
Sparen wir uns die Diskussionen darüber, wer nach Joe Bidens Rückzug als Kandidat das Weiße Haus, die USA und die Welt vor Donald Trumps zweiter Amtszeit schützen soll. Kamala Harris ist gesetzt. Wer jetzt, nach Wochen des selbstschädigenden intern-öffentlichen Armdrückens, die legitime Nachfolgerin und gewählte Stellvertreterin des Präsidenten, die Vertreterin der Mehrheit der Wähler*innen als Frau und der Mehrheit der demokratischen Wähler*innen als Woman of Color stellt, wird dafür kein Verständnis bei den Entscheidungsträger*innen der Partei ernten. Es wird sich schon irgendein Verrückter finden, der die Bühne nützt. Aber es gibt keinen Grund und kein nachvollziehbares Motiv, die jetzt endlich gefundene Lösung, gegen den Willen Bidens und Harris, zu gefährden.
Die zwei interessantesten Fragen sind also:
Was wird das für ein Rennen?
Und mit wem gemeinsam steigt Harris in den Ring.
Zu 1.: Harris liegt in Umfragen besser als Biden, aber maximal gleichauf mit Trump. Nicht vergessen: sie und ihr Vize werden bundesweit 3% Vorsprung brauchen, um wegen des komplexen Wahlsystems auch verlässlich ins Weiße Haus einzuziehen. Am wahrscheinlichsten kriegt Harris jetzt einen Boost in den Umfragen, überholt Trump, dann werden wüsteste Attacken auf ihren Charakter und Integrität folgen und wir haben ein offenes Rennen. Ich würde sagen, die Fundamentals – Themenlage, Personen, ökonomische Faktoren – favorisieren die demokratische Kandidatin gegen Trump, sogar relativ deutlich.
Zu 2.: Es ist unbestritten, dass ein weißer Mann ihr Vizekandidat wird. Da gibt es drei Männern aus Swing States, die neben einer attraktiven Kandidatur auch noch bessere Chancen in einem umkämpften Bundesstaat bringen könnten:
North Carolinas Gouverneur Roy Cooper hat diesen knappen Bundesstaat bereits 2 Mal als Gouverneur gewonnen. Er gilt als moderat, gewinnend und sympathisch. Allerdings ist er mit 67 nicht mehr der Jüngste.
Pennsylvanias Gouverneur Josh Shapiro wäre eine direkte Ansage für die drei Bundesstaaten, die früher als „Blue Wall“ die Lebensversicherung der Democrats bei US-Wahlen galten. Der 51-jährige hat den Must-Win-Bundesstaat für Harris 2022 mit 15% Vorsprung gewonnen. Er wäre wahrscheinlich die stärkste Karte.
Arizonas Senator Kelly hat diesen ebenfalls kritischen Bundesstaat zwei Mal gewonnen, allerdings mit knapperen Abständen. Der ehemalige Astronaut ist mit der ehemaligen Politikerin Gaby Giffords verheiratet, die Opfer eines Schusswaffenattentats wurde und seitdem vor allem zu diesem Thema arbeitet. Kelly gilt als einer der moderatesten demokratischen Senatoren. Allerdings würde der 61-jährige damit auch einen gefährdeten Sitz im Senat aufgeben, den die Demokrat*innen dringend brauchen.
Daneben wurden Kentuckys Gouverneur Beshear, Verkehrsminister Buttigieg und Kaliforniens Gouverneur Newsom immer wieder genannt. Beshear kommt aus keinem gewinnbaren Bundesstaat. Newsom ist faktisch unwählbar, weil Präsident und Vize nicht aus dem gleichen Bundesstaat kommen dürfen. Und Buttigieg ist mit einem Mann verheiratet: das ist nicht, womit die Democrats glauben, Wechselwähler*innen gewinnen zu können.
Ein letzter Gedanke für heute: Unbestritten ist, dass Kamala Harris Chancen hat, im November als Präsidentin gewählt zu werden. Die Daten sind da völlig klar. Manche sagen, es ist schwer, 20%. Andere sagen 50:50. Ich sage, ihre Chancen liegen bei 80%. Aber wer jetzt noch schreibt oder postet, sie hat nie im Leben einen Funken einer Chance, hat andere Motive als eine seriöse Einschätzung. Ihr werdet hauptsächlich Männer sehen, die das schreiben. Es sagt mehr über diese Männer als über Kamala Harris.