
Dunja aus Syrien ist in Österreich angekommen. Martin Peneders Aufnahme der syrischen Kurdin wurde Foto des Jahres 2015. Dunja mag ihre Lehrerin Marianne.
Seit Monaten les ich, die Stimmung habe sich gedreht. Heute wieder, in der ZIB 2: vor einem Jahr die Grenzöffnung und humanitäre Hilfe von ÖBB bis zu Kleiderspenden in jedem Dorf, damals Willkommenskultur, jetzt Abschottung. Oft hör ich „aber seit Köln“, „aber seit Nizza“, ja letztens sagt eine Bekannte „aber seit München“ sei alles anders.
Ich halt das für eine Konstruktion: Meine FreundInnen, die sich für Schutzsuchende engagieren, tun das immer noch. Die Freiwilligenprojekte, die mit ein paar Brocken deutsch angefangen haben, kochen jetzt gemeinsam, unterhalten sich auf Deutsch und Englisch, viele Geflüchtete stehen auf eigenen Beinen, haben eine Arbeit, haben kleine Wohnungen, die ihnen wie Paläste vorkommen. Ihre Kinder gehen in die Schulen und reden Wienerisch, Linzerisch, Pongauerisch und Bödeledütsch.
Die Ausländerfeinde und -innen gab es damals und es gibt sie heute. Sie haben laut geschrien, dass der Staat versage, als Faymann seine letzte gut Tat als Kanzler vollbracht und die Grenzen für die verzweifelten, hungernden, von Orbans Schergen bedrohten Menschen aufgemacht hat. Es gab sie damals und es gibt sie heute. Die FPÖ steht dort, wo Blaue, Orange und Stronachianer gemeinsam standen. Der Himmelsstürmer hat sich schon davor eine gemäßigte Diktatur gewünscht, der Schmalzlockenlederhosinger mit der mittelmäßigen Stimme hat sich auch schon 2011,12,13 und 2014 durch besondere Heimattreue und mit noch ein paar Prozent mehr Heterosexualität ein paar Zentimeter größer machen müssen. Die SPÖ stritt schon vor dem Sommer 2015 um ihre Richtung, Lopatka war davor schon ein fieser Quertreiber, die Kronenzeitung war auch davor kein Organ der Aufklärung, die rechte Szene war auch davor in besorgniserregendem Wachstum begriffen, die Kieberei von Rechten dominiert.
Die Stimmung hat sich nicht gedreht, aber die Lautstärke der Vortragenden sehr wohl. Gemessen an dem, wie sehr der Großteil der Medien die Angstlust der Rechten übernommen hat und dafür, wie Tag für Tag in großen Lettern der Teufel an die Wand gemalt und die allgegenwärtige Terroramokislamismusgefahr lüstern beschworen wird, verhält sich die große Mehrheit der ÖsterreicherInnen besonnen, gemäßigt und um Frieden bemüht. Und trotzdem werden die Schlagzeilen immer noch dicker und viele Texte und Beiträge immer noch schwerer von dem unterscheidbar, was vor 10 Jahren nich unschreibbar und unsagbar war.
Immer, wenn jemand sagt, „die Stimmung hat sich gedreht“, frage ich deshalb nach Belegen. Ich hab sie noch nicht bekommen. Der Befund muss also einen anderen Zweck haben, als die Realität zu beschreiben. Wer dir Angst macht, will dir was verkaufen: seine Zeitung, sein Sicherheitsschloss, seine Puffen oder sein politisches Programm. Dagegen, dass letzteres gelingt, hilft nur die Zuversicht. Und die unzähligen Menschen, die sich unverändert freiwillig engagieren und die sich weigern, die Angstlust mit- und weiterzutragen, sollten uns allen Grund zur Zuversicht geben.
Benissimo, kaum zu Ertragen diese medialen Vergangenheits-Beschönigungsversuche…..
Und die Vielen, die immer noch „Willkommen“ sagen, werden immer unsichtbarer!
Bin ganz bei dir!
Es werden schauderhafte Szenarien schemenhaft angedeutet, mein Vater fühlt sich in die 30er zurück versetzt, als die Propaganda gegen alles „Undeutsche“ und „Nichtvölkische“ in „Deutsch-Österreich“ lief und den Boden für alles Grausliche danach bereitete.