
Crunch Time bei den Vorwahlen in den USA. Allgemeine Gesetzmäßigkeiten aufzustellen ist schwierig, weil die Vorwahlen nur alle 4 Jahre auf einer Seite spannend sind. Denn Amtsinhaber*innen haben normal keine ernstzunehmende Gegenkandidatur. Aber eines ist es immer: Ein spannendes, sich über Wochen bis Monate ziehendes Rennen zwischen mehreren Kandidat*innen mit Werbeclips, Kampagnenstopps, großen Reden, Skandalen und viel Polit-Strategie von allen Seiten. Also much ado about the most prestigious job ihn the world.
Obama gegen Hillary Clinton, Bush jun gegen McCain, Biden gegen Sanders und Buttigieg, es gab viele historische Rennen. Dieses Mal also der schwächelnde Biden auf demokratischer Seite gegen nicht ernstzunehmende Gegenkandidat*innen – und Donald Trump gegen alle.
Die Wahlen finden in den meisten Bundesstaaten einzeln an einem Wochentag statt – manche Bundesstaaten sind geblockt, am Super Tuesday wählen sehr viele Staaten am gleichen Tag. Spätestens hier, nach circa zwei Monaten, sind auch spannende Vorwahlen meistens entschieden. Vergeben werden bei diesen einzelnen Vorwahlen Delegiertenstimmen für den großen Parteitag im August, eine mehrtägige Show mit Prominenten und mit Reden, die dem Land den/die mögliche Präsident*in noch einmal von den besten Seiten zeigen (sollen).
Zur Orientierung ein paar Gesetzmäßigkeiten: In Iowa, New Hampshire Nevada und South Carolina, den ersten 4 Staaten, reduziert sich das Feld. Aus einem Dutzend oder mehr Kandidat*innen bleiben nach vier Wahlgängen nur mehr die über, die zumindest ein oder zwei Mal stark waren.
Auch wenn bis dahin delegiertenmäßig nicht viel passiert ist und nur eine einstellige Prozentsaal der Delegierten gewählt worden ist, bist du kein*e Anwärter*in, wenn du in keinem der ersten Staaten stark bis. Oft fangen Kandidat*innen deshalb schon Jahre davor an, den Boden dort zu beackern. Und auch umgekehrt: Wenn jemand plötzlich ohne verdammt guten Grund in Iowa auftaucht, dann ist das meistens ein Signal für präsidiale Ambitionen. Zwischen den Wahlgängen in den ersten Staaten gibt es noch jeweils eine Fernsehdebatte, zu der es natürlich eine Vor- und eine Nachberichterstattung gibt. Mit prominenten Unterstützer*innen, die sich in letzter Sekunde als solche zu erkennen geben, versuchen die Kandidat*innen noch Unentschlossene zu überzeugen.
Das geht bis in die TV-Debatten selbst: Joe Biden selbst hat seine zunächst strauchelnde Kandidatur 2020 nur damit retten können, dass er in der Werbepause der Fernsehdebatte in South Carolina der einflussreichen und von Schwarzen dominierten Demokratischen Partei des Bundesstaates versprach, eine schwarze Frau als Vize zu nominieren. Prompt wiederholte Biden das Versprechen in der zweiten Hälfte der Debatte, gewann South Carolina nach Niederlagen in den ersten drei Staaten hoch, ging mit entsprechend Rückenwind in den sogenannten Super Tuesday und lag dann delegiertenmäßig schon fast uneinholbar vorne.
Sie sehen: Es ist spannend, es ist dynamisch, es ist teilweise unübersichtlich. Nicht nur der Demokrat in mir, sondern auch der Beobachter wünscht sich ein knappes Rennen bei den Republikaner*innen – auch wenn es derzeit leider so aussieht, als könne Donald Trump nur sein Körper am Weg zur Nominierung stoppen.
Ich nehme an dieser Stelle auch gleich die häufigste Frage vorweg, die zu den Vorwahlen kommt: Wenn ein*e Kandidat*in während der Vorwahlen amts- oder kandidaturunfähig wird, dann können sich die Delegierten am Parteitag auch einfach umentscheiden. Sie sind dann frei in ihrer Entscheidung, wen sie im August als Kandidat*in für die Hauptwahl im November nominieren. Das wieder wäre an Spannung kaum zu überbieten.
Weitere Fragen zum Prozess? Her damit. Wer keine Fragen hat: hier gibt’s eine der ganz großen Gänsehaut-Reden von Barack Obama, nachdem er 2008 völlig überraschend die Vorwahlen in Iowa gegen die hoch favorisierte Hillary Clinton geschlagen hat: https://www.youtube.com/watch?v=yqoFwZUp5vc