8 Tage teils virtuelle, teils physisch abgehandelte Parteitage sind vorbei. Ein kurzes State of the Race: Donald Trump bleibt seiner Marke, sich nicht um Gepflogenheiten zu scheren, treu: seine Parteitagsrede findet im Garten des Weißen Hauses statt, vor über 1.000 geladenen und fast komplett nicht maskierten Gästen. Das ist konsistent damit, dass das momentan dominierende Thema in den USA, das schon über 180.000 Tote verursacht habende Virus Covid19, in Trumps Rede kaum vorkommt.
Es ist eine virtuelle Realität, die der Präsident seinen AnhängerInnen vorgaukelt – aber eine, die viele wünschenswert finden. Nachdem Verwandte und Angestellte drei Parteitagstage lang versucht haben, Trump als eigentlich ganz netten und liebevollen Typen zu zeichnen, zumindest wenn die Kameras aus sind, war Trump dran um Joe Biden zu definieren. Damit tut sich Team Trump schwer, weil was sollte an einem weißen, sehr alten, politisch sehr mittigen Kandidaten auszusetzen sein? Bidens Senilität („sleepy Joe“) hat der mit ein paar guten Auftritten weggewischt. Bidens noch lebenden der beiden Söhne wegen möglicher Korruption anzugreifen, ist angesichts des auch am demokratischen Parteitags präzise aufgearbeiteten Dramas um Bidens verstorbenen anderen Sohn, nicht ohne Schuss ins eigene Knie möglich.
Bleiben republikanische Evergreens: die Vorstädte sind nicht mehr sicher. Und der Kandidat ist ein trojanisches Pferd, wahlweise für einen 67jährigen Statschef von China oder für eine 30jährige Kongressabgeordnete aus der Bronx. Nichts von all dem verfängt und ist konsistent und trotzdem werden die Umfragen knapper – warum ist das so?
Wir haben es hier mit einem Effekt zu tun, der praktisch immer und aus mehreren Gründen stattfindet. Zum Einen bekennen sich, je näher der Wahltermin kommt, mehr WählerInnen des/der weniger beliebten und sozial erwünschten KandidatIn trotzdem zu ihrer Wahl. Es war leichter, am Telefon „Biden“ statt „Trump“ zu sagen – jetzt steigt die BekennerInnenrate der RepublikanerInnen.
Und der zweite Effekt ist einer der Medienlogik. Die Medien wollen ein knappes Rennen, weil sich das gut verkauft. Und deshalb steht die 17te Umfrage mit Biden +10 nicht auf der Titelseite, aber die eine Umfrage mit Biden nur mehr +3 eben schon. Klar ist: wir werden bis zum Wahltag und wegen der Briefwahl darüber hinaus nicht wissen, wer Ende Jänner 2021 angelobt wird. Aber wir haben, Stand heute, ein relativ stabiles Rennen seit einem halben Jahr, bei dem Joe Bidens Mehrheit zwischen +15 und +5% U.S.-weit schwankt, mit den meisten Umfragen in der Mitte dieser Schwankung mit 9-11% Vorsprung.
Heißt das, Joe Biden ist durch? Nein, aber die Grundlagen, die fundamentals der Wahlentscheidungen sind relativ klar und nicht dramatisch verändert, auch wenn die eine oder andere Umfrage mal ausreißt. Nächste große Stationen: vier TV-Debatten, drei Mal Biden-Trump, ein Mal Harris-Pence. Bis dahin wird sich einen Monat lang vermutlich nichts dramatisch verändern am Vorteil Biden.