschätzung der medizinischen folgen sind Sie und Fachleute sicher qualifizierter. Das kann man aber trotzdem nicht losgelöst der pragmatischen Frage, wie diese Eingriffe reduziert werden können, diskutieren. Und da find ich halt: Ein Verbot wird dahingehend überhaupt nicht helfen, ganz im Gegenteil. Und die Vermischung der Eingriffe bei Buben und Mädchen in der Debatte bringen auch nichts, weil sie noch eine Ebene dazu bringen, die seperat wieder ideologische Schützengräben aufreißt und meines Erachtens im Kontext nicht passend ist.

  5. Also ich werde dafür Kämpfen das in Deutschland und ganz Europa ein Beschneidungsverbot in kraft getreten wird.
    Tut mir leid aber die Religion ist doch nicht mehr normal die Menschen selber machen irgendwelche Gesetze oder irgendwelches Papier wo irgend ein scheiß steht Leute wacht auf Moslems und Juden

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