
Vizepräsidentin Kamala Harris hat sich entschieden, wer ihr Vize sein soll, wenn sie im Jänner als Präsidentin angelobt werden sollte. Es ist der 60-jährige Gouverneur von Minnesota, Tim Walz. Vor vier Wochen außerhalb der Politikblase noch völlig unbekannt, hat Walz in einem breiten Feld mit vielen guten Bewerber*innen am Schluss das Rennen gemacht. Walz bringt zwar keinen entscheidenden Staat wie Pennsylvania mit – das hatte man seinem letzten Mitbewerber Josh Shapiro zugetraut. Aber Walz hat auch keinen politischen Ballast, der jemanden innerhalb der demokratischen Allianz stören würde.
„Do no harm“ ist spätestens seit Sarah Palin eine der Grundregeln für Vizekandidat*innen. Der ehemalige Nationalgardist, Lehrer und Football-Coach Tim Walz hat weniger Angriffsflächen als Pennsylvanias Gouverneur Shapiro. Auch wenn dem eine sehr vehemente Pro-Israel-Position und ein gerichtlich beendeter Belästigungs-Vorfall in Shapiro Kabinett als mögliche Schwächen ausgelegt wurden, dürfte es vor allem das massive Lobbying der Gewerkschaften sein, das Harris am Ende überzeugt hat. Shapiro hatte sich mit der Lehrer*innengewerkschaft angelegt, das ist eine der wichtigsten politischen Gruppen innerhalb der Demokratischen Partei.
Walz ist aber auch ein begnadeter Kommunikator und hat die „weird“-Angriffslinie der Demokrat*innen auf Trump und sein Umfeld gestartet: Die unterscheidet sich deutlich von den (berechtigten) Untergangswarnungen für die US-amerikanische Demokratie. Sie macht es Menschen, die mit den Republikaner*innen oder Trump sympathisieren oder sympathisiert haben, deutlich leichter und den Weg zu einer Stimmabgabe für Demokrat*innen kürzer. Der 60-jährige Walz, Sohn eines Lehrers, Ehemann einer Lehrerin, Vater einer 23-jährigen und eines 18-jährigen, der deutlich älter wirkt, als er ist, wird die hemdsärmelige Flanke der Demokratischen Partei abdecken und damit auch ein Ausgleich zur hochprofessionellen Kalifornierin Kamala Harris sein. Er ist für Harris, was Biden für Obama war: der nette Old White Dude als Ausgleich zur progressiven schwarzen Person.
Wäre Pennsylvanias Gouverneur Shapiro, der letzte noch im Rennen gewesene Mitbewerber Harris, die bessere Wahl gewesen? Wir werden es nie herausfinden. Aber sollten Harris/Walz den Staat Pennsylvania nicht gewinnen und das Weiße Haus deshalb verlieren, dann wird man auch an diesen 6. August mit der Kür von Tim Walz zurückdenken.