Nein, der Papa kann ihr nicht helfen bei den Hausaufgaben. Er hat nicht schreiben gelernt, hat er nie gebraucht. Immer am Bau gearbeitet, 10 Jahre in der Nähe von Alanya, dann 30 Jahre in Westösterreich. Die Mama kann sie auch nicht sprechen, diese fremde Sprache. Sie hat sie nie gebraucht – der Papa hat sie nach 10 Jahren in Österreich nachgeholt, sie haben sich die einzige Wohnung genommen, die sie sich leisten konnten. Und da war weit und breit niemand, der deutsch gesprochen hat. Da wär niemand hingezogen, „Türkensiedlung“ hat man zu dem Hieb gesagt.
Ihr Bruder spricht und schreibt deutsch, aber er interessiert sich nicht für sie. Er ist 10 Jahre älter, hat gerade seine zweite Lehrstelle verloren. Der einzige, der ihn gefördert hat, war sein Sportlehrer. In der Hauptschule war er in allen Fächern in der dritten Leistungsgruppe, hat die Hälfte seiner Unterrichtszeit in der Hauptschule ausschließlich mit muttersprachlich türkischen Kindern verbracht. Wenn sie etwas von ihm etwas wissen will, was sie noch nicht gelernt hat, fragt er, wozu sie das brauche. Sie werde mit 18 sowieso zurück in die Türkei gehen, wie ihre ältere Schwester das demnächst tun wird.
Nesrin heißt natürlich nicht Nesrin. Aber es gibt sie, ich hab die Volksschülerin kennengelernt. Es gibt viele Familien, die so sind, wie Nesrins Familie. Die können Karabulut, Radosavljevic oder Madersbacher heißen. Nesrin will Ärztin werden. Trotzdem. Oder gerade deshalb. Ob sie das schafft, hängt ein bißchen von ihr selber ab und von ihrer Familie. Und natürlich davon, ob wir Kadri Ecvet Tezcen ernst nehmen.
das ist aber auch nicht falsch und macht das ganze noch schwieriger
http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/610658/Die-fatale-Rolle-Ankaras_Was-Botschafter-Tezcan-verschwieg