zieht sich biden zurück?

Heute Nacht hatte Joe Biden im ersten von zwei geplanten TV-Duellen gegen Donald Trump die 15 Sekunden, die nicht passieren durften: Er verlor den Faden, stotterte sich durch Schlagwörter von drei Themen und konnte Satz und Gedanken nicht beenden. Dass Trump einmal mehr log, dass sich die Balken bogen, das wird in der US-Berichterstattung zur Nebensache. Biden sei nicht mehr zu halten, das ist der Tenor und er geht weit bis in linke und liberale Medien hinein.

Kann die Partei Biden zum Rücktritt zwingen?

Als Präsident wäre Biden nur dann zum Rücktritt zwingbar, wenn die Vizepräsidentin und die Hälfte des Kabinetts in als amtsunfähig erklären und zwei Drittel von Repräsentant*innenhaus und Senat dem zustimmen würden. Das ist in der Praxis undenkbar und würde die Wahlchancen für November noch weiter minimieren – umso mehr, als das Prozedere, ihm die bereits nominell gewonnene Kandidatur zu entziehen, gegen seinen Willen schwierig wäre.

Wie kann der/die Kandidat*in wechseln?

Die 4.000 Delegierten zum Parteitag, die Biden am 19. August zum Kandidaten küren sollten, sind theoretisch an das Votum ihres Bundesstaates bei den Vorwahlen gebunden. Praktisch können sie aber mit einem Geschäftsordnungstrick, wenn sie es „mit dem guten Gewissen vereinbaren können, dass das auch die Meinung jener sei, die sie gewählt haben.“ Das kann also theoretisch auch noch ganz kurz vor der Versammlung passieren.

Was ist ein realistisches Szenario?

Zwei Möglichkeiten sind (unterschiedlich) wahrscheinlich, falls Biden sich zurückziehen sollte: Eine Möglichkeit wäre, dass er selbst eine*n andere*n Kandidat*in empfiehlt und auch seinen Delegierten diese Wahl empfiehlt. Das wäre höchstwahrscheinlich seine Vizepräsidentin Kamala Harris, auch wenn sie bei weitem nicht die Kandidatin mit den besten Chancen wäre, Donald Trump zu schlagen. Biden könnte das zementieren, indem er auch als Präsident zurücktritt und Harris Präsidentin würde. Dann wäre es eine Formsache, dass sie der Parteitag auch zur Kandidatin macht. Eine zweite Möglichkeit wäre, dass Biden Präsident bleibt, aber seine Kandidatur zurückzieht und das weitere Verfahren in die Hände der Partei legt. Das wären dann turbulente Wochen bis zum Parteitag, aber es gebe dann eine*n legitime*n Kandidat*in. Ob bei einem solchen internen Blitzwahlkampf aber nicht so viel Glas zerbrechen würde, dass es keine Chance mehr im November gebe, ist nicht auszuschließen.

Wer kommt außer Kamala Harris in Frage als Biden-Ersatz?

Am wahrscheinlichsten wären das folgende Kandidat*innen:

Außenminister Anthony Blinken wäre ein Kandidaten wie aus dem Buch: Außenpolitiker, New Yorker, seriös bis zum geht nicht mehr, unbestrittener Fachmann, Regierungserfahrung an den heißesten Verhandlungstischen der Welt.

Die beiden Gouverneur*innen aus dem Mittleren Westen, Pennsylvanias Josh Shapiro und Michigans Gretchen Whitmer, haben Must-Win-Bundesstaaten für die Demokrat*innen im November, vor eineinhalb Jahren selber sehr deutlich gewonnen. Das erhöht nicht nur deren eigene Chancen in diesen Staaten, es zeigt auch, dass sie großen Party-Crossover-Appeal haben.

Michelle Obama und Hillary Clinton haben beide eine sehr plausible Geschichte zu erzählen, warum sie Trumps zweite Amtszeit verhindern. Ob das die Wähler*innen auch so sehen, das ist die 100.000-Dollar-Frage: Zustimmungs/Ablehungs-Umfragen bei nicht amtierenden Politiker*innen, die oft ins Treffen geführt werden, sind nie 1:1 in Umfragen und Wahlergebnisse übersetzbar. Aber beides wären trotzdem Signale aus der Vergangenheit. Ob das die Mehrheit brächte: I reserve my doubts.


What’s next?

Die Drähte laufen jetzt garantiert heiß. Politiker*innen und Spender*innen werden massiven Druck aufbauen, dass Biden den Schritt zur Seite macht. Es braucht keine Entscheidung von heute auf morgen, man kann auch 10-14 Tage warten, ob die Umfragen so dramatisch sind wie die erste Reaktion von Medien und Politik nach dem TV-Duell. Die demokratische Rechnung war immer, wenn die Biden-skeptischen Wähler*innen in Richtung Herbst zurück kommen, dann geht sich der Sieg gegen Trump aus. Dass die Biden-Skeptiker*innen zurückkommen, das ist heute Nacht nicht wahrscheinlicher geworden. Und one die wird sich das nicht ausgehen.

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